Kritik zu Bigger Than Us

© Plaion Pictures

Seine Leute finden: Dokumentaristin Flore Vasseur unternimmt eine episodische Reise zu AktivistInnen rund um den Erdball, die dazu anregen soll, auch selbst die Initiative zu ergreifen

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Djakarta versinkt im Wasser, trotz dicker Mauern sickert das Meer in die Stadt hinein. Im Jahr 2050 sollen 95 Prozent des nördlichen Teils unter dem Wasserspiegel liegen, sagt Melati Wijsen, während sie über eine dieser Mauern balanciert. Melati wurde weltweit bekannt, seit sie 2013 als Zwölfjährige gemeinsam mit ihrer Schwester Isabel in ihrer Heimat auf Bali die Initiative »Bye Bye Plastic Bags« gründete. 2019 wurden solche Einwegartikel auf der Insel dann tatsächlich abgeschafft. 

Aus dem kämpferischen Mädchen wurde seither eine nachdenkliche junge Frau, die längst begriffen hat, dass das Problem mit den Plastiktüten nur der Anfang war. Auch deshalb macht sie sich in diesem Film in Komplizenschaft mit der französischen Regisseurin Flore Vasseur auf den Weg, um andere junge ­AktivistInnen zu treffen, die anderswo auf dem Erdball für Veränderung zum Guten kämpfen. Dabei sind die Objekte des Engagements sehr unterschiedlich, ähnlich sind aber angestaute Wut und Energie. 

Mohamad hat in einem Lager in Libanon eine Schule für syrische Flüchtlinge gegründet und aufgebaut. Memory rief in Malawi eine Bewegung gegen sexistische Initiationsriten und Zwangsverheiratung ins Leben und erreichte damit die Erhöhung des Mindestheiratsalters in der Verfassung auf achtzehn Jahre. Xiuhtezcatl hat schon als Kind gegen das Fracking in seiner Heimat in Colorado protestiert und schöpft seine Energien aus der Musik und der wiederbelebten indigenen Kultur. Rene hat in den Favelas von Rio für die BewohnerInnen die Graswurzel-Zeitung »Voz de Comunidade« gegründet und berichtet mittlerweile auch über andere Kanäle online über Alltag, Polizeigewalt und Rassismus. Und Winnie hat in Uganda eine Organisation gegründet, die die vielen Flüchtlinge dort bei einer ökologischen subsistenzerhaltenden Landwirtschaft unterstützt und damit vor allem Frauen ein selbständiges Leben ermöglicht.

Und dann ist da noch die Britin Mary, die auf Lesbos mit einem Motorboot in der Flüchtlingsrettung aktiv ist und im Film als erster Anlaufpunkt Melatis im Dialog den Bezug zwischen den einzelnen Episoden herstellt. 

Es liegt in der Natur dieser episodischen Struktur, dass die einzelnen Stationen mehr illustrierend angetriggert als komplex entwickelt werden. Das ist besonders bei den beiden charismatischen afrikanischen Frauen und ihren Projekten schade, weil jedes für sich genug Stoff für einen langen Dokumentarfilm böte. Dennoch, und auch wenn ein bisschen viel stimmungssteigerndes Gegenlicht eingesetzt wird: Der Idee von Regisseurin Vasseur und Ko-Produzentin Marion Cotillard, mit diesem Film über den Aktivismus junger Menschen ein selbst zum Aktivismus motivierendes Fanal zu setzen, ist Erfolg zu wünschen. 

»It's like finding your tribe«, sagt Mary über das Gemeinschaftsgefühl als ein Hauptmovens für ihr Tun. Memory spricht von dem Glück, mit einem »bigger you« über sich hinauszuwachsen und sich lebendig zu fühlen. Zumindest eine Ahnung von diesen Hochgefühlen kann der Film auch den Zuschauenden vermitteln. PS: Ortsbezeichnungen wie »Brasilien« oder »Uganda« in den Bauchbinden sind für ein weltgewandtes europäisches Publikum definitiv zu dürftig.

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