Park Chan-wook: Er ist ein Rätsel, und das ist ok

Park Chan-wook. © CJ ENM Co., Ltd., MOHO FILM

© CJ ENM Co., Ltd., MOHO FILM

Seine Filme sind ein bisschen berüchtigt wegen ihres Gewaltlevels. Und: weil sie das Publikum über lange Strecken zum Ermittler in eigener Sache  machen. Wie aktuell »Die Frau im Nebel«, die als Krimi anfängt, aber nicht als solcher endet. Marcus ­Stiglegger über das schillernde Universum des südkoreanischen Regisseurs Park Chan-wook

Park Chan-wooks Filme konfrontieren uns auf komplexe Weise mit dem Unberechenbaren und Geheimnisvollen und bieten eine filmische Ambivalenzerfahrung, die weltweite Resonanz erfährt. Die erste Begegnung mit Parks rätselhaften, multiperspektivischen Vexierspielen ergab sich für die meisten mit dem erfolgreichen Start seines dritten Films »JSA – Joint Security Area« (2000). 

»Joint Security Area« führt uns in die entmilitarisierte Zone zwischen Nord- und Südkorea, die seit dem Ende des Koreakriegs 1953 einen latenten Kriegszustand absichert. Die Bevölkerungen des geteilten Landes können nach vielen Jahrzehnten als »fremde Geschwister« (so die koreanische Filmwissenschaftlerin Sung Kyoung-suk) betrachtet werden, die hin- und hergerissen scheinen zwischen der Sehnsucht nach friedlicher Wiedervereinigung und einer unversöhnlichen ideologischen Feindschaft. 

Der zehn Jahre nach dem Krieg in Seoul geborene Park verdichtet diesen historischen Konfliktzustand in einer filmischen Versuchsanordnung: Eine neutrale Ermittlerin wird aus der Schweiz eingeflogen, um die Erschießung zweier nordkoreanischer Grenzposten in einer Hütte auf neutralem Gebiet zu klären. Sie verhört die südkoreanischen Zeugen, welche beide unterschiedliche Aussagen machen. Der zweite Teil des Films führt in die Vergangenheit und zeigt, wie sich die verfeindeten Grenzposten anfreunden und regelmäßig in der Hütte treffen. Erst als ein Unbeteiligter dazukommt, eskaliert die Situation. Der dritte Teil jedoch bringt eine weitere Wendung. Die Ermittlerin beschließt, das Geschehen nicht restlos aufzuklären, da die Zeit noch nicht reif für die Wahrheit sei.

Diese grobe Zusammenfassung eines komplexen, multiperspektivischen Politthrillers vermittelt bereits einen Eindruck von Parks Methode, das Publikum mit einem Geheimnis zu konfrontieren, von dem nur zögerlich Schicht um Schicht abgetragen wird, um zu einem möglichen Kern vorzudringen. Dabei ist es weniger relevant, die Schuld aufzudecken, als vielmehr die komplexen Verhältnisse zu einem undurchdringlichen Geflecht zu verweben – durchaus ähnlich wie Akira Kurosawas »Rashomon« (1950), der ebenfalls ein Verbrechen aus verschiedenen Perspektiven diskutiert. Als Publikum sind wir in »Joint Security Area« auf aufmerksames Beobachten angewiesen, da sich vieles nur subtil auf der Bild- und Ton­ebene andeutet. So ist auch das Genre des Politthrillers mit Zügen des Detektivfilms in »Joint Security Area« eher als eine Täuschung zu betrachten. Park geht von Genremustern aus, um uns systematisch aus der vermeintlichen Vertrautheit in ein radikales Ambivalenzerleben zu führen. Parks Kino ist eine Herausforderung der cineastischen Wahrnehmung.

