Nahaufnahme von Louis Hofmann

Explosiv, nicht exaltiert
Louis Hofmann im aktuellen Film »Frisch« (2024). © Port au Prince

Louis Hofmann im aktuellen Film »Frisch« (2024). © Port au Prince

Er ist der Typ aus »Dark«, der mit der gelben Regenjacke... Die Karriere von Louis Hofmann ist mit dem Serienboom der zehner Jahre verknüpft. Aber er trägt auch ganz unterschiedliche Kinorollen: vom Fürsorge­zögling in »Freistatt« über den tolldreisten Passfälscher bis zum zupackenden Malocher, jetzt in »Frisch« 

Der verstorbene Regisseur Wolfgang Becker hat einmal, anlässlich seines Films »Das Leben ist eine Baustelle«, gesagt, dass in Deutschland kaum etwas so schwierig sei, wie Schauspieler zu finden, die überzeugend arbeitende Menschen darstellen können, richtige Malocher eben. Nun, in »Frisch«, dem neuen Film von Damian John Harper, der letztes Jahr auf dem Filmfest München seine Premiere hatte und für den Hessischen Filmpreis nominiert war, kann man sich überzeugen, dass es doch funktionieren kann. Da spielt Louis Hofmann den Arbeiter Kai, der in einer Fleischfabrik mit spitzen Messern Schweinehälften zerteilt. Harper will sicherlich keinen Ken-Loach-Naturalismus, aber dem Schauspieler Louis Hofmann gelingt es erstaunlich gut, die Arbeit so rüberzubringen, als hätte er nie was anderes gemacht. Wobei auch ein leichter Ruhrpott­akzent hilft.

»Die Mitte der Welt« (2016). © Universum Film

Für Louis Hofmann, der mit gerade mal 28 Jahren schon in rund 40 Filmen mitgewirkt hat, in kleinen wie großen Rollen, ist dieser Film durchaus Neuland. Waren die meisten seiner Figuren eher verträumt wirkende und nach innen gekehrte junge Männer, die mitunter nicht so recht wussten, wohin in ihrem Leben und mit ihren Gefühlen, etwa in »Prélude« (2019) oder »Die Mitte der Welt« (2016), so hat dieser Kai etwas Zupackendes, ja auch Kraftvolles. Und »Frisch« ist auch auf einer anderen Ebene Neuland für Hofmann – ein Gangsterfilm, eine Kain-und-Abel-­Geschichte, in der man schnell merkt: Irgendwann wird dieser Kai explodieren, muss er explodieren.

Übertriebenes, exaltiertes Schauspiel ist aber nicht die Sache von Louis Hofmann, der in einem Interview einmal Eddie Redmayne, Leonardo DiCaprio, Daniel Day Lewis, Philip Seymour Hoffman und Joaquin Phoenix als seine großen Vorbilder genannt hat. Hofmann schlägt auch nicht über die Stränge, wenn ein Film turbulent angelegt ist. »Der Passfälscher« (2022) von Maggie Peren zum Beispiel hätte die Gelegenheit dazu gegeben, denn er ist eigentlich ein Schelmenstück: die wahre Geschichte des Juden Cioma Schönhaus, der mit seinen blonden Haaren wie ein »Arier« wirkt und den Holocaust überlebt, als Meisterfälscher für Pässe und Lebensmittelkarten. Der Film betont ständig die Tolldreistigkeit Ciomas, einmal erscheinen er und sein Kumpel in der Uniform von Marineoffizieren in einem feinen Tanzlokal – ein Bravourstück in Sachen Mimikry. Und dennoch: Immer wieder zeigt dieser Cioma in Hofmanns Verkörperung bei aller Leichtigkeit, mit der er durch das Leben driftet, auch eine seltsame emotionale Leere, als wollte er etwa die Deportation seiner Eltern nicht wahrhaben – ein durchaus vielschichtiger Charakter. 

Hofmanns wichtigste Kinofilme bis heute dürften »Freistatt« und »Unter dem Sand« sein. Zwei Filme, in denen seine Figur Widerstand und Zähigkeit an den Tag legt. In »Freistatt« (2015) von Marc Brummund wird seine Figur Wolfgang von seinen Eltern in ein sogenanntes Fürsorgeheim für sogenannte schwer erziehbare junge Männer abgeschoben. Es ist das Jahr 1968, aber eine gesellschaftliche Veränderung ist, zumindest in der Provinz, noch nicht in Sicht. Im Heim regiert die Gewalt, aber Wolfgang will sich in das Machtgefüge nicht einpassen. Und revoltiert. 

