02/2023

In diesem Heft

Tipp

Mühlheim, 5.2. – Im Rahmen der Filmreihe des Filmbüros NW wird am 5.2. im Theater an der Ruhr »Ruhr Record« (2014) des Dokumentarfilmers Rainer Komers gezeigt. Dieser ist an dem Abend auch zum Gespräch zu Gast und stellt sein Buch »Außen Fuji Tag« vor.
Porto, 24.2.–5.3. – Das internationale Filmfest in Porto ist eines der weltweit größten Festivals, die sich auf den Fantasyfilm spezialisiert haben. Im Hauptwettbewerb wird der Große Preis für den besten Fantasy-Film des vergangenen Jahres vergeben. Die Filme bewegen sich dabei immer auch an den Grenzen zu anderen Genres wie Horror, Science-Fiction und Drama.
Berlin, 15.–23.2. – Die zeitgleich mit der Berlinale stattfindende Woche der Kritik beschäftigt sich unter anderem mit Filmen, in denen die Macher ihre eigene Verwicklung in die jüngere Geschichte thematisieren. So hat sich der junge Regisseur Vadim Kostrov mit impressionistischen Bildern seiner russischen Jugend einen Namen gemacht und feiert mit seinem Film »Still Free« Weltpremiere. Ein weiterer Schwerpunkt sind Arbeiten wie »The Film to Come« von Raúl Ruiz und Manaka Nagais »Moon Night«, die zwischen Zärtlichkeit und formalem Erfindungsreichtum oszillieren.
Berlin, 16.–26.2. – Die 73. Internationalen Filmfestspiele Berlin eröffnen am 16.2. mit der Weltpremiere von Rebecca Millers »She Came to Me«. Als erstes der großen Filmfestivals verleiht die Berlinale in diesem Jahr auch einen Preis für die beste Serienproduktion. Einen Goldenen Ehrenbären inklusive Hommage und Präsentation seines neuen Films »The Fabelmans« erhält Regisseur Steven Spielberg.
München, 3.–25.2. – Pam Grier gehört zu einer Generation afroamerikanischer Darstellerinnen, die in den 1970er Jahren zusehends in den Fokus gerieten und die bis dahin dominierenden stereotypen Rollenbilder zu verdrängen versuchten. Das Filmmuseum München ehrt sie nun mit einer Filmreihe. Zu sehen sind u. a. »The Big Doll House« (1971), »Friday Foster« (1975) und Quentin Tarantinos »Jackie Brown« (1997).
Noir vom Besten – ein sensibel erzählter ukrainisch-kroatischer Krimi mit hohem Grad an Authentizität.
Am 19.02. spricht Andrew Bird im Kino des Deutschen Filminstituts & Filmmuseums mit Urs Spörri über den von ihm ­geschnittenen Film »Rheingold« von Fatih Akin.
Ein erfahrener Kommissar erliegt der Faszination einer rätselhaften Mordverdächtigen und droht, in einem Gespinst aus Augentrug und Manipulation verloren zu gehen. Dieser Plot mag zum Grundbestand des Film noir gehören, aber Park Chan-wook unterläuft dessen Konventionen so raffiniert und mit solch lyrischem Argwohn, dass daraus ein Meisterstück der Ambiguität entsteht. In Cannes wurde der Südkoreaner mit dem Regiepreis ausgezeichnet. Ein Preis für seine Co-Autorin Chung Seo-kung wäre ebenso verdient gewesen.
In »Funny Woman« wird eine junge Frau aus der Provinz zum Star einer Sitcom und zum Sprachrohr für gesellschaftlichen Wandel: eine liebevolle Hommage an »Swinging London« und das Fernsehen der sechziger Jahre.
Videospielfluch gebrochen: Mit »The Last of Us« findet eine Game-Adaption erstmals großen Anklang bei alten und neuen Fans des Stoffes. Zu verdanken ist das Pedro Pascal und Bella Ramsey.
Wenn die Luft knapp wird: Das Sci-Fi-Debüt »Rubikon« aus Österreich.
»Der denkwürdige Fall des Mr. Poe« will Edgar Allan Poes Biografie zusammen mit der Atmosphäre seines Werkes aufleben lassen.
So vorhersehbar wie anrührend: Charlotte Rampling gibt in »Juniper« eine verhärmte Alkoholikerin im Rollstuhl, die sich ihrem orientierungslosen Enkel annähert.
Oben und unten in Ligurien: »Hotel Portofino« kopiert das Rezept von »Downton Abbey« vor grandioser Urlaubskulisse.
Motels, Stripclubs und toxische Männer: Janicza Bravo verfilmt mit Zola die in vielem wahre Geschichte eines wilden Wochenendes in Florida.
Die australische Produktion »Die Newsreader« erzählt in verblüffend präziser Ästhetik vom Fernsehgeschäft in den Achtzigerjahren, als Videobänder manchmal noch rennend ins Studio gebracht werden mussten.
Therapier dich doch einfach selbst! Mit »Shrinking« hat Sitcom-Star Jason Segel endlich eine Rolle, in der er sich entfalten kann.
In der ORF-Netflix-Koproduktion »Totenfrau« dreht Anna Maria Mühe als Bestattungsunternehmerin Brünhilde Blum mit schwarzem Humor und attraktiver Zwiespältigkeit auf.
SNL-Star Vanessa Bayer nimmt sich in »I Love That For You« ein Randgebiet des Showgeschäfts vor.
Schaufenster in die Fantasie: »Die Erfindung des Verderbens« (1958) von Karel Zeman.
Hippies, Horror, Blaxploitation. Hätte er Filmkritiker werden sollen? Quentin Tarantinos anregende ­Reflexionen über das Kino seiner Jugend.
Die jüngsten Blumhouse-Horrorfilme »Firestarter«, »The Black Phone« und »Halloween Ends« überzeugen durch komplexe Figuren.
Über dem Gesetz? Ein Richter auf Abwegen in »Euer Ehren«.
Sentimentale Implosion: Mit der vierten Staffel »Westworld« endet eine der tollsten Serien der Dekade – leider nicht so toll.