Zu seinen bewährten Strategien zählt die Inszenierung hermetischer Räume, in denen menschliche Versuchsanordnungen etabliert werden. Park baut bereits in »Joint Security Area« auf solche isolierten Topographien: Die Hütte im Niemandsland entspricht dem verschlossenen Zimmer in »Oldboy« (2003), dem präparierten Filmstudio aus »Cut« (einem Segment des Omnibusfilms »Three . . . Extremes«, 2004), der Pathologie aus dem Kurzfilm »Judgement« (1999), den Apartments aus »Durst« (2009) oder »Die Frau im Nebel« (2022), dem Therapiezentrum aus »I'm a Cyborg But That's Okay« (2006), dem Klavierzimmer aus »Stoker« (2013) oder dem Schulzimmer aus »Lady Vengeance« (2005). In diesen Räumen entfalten sich die elementaren Dramen, hier werden ethische und philosophische Grundfragen verhandelt und die gesellschaftlichen Probleme komprimiert. Und stets erweist sich Park als Verführer mittels der filmischen Form und Verdichtung, die mehr verbirgt als erklärt. Er lockt uns erst in eine Richtung, um den Weg direkt in den Abgrund zu führen oder eine unerwartete Kehrtwende einzulegen.

Die Filme von Park Chan-wook sind ab »Joint Security Area« nie linear erzählt. Bereits in seinen ersten Filmen seit dem schwarz-weißen Kurzfilm »Judgement« orientierte sich der Regisseur an Erzählmustern des amerikanischen Film noir der 1940er Jahre, doch statt lediglich den visuellen Stil zu kopieren, orientierte er sich vor allem an deren häufig vorkommender Rückblendenstruktur. Mittels der Vergangenheit wird die Gegenwart systematisch dekonstruiert. Es kommt Parks Perspektive hier offenbar zugute, dass er vor seiner Filmkarriere Philosophie studiert hat. Nichts ist, was es auf den ersten Blick scheint. Park etabliert parallele Erzählstränge, die sich horizontal ergänzen oder vertikal durchschneiden. Inspiriert durch den »Rashomon«-Effekt erscheint dieselbe Geschichte aus unterschiedlichen Perspektiven völlig anders. Parks Dramaturgien und Montagen fungieren als Prismen, die unterschiedliche Färbungen der Erzählung sichtbar machen.

Im Rahmen seiner Filme arbeitet Park mit Hierarchien, verdeutlicht Machtverhältnisse und schafft in der Schilderung unerwarteter Aufstiege und Abstiege meist eine drastische Fallhöhe. Buchstäblich von einem Moment zum anderen kann ein bürgerlich-privilegiertes Leben vor den Augen der Protagonisten zerfallen: Dae-woo in »Oldboy« verliert unvermittelt seine Freiheit und wird fünfzehn Jahre lang in einem schäbigen Apartment gefangen gehalten. Sein Tor zur Welt bleibt ein ständig laufendes Fernsehgerät. Als er ebenso plötzlich freikommt (er findet sich auf einem Hochhausdach wieder), sinnt er auf Rache – doch die Grenzen zwischen Täter und Opfer werden immer wieder infrage gestellt. Obwohl der Täter uns bald vorgestellt wird, dauert es bis zum Ende des Films, bis alle Verflechtungen und Abgründe durchschaubar werden. Begehren, Inzest und das immer wieder angedeutete »Recht auf Rache« treiben die Geschichte von »Oldboy« in unerwartete Gefilde.

Die Fragmentierung der Erzählperspektive baut wiederholt auf Ellipsen, also Lücken im Narrativ, und auf meist zu späte Erklärungen, die vorherige Einschätzungen infrage stellen. Parks Filme bieten ein Spiel mit den an internationalen Filmkonventionen trainierten Erwartungen. Sie bauen auf eine zyklische Variation bekannter Situationen, die letztlich einen neuen und frischen Blick auf vermeintlich Vertrautes ermöglichen. Dieser Umstand könnte die weltweite Resonanz der Rachetrilogie erklären, die in »Oldboy« ihren populären Höhepunkt feierte. Wie bereits in »Joint Security Area« kann man die Figurenkonstellation und die Topographie der folgenden Filme als eine Versuchsanordnung betrachten. Wir schauen immer wieder von oben (in den wiederkehrenden Topshots) auf dieses Arrangement, was aber selten eine privilegierte Sicht mit sich bringt. Erst die Summe der Teile verleiht dem Puzzle einen Sinn. Dass Park hier durchaus mit mathematischer Präzision und Kalkulation vorgeht, kann man als Schwäche betrachten. Seine Planspiele erinnern an die ebenso durchkalkulierten Klassiker Alfred Hitchcocks, und es verwundert kaum, das Park in Interviews immer wieder dessen »Vertigo – Aus dem Reich der Toten« (1958) als Vorbild zitiert. »Die Frau im Nebel« wurde 2022 seine verschlüsselte Hommage an Vertigo.