In der dänischen Produktion »Unter dem Sand« von Martin Zandvliet, ebenfalls aus dem Jahr 2015, muss er als deutscher Kriegsgefangener nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs mit einer Gruppe die Minen wegräumen, die die Nazis im Strand vergraben haben. Und sich mit dem dänischen Offizier auseinandersetzen, der sich von einem Schleifer zu einer Art Ersatzvater entwickelt. »Unter dem Sand« war für den Auslandsoscar nominiert, für seine Rolle in »Freistatt« hat Hofmann den Bayerischen Filmpreis als bester Nachwuchsschauspieler erhalten. Danach wusste er, hat er einmal gesagt, dass er Schauspieler werden wollte.

»Freistatt« (2015). © Salzgeber

Oder bleiben. Denn der 1997 in Bergisch-Gladbach geborene Louis Hofmann hatte da schon einiges hinter sich, kleine Rollen in Fernsehserien wie »Danni Lowinski« (2010), große Rollen als Lausbub Tom Sawyer in zwei Filmen von Hermine Huntgeburth: »Tom Sawyer« (2011) und »Die Abenteuer des Huck Finn« (2012). Eine Schauspielschule hat er nie besucht (aber Sprechunterricht genommen), und vielleicht liegt darin auch sein Geheimnis, ohne Mätzchen auszukommen. Er ist kein Schauspieler, der sein Inneres nach außen kehrt, aber einer, der die Zuschauer immer wieder ins Innere seiner Figur blicken lässt.

Seine Karriere ist mit dem Serienhype der zehner Jahre eng verknüpft, manche Zeitschriften titulieren ihn auch gern als Serienstar. Was natürlich nur die halbe Wahrheit ist oder vielleicht sogar nur ein Viertel. In der Netflix-Mystery-Serie »Dark« (ab 2017) jedenfalls ist seine Figur des Jonas das Zentrum in einem ausufernden Geflecht aus Personen, Handlungs- und Zeitebenen, ein eher beobachtender junger Mann, traumatisiert durch den Tod seines Vaters, und, zumindest in der ersten Staffel, wiederzuerkennen an der gelben Regenjacke. Fürs deutsche Qualitätsseriensegment war Dark ein Meilenstein, professionell in Szene gesetzt, mit Mut zum erzählerischen Risiko, und eine der beliebtesten Serien im Netflix-Universum. Hofmann war in allen drei Staffeln dabei. Mitgespielt hat er auch in der Amazon-Serie »You Are Wanted« (2017) von und mit Matthias Schweighöfer, die rasant erzählte Geschichte eines Mannes auf der Flucht. Da gibt er den jungen Berliner Hacker Dalton, der der Hauptfigur, selbst Opfer eines Hackerangriffs, hilft. 

In den letzten Jahren hat sich Hofmann, der etwa auch in »Nurejew – The White Crow« (2018) von Ralph Fiennes oder dem Actioner »Red Sparrow« (2018) mitwirkte, auch serienmäßig international orientiert, manchmal nur in kleinen Auftritten, etwa in »Life After Life« (2022), »Masters of the Air« (2024) und in der in Schwarz-Weiß in Szene gesetzten Highsmith-Verfilmung »Ripley« (2024) für Netflix. Für dieses Streamingportal realisiert er auch sein nächstes Projekt, das unter der Regie von Markus Goller von der Hilfsorganisation »Jugend rettet« erzählt. 

Ähnlich wie in »Frisch« spielt Hofmann in seiner letzten großen Serienhauptrolle einen jungen Mann, der etwas ungeahnt Gewalttätiges in sich trägt. In den vier Episoden der britischen Netflix-Miniserie »Alles Licht, das wir nicht sehen« (2023), nach dem Roman von Anthony Doerr inszeniert von Shawn Levy, gibt er den Soldaten Werner Pfennig, der im (noch) von der Naziwehrmacht besetzten Saint-Malo im August 1944 Sendern hinterherspüren soll, die den alliierten Bombern die Positionen der deutschen Stellungen verraten. Werner, seit seiner Kindheit ein Technikfreak, hat ein Geheimnis: Er hört die tägliche Sendung einer Französin, was nach dem Nazirecht mit dem Tode bestraft werden kann. Dieser Werner ist sichtlich kein Nazi, ein eher ruhiger, sensibler und in sich gekehrter Typ, aber als er einen Mitarbeiter zugeordnet bekommt und sein Geheimnis preisgeben muss – erschießt er den anderen kurzerhand nach einem Handgemenge. Die Serie kann sich nicht entscheiden zwischen Märchen und Kriegsdrama und viele Figuren sind als Karikaturen angelegt. Aber Louis Hofmann ist das Sichten allemal ­wert.

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