Kritik zu Barrikade

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2020
Original-Titel: 
Barrikade
Filmstart in Deutschland: 
02.02.2023
L: 
83 Min
FSK: 
6

Um eine Rodung für eine Autobahn zu verhindern, besetzten Aktivisten im Oktober 2019 den Dannenröder Forst in Hessen. David Klammer war mit der Kamera dabei. Sein Film zeigt auch, wie so ein Camp funktioniert

Bewertung: 4
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»Sind wir die Bösen?« steht groß auf einem Transparent im Dannenröder Forst, der von den Aktivisten zärtlich Danni genannt wird, und das ist im Prinzip schon die moralische Kernfrage. Doch leider geht es nicht um Moral, nicht einmal um Fragen des Klimawandels, sondern um eine rechtlich bindende Entscheidung, dass durch diesen Wald eine Autobahn gebaut werden soll. Frei nach dem Grundsatz, wo Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht, haben sich ganz unterschiedliche Menschen im Wald eingefunden. Ein Camp von Aktivisten ist entstanden, in einer sommerlichen Waldidylle, mit Baumhäusern, Tripods und Barrikaden, das bis in den Winter hinein Bestand haben wird. Es gibt klare Regeln im Camp, was essen, trinken und rauchen betrifft, und so entsteht eine neue, alternative Gesellschaftsform, der sich dieser Film widmet.

»Ziviler Ungehorsam ist keine Straftat«, sagt einer der Aktivisten, »ziviler Ungehorsam ist wichtig für eine Demokratie.« Und wenn kritisches Nachdenken zu Widerstand führt, heißt das nicht, dass ein System als Ganzes in Frage gestellt wird. Es sind keine Verrückten, die hier protestieren, auch keine naiven Kinder, die im Wald spielen, sondern junge Menschen und ältere über 60, die zeigen, dass nicht immer alles, was die Politik entscheidet, widerstandslos hingenommen wird. Man kümmert sich, so gut es jeder kann, um den Wald, versucht keinen Schaden zu verursachen, und dazu gehört auch, den Müll zu entsorgen, der in unserer Zivilisation zwangsläufig anfällt. 

Aber nicht alle lieben den Wald. Passanten äußern sich auch deutlich für einen Autobahnbau, doch die Mehrheit will am Ende keine Rodung. Es herrscht Zweifel, ob die Menschheit den Raubbau an dem Planeten überleben wird. Aber so groß die Unterstützung auch ist, das Ergebnis ist erschütternd.

Die Polizei verhält sich deeskalierend, umsichtig und in der Sache sympathisierend und steht doch martialisch bewaffnet einer friedlichen Gruppe gegenüber. Da bleibt Gewalt, in welcher Form auch immer, nicht aus. Denn ihre Aufgabe ist unumstürzlich, den Wald zu räumen. Recht und Unrecht verschwimmen, Moral tritt in den Widerspruch zum Gesetz. Bäume fallen und werden zum unmittelbaren Symbol. So wie ein klassisches Streichquartett mit Geigen und Cello, das von den Polizeikräften aufgelöst und aus dem Wald geleitet wird. Die Dreharbeiten sind dabei äußerst erstaunlich. Die Kamera bleibt ganz nah bei den Aktivisten, filmt Polizeieinsätze ebenso wie fast poetische Waldbilder zu treibender Jazz-Musik oder Protestsongs. 

»Power to the people«, skandieren die Aktivisten und wissen genau, dass die Macht zwar vom Volk ausgeht, aber nicht vom Volk exekutiert wird. Sie geben trotzdem nicht auf. Und dass sich das lohnt, das zeigt dieser engagierte Film. Denn noch ist der Widerstand nicht vorbei und die Autobahn nicht gebaut.

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