Thema

Am 12. März werden in Hollywood die Oscars ­vergeben. Die Golden Globes haben versucht, sich neu aufzustellen. Werden die kommenden Filmpreise Vielfalt und Inklusion berücksichtigen?
In den »Känguru«-Filmen spielt er mit Erfolg den liebenswerten Schluffi. Im Leben bekommt Dimitrij Schaad alles geregelt, von der Theaterarbeit übers Fernsehen bis zur neuen Kinoproduktion mit Bruder Alex.
Der junge deutsche Film bezieht Stellung in Gegenwartsfragen. Sagt die Autorin Jenni Zylka, die gerade die Leitung der Berlinale-Sektion Perspektive Deutsches Kino übernommen hat.
Er gehört zu den wichtigsten Vertretern des zeitgenössischen südkoreanischen Kinos. Jetzt legt Park Chan-wook mit »Die Frau im Nebel« einen überraschend sanften, subtilen Thriller vor.
Ein Einfall muss reichen, dann wird es gefährlich. Zombies in der Bahn. Sprengstoff auf dem Laster.­ Oder Gerard Butler auf einer Insel, jetzt im Kino. Georg Seeßlen über die Liebe zum schnellen, schnörkellosen, allseits reduzierten Actionfilm.
An Hollywood-Remakes internationaler Stoffe hat man sich gewöhnt. Es geht aber auch andersherum: von ­Hollywood nach Indien und Fernost. Oder gleich ganz ohne die Amerikaner, wie aktuell die französische Adaption des japanischen Zombiefilms »One Cut of the Dead« ­beweist. Tim Lindemann über die trans­nationale Wanderung von Filmstoffen.