Obwohl Parks Filme am ehesten mit den Kriminalfilmgenres verbunden sind (Detektiv-, Polizei- und Gangsterfilm, Psychothriller), widmete er sich auch anderen Modellen. »In Cut«, »Durst« (2009) und »Stoker« überschritt er die Grenze zum Horrorfilm, »I'm a Cyborg« kann als Science-Fiction-Komödie gesehen werden, und »Die Taschendiebin« erscheint oberflächlich betrachtet als historisches Melodram.

In allen Fällen vermischt Park Elemente und Themen unterschiedlicher Genres, was seine Filme zu Genrehybriden macht. Entweder überführt er das Melodram langsam in einen Thriller (»Die Taschendiebin«), verwischt die Grenzen von Realismus und Alptraum (Cut)oder lässt den gothic horror immer wieder in eine Selbstparodie kippen (»Durst«). 

Vor allem aber arbeitet er mit Variationen der Genremodi: Die audiovisuellen Genremotive müssen dem Modus der Genreerzählung nicht unbedingt entsprechen. »Die Frau im Nebel« ist vom Plot her ein Thriller, vom Modus jedoch ein Melodram. Und innerhalb der Filme kann der Modus wechseln: So arbeitet Park in »Durst« oder »I'm a Cyborg« immer wieder mit komödiantischen Momenten, doch man würde die Filme kaum durchweg als Komödien lesen. Auch funktionieren sie nicht als reine Parodien auf Horrorfilm bzw. ­Science-Fiction. Camp und Humor im Umgang mit Genremodi sind vielmehr Parks Mittel, erstarrte Strukturen zu überwinden und mit moralischen Dilemmata aufzuwerten. Die narrative Form des Stationendramas (in »Oldboy«, »Die Taschendiebin« oder »Die Frau im Nebel«) ermöglicht in diesem Zusammenhang eine ständige Hinterfragung moralischer Aspekte. Die Topographie der Filme wird zur Basis dieser Versuchsanordnungen: Räume, Zeitebenen und Perspektiven werden in einer irritierenden Relation gehalten. Der Ortsbesuch einer alten Schule in »Oldboy« konfrontiert Gegenwart und Vergangenheit in verstörender und doch aufschlussreicher Weise und steigert die Erinnerung des Protagonisten bis in einen Paranoiathriller hinein.

Die Hybridisierung von Genremotiven und -modi in Parks Filmen wirkt als seduktives Lockmittel für ein großes weltweites Publikum, um scheinbar Vertrautes originell und fremdartig erscheinen zu lassen. Indem er uns aus dem Bekannten ins Uneindeutige führt, öffnet er die Strukturen der Genres für existenzielle Selbst- und Seinshinterfragungen. Er bleibt nie bei dem ausgelegten Pfad, sondern führt uns vom Weg ab ins Dickicht subjektiver Erfahrungen. Auf diese Weise verwischt er die Grenzen moralischer Orientierung in der filmischen Form und geht einen entscheidenden Schritt weiter als etwa Hitchcock oder später Brian De Palma.

