Nahaufnahme von Kerry Condon
Kerry Condon in »F1« (2025). © Warner Bros. Pictures
Die Karriere von Kerry Condon verlief bisher eher unaufgeregt: Serienrollen, ein eindrucksvoller Part in »The Banshees of Inisherin«, die Stimme von Tony Starks KI F.R.I.D.A.Y. in den Avengers-Filmen.Jetzt steuert die Irin Brad Pitt durch die Autorennen im Blockbuster »F1«
Das Prinzip des Glow-up ist nicht zuletzt in den sozialen Netzwerken seit Längerem eine feste Größe. Man nehme ein älteres Foto und kontrastiere es mit einem neueren, auf dem man besonders gut auszusehen meint, schon ergibt sich das »Erglühen« im Auge der Betrachter*innen ganz von selbst. Für Hollywood sind Glow-ups allerdings ein alter Hut: Kaum eine Schauspielerin und kaum ein Schauspieler macht – in der Anpassung an gängige Schönheitsideale, bei höheren Budgets, mit besserer Ausleuchtung und der Hilfe von Stylist*innen – nach dem großen Durchbruch keine äußerliche Veränderung durch. Sei es auf oder jenseits der Leinwand.
In »F1«, dem mit Spannung erwarteten Autorennsport-Actionfilm von Regisseur Joseph Kosinski, kann man nun nicht nur Shootingstar Damson Idris in seiner ersten großen Hauptrolle erleben, sondern auch den Glow-up von Kerry Condon verfolgen. Zwar wurde die angeblich mehrere Hundert Millionen Dollar teure Produktion der Presse nicht rechtzeitig vor Redaktionsschluss gezeigt. Doch dem Trailer und ersten Fotos nach zu urteilen, hat die irische Schauspielerin in ihrer Rolle als Strategieingenieurin eines Formel-1-Rennstalls auch optisch rein gar nichts mehr zu tun mit der frustriert-bodenständigen Siobhán – der Rolle, mit der Condon in »The Banshees of Inisherin« berühmt wurde und für die sie eine Oscarnominierung erhielt.
Doch blondierte Locken hin, wildes Knutschen mit Brad Pitt her – es ist natürlich das Aufblühen einer über lange Zeit eher zaghaft knospenden Karriere, das »F1« für Condon zu einem sehr besonderen Film macht. Schließlich sah es für die 42-Jährige, die im County Tipperary geboren wurde und bereits als Jugendliche eine Nebenrolle in Alan Parkers Bestseller-Adaption »Die Asche meiner Mutter« hatte, die längsten Berufsjahre eher nicht danach aus, als würde sie eines Tages die weibliche Hauptrolle in einem großen Hollywoodfilm spielen.
Dass Condon heute dort angekommen ist, wo sie steht, verdankt sie natürlich auch Martin McDonagh. Der gab ihr in »The Banshees of Inisherin« die einzigartige Gelegenheit, zwischen Colin Farrell und seinem Esel so eindrücklich mit der und gegen die Sprödheit ihrer Figur anzuspielen, dass sie in ihrem Freiheits- und Selbstständigkeitsdrang nicht nur Barry Keoghan, sondern auch dem Publikum das Herz brach.
Doch auch ihren ersten größeren Theaterauftritt hatte Condon, damals gerade 18 Jahre alt, schon in einem Stück von McDonagh. In der vom Nordirlandkonflikt erzählenden schwarzen Komödie »The Lieutenant of Inishmore« stand sie zunächst in Stratford-upon-Avon mit der Royal Shakespeare Company auf der Bühne (für die sie im Anschluss als jüngste Schauspielerin überhaupt die Ophelia in »Hamlet« spielte), später auch am Broadway. Ebenfalls in New York übernahm sie 2009 eine tragende Rolle in einer Neuinszenierung von McDonaghs »The Cripple of Inishmaan«, wofür sie unter anderem mit einem Lucille Lortel Award ausgezeichnet wurde.