Meldung

Hanna Doose, 44, Regisseurin und Drehbuchautorin, drehte Kurzfilme und einen Dokumentarfilm. Ihr Spielfilmdebüt »Staub auf unseren Herzen« wurde mehrfach ausgezeichnet. Im Februar startet »Wann kommst du meine Wunden küssen«

Filmkritik

Auf der Basis einer riesigen aus syrischen Archiven geschmuggelten Fotodatei konnte im letzten Jahr ein Folterknecht des Assad-Regimes erstmals von einem deutschen Gericht verurteilt werden. Die Dokumentation von Stéphane Malterre und Garance Le Caisne vermittelt einen Eindruck von den mühsamen Versuchen syrischer Familien, Gerechtigkeit für ihre ermordeten Verwandten vor europäischen Gerichten zu erkämpfen.
Getreu dem Titel nimmt Jörg Adolph nach dem geheimen Leben der Bäume die Welt nun aus der Vogelperspektive wahr. Doch er bleibt nicht in den Lüften, sondern landet fest auf dem Boden der Tatsachen des Klima- und Umweltschutzes.
Eine inspirierende episodische Reise zu AktivistInnen rund um den Erdball, die Lust auf Eigenaktivität machen soll und auch macht.
Ein erfahrener Kommissar erliegt der Faszination einer rätselhaften Mordverdächtigen und droht, in einem Gespinst aus Augentrug und Manipulation verloren zu gehen. Dieser Plot mag zum Grundbestand des Film noir gehören, aber Park Chan-wook unterläuft dessen Konventionen so raffiniert und mit solch lyrischem Argwohn, dass daraus ein Meisterstück der Ambiguität entsteht. In Cannes wurde der Südkoreaner mit dem Regiepreis ausgezeichnet. Ein Preis für seine Co-Autorin Chung Seo-kung wäre ebenso verdient gewesen.
Bildgewaltiges Drama aus den unwirtlichen wie faszinierend schönen Alpen Nordalbaniens über eine patriarchale Gesellschaft, der Frauen nur entkommen können, indem sie Teil von ihr werden. Eine Selbstermächtigungsgeschichte einer jungen Frau in den 1960er-Jahren, die für ihre Freiheit einen hohen Preis zahlen muss.
Sarah Polleys erster Film seit zehn Jahren ist eine ebenso bewegende wie kluge Emanzipationsgeschichte, eine feministisch-humanistische Reflexion über die Bedeutsamkeit von Sprache und Diskussion. Meisterhaft geschrieben, hervorragend gespielt.
Der sensible Tristan und die depressive Leyla sind miteinander nicht glücklich. Sie lassen sich auf ein Körpertausch-Experiment mit einem Ehepaar in der Krise ein. Die resultierende Wahrnehmungsdifferenz löst eine Reihe von Ereignissen aus, an deren Ende eine erlösende Erkenntnis steht. Kein Science-Fiction, ein melodramatisches Gedankenspiel.
Tradition oder Moderne, arrangierte Ehe oder wahre Liebe? »What’s Love got to do with it?« markiert die Rückkehr von »Elizabeth«-Regisseur Shekhar Kapur zum großen Kino sinnlicher Schauwerte. Statt sich auf eine Seite zu schlagen, eröffnet der indische Regisseur in seiner romantischen Kulturclash-Komödie den Raum für das Für und Wider verschiedener Positionen.
Ein gutverdienendes Männerpaar zieht in ein sozial schwaches Viertel in Tel Aviv und wird sich schmerzhaft seiner Privilegien bewusst. Israelisches Regiedebüt mit erhellenden Momenten, das sich aber nicht zwischen Charakterstudie, Sozialkritik und Satire entscheiden kann.
Mit seinem Animationsfilm gelingt Ari Folman eine bewegende Aktualisierung des berühmten Tagebuchs von Anne Frank.
Der Film folgt einer Clique um Außenseiterin Masha durch das letzte Schuljahr in einem namenlosen ukrainischen Ort. Kateryna Gornostais mäanderndes Langfilmdebüt sucht nicht das laute Drama, sondern taucht voller Liebe in authentische junge Lebenswirklichkeiten ein.