Lange galten die Motive Gewalt und Rache als Schlüssel zum Verständnis der Film Parks Chan-wooks. Ungeachtet der Thrillerelemente seiner ersten Filme geht diese Einschätzung auf seinen vierten Film »Sympathy for Mr. Vengeance« (2002) zurück, der eine sehr erfolgreiche Trilogie entfesselte, die in »Oldboy« kulminierte und später in dem Kurzfilm »Cut« und dem Metafilm »Lady Vengeance« selbstreflexiv wurde. In »Sympathy for Mr. Vengeance« folgen wir auf verschachtelte Weise den Wegen zweier gleichberechtigter Antagonisten. Je nachdem, welche Perspektive wir präsentiert bekommen, erscheinen uns die Protagonisten als Täter oder Opfer: der jüngere, taubstumme Ryu (Shin Ha-kyun) will seiner todkranken Schwester eine neue Niere besorgen und entführt daher die Tochter des vermeintlich reichen Geschäftsmanns Park (Song Kang-ho). Der will das Lösegeld zahlen, doch ertrinkt seine Tochter vor der Übergabe bei einem Unfall. Besessen von Rachedurst stellt er Ryu nach. Der Film wird so zum Ambivalenzerlebnis, in dem verlässliche Relationen immer wieder verschwimmen, auch der oft bemühte Klassenkonflikt. Reichtum und Armut, Überheblichkeit und Verzweiflung, Leben und Tod, Aufstieg und Fall stehen bei Park in einem unauflösbaren Verhältnis. Anders als in »Oldboy« ist Parks Inszenierung hier – von einigen farbigen Lichtakzenten abgesehen – weitgehend harsch-realistisch. Wut und Rachedurst werden wechselseitig zum Motor und Hauptthema des deutlich nihilistischen Films. 

Erst in »Oldboy« wählte Park den Weg der radikalen symbolischen Überhöhung und Stilisierung. Er steigert die zunächst kafkaesk anmutende Handlung des aus unbekannten Gründen für Jahre Entführten ins Absurde, um wiederum an einer Aufhebung der Polaritäten zu arbeiten. Nachdem er dieses Konzept weltweit zum Erfolg gebracht hatte, variierte er es in dem selbstreflexiven Metafilm »Cut«, der einen moralisch korrupten Filmregisseur als Täter und Opfer zugleich zeigt, und steigerte es anschließend erneut stilistisch, diesmal ins Surreale: »Lady Vengeance« dekonstruiert die Idee der Rache bis in die letzte Konsequenz, indem die Protagonistin eine finale Konfrontation zwischen Täter und Hinterbliebenen der Opfer ermöglicht, die die moralische Entscheidung an diese nach Rache dürstenden Figuren zurückgibt – und damit an uns als Publikum. Eine Erlösung oder Katharsis wird in Parks Versuchsanordnungen erhofft, aber nie erreicht. Lady Vengeance (Lee Yeong-ae als Geum-ja) ist Opfer und Täterin zugleich, auch wenn sie zunächst unschuldig in eine Kindesentführung verwickelt wird und ins Gefängnis kommt. Kleine Details verbinden die Filme der Trilogie: So erhält Geum-ja diesen Namen (»gutherzige Frau«) im Gefängnis, nachdem sie unter anderem einer kranken Häftlingsfrau eine Niere spendet. Und wieder geht es um Kindesentführungen, wenn auch aus anderen Beweggründen.

Park Chan-wook gehört zu einer Generation von internationalen Filmschaffenden, die Film als Form neu denken. »Style« wird in diesem Zusammenhang zu »Substance«. Wie sein dänischer Kollege Nicolas Winding Refn begann Park mit einem eher harschen Realismus und steigerte die stilistische Abstraktion seiner Filme kontinuierlich. Linearität bleibt dabei ebenso auf der Strecke wie feste Genrestrukturen: In seinen Filmen definiert Park die Welt neu, schafft klare Konzepte der Codierung auf der Ebene der Form und fordert vom Publikum, sich von der exponierten Psychologie und Narration konventioneller Filme zu lösen. In diesem Prozess wird der Stil, seine spezifische filmische Form, selbst zur Essenz.  

»I'm a Cyborg But That's Okay« ist ein Film der bunten Farben, deren Codes jeweils im Kontext neu definiert werden. Die surreale Verfremdung und Überhöhung der Realität einer Therapieklinik lässt die Übergänge zwischen objektiver Schilderung und subjektiver Erfahrung stets fließen. Kindliche Naivität kann unvermittelt in schockierende Brutalität umschlagen. Der Film nimmt die Welt aus Sicht einer jungen Frau ernst, die sich als Cyborg definiert und folglich das Essen verweigert. Ein Mitpatient kann sie nur zum Essen überreden, indem er sich auf ihre Fiktion einlässt und sie »technisch modifiziert«, so dass sie Essen in Energie umwandeln kann. Nicht unähnlich den Fantasmen von Tim Burton entwickelt Park aus diesem leuchtend bunten Verwirrspiel das Porträt einer der Gesellschaft entfremdeten Außenseiterin. In einer Schlüsselszene imaginiert die Protagonistin einen blutigen Amoklauf, in dem sie aus allen Fingern Projektile auf ihre Pfleger verschießt. Dieser Exzess gipfelt in einer leicht aufsichtigen Totalen, die nicht nur die bizarre Topographie des Ortes deutlich macht, sondern auch ein morbides Planspiel des Terrors entfaltet, in dem die Patienten stoisch ihren Tätigkeiten nachgehen, während das Pflegepersonal in Panik flüchtet. Auch dieses bunte Wunderland kann jederzeit zum Alptraum werden.

