Kritik zu Bulldog

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In seinem Kinodebüt erzählt André Szardenings von einer symbiotischen wie ­dysfunktionalen Mutter-Sohn-Beziehung – in betörenden Bildern

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Es sind unbeschwerte Momente voll alberner Ausgelassenheit, wenn Bruno und Toni in der menschenleeren Ferienanlage zwischen riesigen Wasserrutschen Verstecken spielen, sich necken und foppen, bevor sie ihrem Job als Reinigungskräfte in den zahllosen Bungalows nachgehen. Selbst dort, zwischen Lakenglattstreichen und Duschabtrennungpolieren, lassen die Albernheiten samt Wasserschlacht nicht nach. Es sind intime, manchmal zu intime Momente. Denn Bruno und Toni sind kein Liebespaar, sondern Sohn und Mutter. Seit zwölf Jahren leben sie schon auf Ibiza, gehen verschiedenen Arbeiten nach, meist in prekären Verhältnissen. Von Dauer ist da nur wenig, mit Ausnahme der Bindung der beiden, die nur sich zu haben scheinen – bis Hannah auftaucht, die Brunos Platz einzunehmen droht. Regisseur André Szardenings erzählt in seinem Kinodebüt »Bulldog« von einer symbiotischen wie dysfunktionalen Mutter-Sohn-Beziehung, verstörend schön und befremdlich, voll verletzlicher Zartheit und unbändiger Stärke. 

Gerade einmal 15 Jahre älter ist Toni (Lana Cooper) als ihr mittlerweile 21-jähriger Sohn (Julius Nitschkoff). Mal erdrückt sie ihn mit ihrer Liebe, mal ist sie in ihrer Verantwortungslosigkeit auf ihn angewiesen. Sie ist es, die Portemonnaies klaut, unentschuldigt nicht zur Arbeit erscheint. Bruno ist der Kümmerer, der aufräumt, Extraschichten schiebt, immer wieder versucht, die Mutter aus der Affäre zu ziehen, bis zur Selbstaufgabe. Dann taucht Hannah (Karin Hanczewski) auf, mit der Toni eine Liebesbeziehung eingeht und die Bruno nicht nur von seinem angestammten Platz im Bett verdrängt. Verletzt und enttäuscht kämpft Bruno um sein Revier. Einmal bepinkelt er sogar Hannahs Auto. Es ist eines der wenigen allzu deutlichen Bilder in dem sonst zurückhaltend erzählten Film, mit dem Szardenings etwas zu plastisch auf seinen Titel anspielt. Doch Bruno hat trotz seiner durchaus muskulös-kräftigen Statur nichts von einem Kampfhund, in seiner Sensibilität, Verletzlichkeit und seinem Verantwortungsgefühl schon gar nicht.

Bilder wie diese bleiben die Ausnahme in diesem sensiblen und klug erzählten wie inszenierten Drama. Szardenings, der nicht nur Regie führte, sondern auch das Buch schrieb und die Kamera führte, gelingt es, eine Atmosphäre zu schaffen, die stets zwischen einer sommerlichen Leichtigkeit und der inneren Zerrissenheit Brunos changiert. Die Kamera folgt ihm, wie er meist angespannt, von der Zurückweisung und der verantwortungslosen Sorglosigkeit seiner Mutter getrieben durch die gespenstisch anmutende Ferienanlage eilt. Er fängt die frühlingshafte Sonne Ibizas ein, die mit ihren Strahlen die Szenerie in eine wohlige Stimmung taucht. Er evoziert eine Rastlosigkeit, die sich nicht nur im Lebenswandel von Toni und Bruno widerspiegelt, sondern auch in Brunos Aufbruchstimmung, die er nach und nach voller Schmerz realisiert. Es ist auch dem großartigen Spiel von Nitschkoff, Cooper und Hanczewski zu verdanken, dass diese ungewöhnliche Mutter-Sohn-Geschichte so lange nachhallt.

Meinung zum Thema

Kommentare

So eine miese, perverse Mutter, und so ein perfekter, beneidenswerter Sohn! Unglaubwürdig: eine absolut verantwortungslose, infantile, blöde Frau hätte ein Kind nicht so gut erziehen können.

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