Albert Serras Porträt eines von Benoit Magimel gespielten französischen Kolonialbeamten auf Tahiti ist ein grandioses Spiel mit den Konventionen des Politthrillers. Doch der albtraumhafte Film versteht es, sich wieder und wieder den Regeln des Genres zu entziehen, und schickt einen so auf eine Reise in das wahre Herz der Finsternis.
Visuell so präzise wie spektakulär schildert der Film ein hartes, ärmliches Leben im bolivianischen Hochland – und wie es vom Klimawandel bedroht ist.
Eine faszinierende Familiengeschichte, über die man gerne noch sehr viel mehr erfahren würde.
Stadt – Land, Berlin – Schwarzwald, Familie – Freunde: In ihrem zweiten Spielfilm erweitert Hanna Doose das System der familiären Verstrickungen. Sie steckt den Rahmen der Erzählung, überlässt es aber den Schauspieler*innen, ihn ganz wahrhaftig mit ihren Persönlichkeiten und improvisierten Dialogen zu füllen, in einer dynamischen Balance zwischen Ausgelassenheit und Bitterkeit, zwischen zarten Annäherungen und explosiven Konflikten.
Wenn Gérard Depardieu als französischer Starkoch in einer japanischen Nudelküche wieder Appetit auf das Leben bekommt, ist dies schon aufgrund seines Charismas unterhaltsam, ergibt aber mit den achtlos gezeichneten Nebenfiguren eine allzu dünne Suppe.
Mit einigem Aufwand inszenierte aber insgesamt eher behäbige Komödie über eine nur mit viel Glück geglückte DDR-Fluchtgeschichte.
Adaption bzw. Remake eines schwedischen Erfolgsstoffes: Ein Grantscherben namens Otto, der eine kleine Siedlung mit seinem Ordnungswahn terrorisiert, sieht sich mit dem gut gelaunten Chaos seiner neuen Nachbarsfamilie konfrontiert. Bald spitzt am grauen Himmel die Sonne hervor und leuchtet – nicht zuletzt dank Tom Hanks in der Titelrolle – bis in die Herzen des Publikums.
Im Oktober 2019 wird der Dannenröder Forst in Hessen von Klimaaktivisten besetzt, um eine Rodung für eine Autobahn zu verhindern. Dieser Film zeigt, was für Menschen die Aktivisten sind und wie so ein Camp funktioniert.
Eine Frau fährt mit ihrem Segelboot und fünfköpfiger Besatzung durchs Mittelmeer, auf den Spuren der Fremdenlegion und ihrer Legenden. Weniger Erzählkino, als ein kontemplativ-mäandernde Suchen, von Marseille nach Algerien. Rätselhaftes und betörendes Slow Cinema.
Von Michel Hazanavicius' Remake des japansichen Überraschungshits von 2017 sollte man auf keinen Fall zuviel erwarten – erst dann macht er richtig Spaß.
Dieses Porträt eines der bedeutendsten Maler der Gegenwart geht weit über das porträthafte hinaus, ohne dieses zu vernachlässigen. Hier versteht man plötzlich die Sinnhaftigkeit abstrakter Malerei und deren gesellschaftliche Funktion.
Dokumentarfilm über die Prozesse gegen NS-Täter in den letzten Jahren. Die Urteile folgen der Rechtsauffassung Fritz Bauers. Besonders beeindruckend: Interviews mit den Holocaustüberlebenden und ihren Familienmitgliedern.
Mit »Plane« realisiert der Franzose François Richet einen geradlinigen Action-Thriller im Stil von »Con Air«.
Verletzlich, verletzt und unglaublich stark spielt Julius Nitschkoff in André Szardenings' Kinodebüt einen 21-Jährigen, der zu nehmend an der verantwortungslosen Sorglosigkeit seiner nur 15 Jahre älteren Mutter (Lana Cooper) zu zerbrechen droht. Von Regisseur Szardenings in betörend schönen und traurigen Bildern erzählt.
Ein Mann versucht seine scheidungswillige Frau durch die Wiederholung einer Urlaubsreise von vor zwanzig Jahren, in Begleitung der nun erwachsenen Kindern, umzustimmen: eine Komödie zwischen Burleske und Melancholie, die an beherzt tiefergelegte Ferienfilme vergangener Jahrzehnte erinnert.

Film

Two