»Die Taschendiebin« (2016). © Koch Films

»Die Taschendiebin« (2016) ist Parks audiovisuelles Meisterstück. Das mag damit zusammenhängen, dass er die koreanische Vergangenheit komplett filmisch rekonstruieren musste, was seiner Formfindung eine enorme Freiheit verlieh. So arbeitet er hier mit Topshots, Symmetrien und Brüchen, mit delikaten Texturen und Montageformen wie Matchcuts und Crosscutting als Mittel der Verwirrung. Nicht nur die Zeiten durchdringen sich, auch die Perspektiven sorgen für Wiederholungen derselben Ereignisse mit kleinen Varianten. Wie in seinen anderen Filmen sind auch hier die Schauplätze eng verbunden mit den Charakteren, doch statt um Aggression und Gewalt geht es um sexuelles Begehren als Motor der Handlung.

Wie zuvor bekommen wir zwei gleichberechtigte Protagonistinnen, deren Geschichten verwoben, doch in der Dreiteilung des Films völlig unterschiedlich vermittelt werden. Im japanisch besetzten Korea der 1930er Jahre wird die unerfahrene Taschendiebin Sook-hee (Kim Tae-ri) in das wohlhabende Haus der reichen Hideko (Kim Min-hee) als Dienstmädchen vermittelt, um diese in einer Intrige für unzurechnungsfähig erklären zu lassen und um ihr Vermögen zu bringen. Der Plan scheint zu gelingen, doch im zweiten Teil erleben wir das Geschehen aus Hidekos Sicht neu und völlig anders. Nicht nur wird nun deutlich, wie Hideko unter der patriarchalen Willkür des männlich dominierten Haushaltes leidet, sie fühlt sich zudem erotisch zu Sook-hee hingezogen. Erst der dritte Teil des Films führt die Andeutungen und Details zusammen. Das Bild der Frauen verdichtet sich zu einem lange geplanten Befreiungsschlag. Diese stufenweise Annäherung an das wahre Begehren der beiden unterschiedlichen Frauen gibt Park die Chance, das Publikum in seinem Sinne zu führen. Aus einem Verschwörungsthriller wird ein erotisches Melodram, aus dem Ausstattungsdrama ein sorgsam kalkuliertes Spiel der filmischen Formen. Leicht zu übersehende Details wie die Handschuhe der Frauen werden zu Codes, die oft erst in der zweiten Sichtung des Films als Hinweis auf deren verborgene Kommunikation verständlich sind.

»Die Frau im Nebel« führt diese Strategien nun auch in die Gegenwart, behandelt Begehren, Entfremdung und Mord, ohne die komplexe Form der früheren Filme aufzugeben. Man mag Park Chan-wooks Filme für ihre akribische Mechanik der Täuschung und Verführung beargwöhnen, doch sie bleiben der Beweis für die Macht der filmischen Inszenierung, uns mit fremden Welten vertraut zu machen, deren Abgründe mitunter hinter einer liebevoll verzierten Oberfläche verborgen liegen. Parks enigmatisches Filmuniversum strebt danach, über diese Form existenzielle und moralische Fragen zu vermitteln. Auch wenn wir die filmischen Rätsel lösen können – diese Fragen bleiben zurück und werden uns lange nach dem Filmerlebnis beschäftigen. 

Meinung zum Thema

Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns

Mit dieser Frage versuchen wir sicherzustellen, dass kein Computer dieses Formular abschickt