Jenseits des Theaters fasste Condon, die ihr Schauspielstudium in Dublin absolvierte, früh im boomenden Serienbetrieb Fuß. Von der viel beachteten Historienserie »Rom« bis zur unter keinem glücklichen Stern stehenden Pferderenn-Serie »Luck« von Michael Mann und David Milch (in der sie, die ihre halbe Jugend auf dem Rücken von Pferden verbracht hatte, einen Jockey spielte), von regelmäßigen Auftritten als Ehrmantraut-Schwiegertochter in »Better Call Saul« bis hin zu wiederkehrenden Rollen in »The Walking Dead« oder der letzten Staffel von »Ray Donovan« – über lange Phasen der Arbeitslosigkeit musste sie sich nie beschweren. Nur dass eben nie dieser eine Job dabei war, der Condon aus der zweiten oder vermutlich doch eher dritten Reihe ganz nach vorn gebracht hätte.
Auch auf der großen Leinwand blieb ihr Starpotenzial lange unerkannt, während sie – etwa in »Ein russischer Sommer« mit Helen Mirren, in Paolo Sorrentinos »Cheyenne – This Must Be the Place« mit Sean Penn oder in »Dom Hemingway« mit Jude Law – den prominenten Co-Stars die Bälle zuspielte. Ihr Entdecker McDonagh hielt ihr immerhin auch im Kino die Treue: Schon in »Three Billboards Outside Ebbing, Missouri« war sie mit einem kleinen Auftritt als Sekretärin mit von der Partie. Echte Blockbuster-Luft konnte Condon bloß unsichtbar im Hintergrund schnuppern. Mit »Avengers: Age of Ultron« betrat sie das Marvel-Universum, als Stimme der KI F.R.I.D.A.Y. im Inneren von Iron Mans Anzug. In der gleichen Rolle war sie anschließend auch in vier weiteren Filmen zu hören, bis einschließlich »Avengers: Endgame«.
Wie leidenschaftlich Condon nun bereit ist, den neuen Ruhm zu umarmen, der die Oscarnominierung als beste Nebendarstellerin ihr eingebracht hat, bleibt abzuwarten. Die ersten beiden Rollen nach dem Banshees-Durchbruch lassen sich als ein eher zaghaftes Vortasten in den Mainstream lesen (der unterschätzte Actionthriller »In the Land of Saints and Sinners« mit Liam Neeson, in dem sie eine IRA-Terroristin spielt, war bereits abgedreht, als McDonaghs Film Premiere feierte). Der Mystery-Familiengruselthriller »Night Swim«, dem auch sie weder Charme noch Spannung verleihen konnte, war eine typische kostengünstig entstandene Produktion aus dem Hause Blumhouse. Und in der »Star Wars«-Serie »Skeleton Crew« spielte sie in einer weiteren Mutterrolle neben ihren jungen Co-Stars gern die zweite Geige.
Der Verlockung, endlich einmal für einen Film der Größenordnung von »F1« vor der Kamera zu stehen, konnte die Irin allerdings nicht widerstehen, wie sie jüngst einem US-Magazin verriet: »Die Kombination aus Jerry Bruckheimer, Brad Pitt und Regisseur Joseph Kosinski machte für mich den Reiz aus. Außerdem hatte ich einfach noch nie wirklich einen Blockbuster gedreht.« Dass ihre Rolle lose von der nordirischen Formel-1-Ingenieurin Bernadette Collins inspiriert ist, mit der sie zur Vorbereitung auf den Film eng kollaborierte (»was nicht heißt, dass ich bis heute komplett verstanden hätte, wie dieser Job funktioniert«), tat ein Übriges.
»Wenn es erst einmal gut läuft, dann ist es leicht, diese Welle zu reiten und sich von seiner besten Seite zu zeigen«, gab sie in besagtem Interview zu Protokoll. »Entscheidend ist es, wie man sich schlägt, wenn man mal nicht auf der Gewinnerstraße unterwegs ist. Da zeigt sich, wer wirklich das Zeug zu Großem hat.« Dass sie selbst sich diesbezüglich längst und mit Beharrlichkeit bewiesen hat, steht außer Frage. Doch man darf davon ausgehen, dass sie nun auch auf der Siegerseite noch ein wenig länger ausharren wird. Der nächste Film, mit einer Rückkehr ins europäische Kino, ist jedenfalls längst abgedreht: Im britischen Historiendrama »Pressure« spielt Condon an der Seite von Andrew Scott und Brendan Fraser die Chauffeurin von Eisenhower während des Zweiten Weltkriegs.
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