Gerhard Midding

Gerhard Midding ist freier Autor für Tageszeitungen (Berliner Zeitung, Die Welt), Zeitschriften (epd Film, filmbulletin) sowie Radio-(rbb Kulturradio) und Fernsehsender (3sat). 

Filmkritiken von Gerhard Midding

In Cédric Klapischs neuem Film wird ein Familienerbe durch Kunst und Abstammung weitergereicht. Schaulustig changiert er zwischen der Gegenwart und der Belle Époque, die sich beide ihrer Modernität rühmen. Er stellt konservative Fragen – und findet spielerisch dynamische Antworten.
Juliane Sauter hat ihren Dokumentarfilm der Sopranistin Renata Scotto gewidmet, die nach den Dreharbeiten im Alter von 89 Jahren starb. Die Verehrung für die rüstige Dame überschattet freilich nie die Ausstrahlung ihrer jüngeren Kolleginnen Angel Blue und Valerie Eickhoff, die ihren Beruf im je eigenen Spannungsfeld zwischen Hingabe und Zweifel ausüben. Ein überraschend leiser Opernfilm.
Regisseur Niclas Bendrixen schickt ein dänisches Ehepaar auf eine sentimentale Reise nach Rom. Das Geschenk ihrer Tochter zum 40. Hochzeitstag erweist sich als zweideutige Gabe, denn die routinierte Zweisamkeit wird auf harte Proben gestellt. Ein Parcours hartnäckiger Klischees, den das Publikum dank der einnehmenden Hauptdarsteller glimpflich überstehen kann.
Der Film konzentriert sich auf eine heroische Anekdote, in der der Schriftsteller als Postflieger einen in den Anden verschollenen Freund retten will. Die verbürgte Episode wird märchenhaft ausgemalt, die naiven digitalen Effekte jedoch korrumpieren die Glaubhaftigkeit der Erzählung nachhaltig.
Robert Guédiguian versammelt seine vertraute Filmfamilie, um mit ihr seine bewährten Themen zu verhandeln: die armenischen Wurzeln, Solidarität, Engagement. Erstaunlich, dass dies noch immer ohne Schleifspuren der Routine gelingt!
Eindringlich, mit wachem Blick für Zeitkolorit und die soziale Atmosphäre der kalabrischen Provinz schildert das Regiegespann Daniela Porto/Cristiano Bortone den Kampf einer alleinerziehenden Mutter für Selbstbestimmung. In der empfindsamen Adaption von Portos Roman steht ganz Italien vor dem Aufbruch in eine freiere Zukunft, als bei der Wahl 1946 zum ersten Mal auch Frauen ihre Stimme abgeben können.
Die Regierung mag während der Hitzewelle davor warnen, ins Freie zu gehen. Aber der wahre Schrecken lauert hinter den Fassaden. Noémie Merlants zweite Regiearbeit ist ein halluzinierender Formwandler von einem Film, vermischt gewitzt die Genres, bricht rabiat mit Sehkonventionen und feiert, prächtig besetzt, die weibliche Selbstermächtigung. Nur: Wie bringt man einen Geist dazu, die Wahrheit zu gestehen?
Marta Savina erzählt eindringlich, wie sich im Sizilien der 1960er Jahre eine Bauerntochter gegen den archaischen Brauch der Brautentführung zur Wehr setzt. Claudia Gusmano verkörpert sie als empfindsame Streiterin, die mutig eigenen Zweifeln und den Vorurteilen einer patriarchalen Gesellschaft trotzt.
Aus der Sirene der Mythologie ist in Paolo Sorrentinos Hommage an des Lebens Überfluss eine Neapolitanerin geworden, die wegen ihrer Schönheit gerühmt wird und sich nebenher als schlagfertige Sinnsucherin erweist. Ein Film, der mitunter über seine Verhältnisse lebt.
Der einst gefeierte Architekt László Tóth (ein großartiger Adrien Brody) hat den Holocaust überlebt und will 1947 in den USA neu anfangen. Seine Hoffnung auf eine neuerliche Karriere verbindet sich schicksalhaft mit den Ambitionen eines Industriellen (ein undurchsichtiger Guy Pearce). Brady Corbet inszeniert den Konflikt zwischen Kunst und Kommerz als intimen Monumentalfilm. Großes, visionäres Kino, das mit stählernem Ehrgeiz und verblüffender Bildmacht prunkt.

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Diese Filme muss man gehört haben: »Sirât« und »In die Sonne schauen«, beide Cannes-Preisträger, verblüffen durch eine ­außergewöhnliche Tongestaltung. Gerhard Midding über die Künstler am Mischpult.
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1975 schrieb der Kritiker Kenneth Turan, er habe die Zukunft des Kinos gesehen – das war keine Übertreibung. Die Ankunft des Weißen Hais veränderte das Filmgeschäft unwiderruflich. Im Juni ist Steven Spielbergs erster Blockbuster 50 Jahre alt geworden, jetzt kommt er wieder ins Kino. Gerhard Midding über eine phänomenale Erfolgsgeschichte.