Interview: Michael C. Hall über »Dexter: Wiedererwachen«
»Dexter: Wiedererwachen« (Serie, 2025). © Showtime/Paramount+
Michael C. Hall. Der 1971 in Raleigh, North Carolina geborene Schauspieler feierte seine ersten großen Erfolge auf der Theaterbühne. Als ihn Sam Mendes 1999 in seiner Broadway-Produktion von »Cabaret« als Emcee besetzte, wurde die Film- und Fernsehbranche auf ihn aufmerksam. Zwei Rollen erwiesen sich als prägend für Halls Karrier: zuerst die von David in Alan Balls »Six Feet Under«, für die er Nominierungen und Preise erhielt, und dann die Titelfigur von »Dexter«, des Serienkillers, der andere Killer zur Rechenschaft zieht
Mr. Hall, es ist inzwischen fast 19 Jahre her, dass Sie erstmals den Serienmörder Dexter gespielt haben. Auf die acht Staffeln der Originalserie folgten zuletzt die Fortsetzung »New Blood« und das Prequel »Original Sin«, nun geht es mit »Dexter: Wiedererwachen« weiter. Wann wurde Ihnen klar, dass die Figur – wie Sie es neulich formulierten – Ihnen inzwischen in Fleisch und Blut übergegangen ist?
Michael C. Hall: Eigentlich wollte ich damit weniger sagen, dass Dexter Morgan mittlerweile ein Teil meiner Identität geworden sei. Es ging mir vielmehr darum, wie ungewöhnlich es ist, so viele Staffeln und Jahre mit ihm verbracht zu haben. Wir sind gemeinsam älter geworden. Wenn ich ihn nun erneut verkörpere, dann kommt, anders als bei anderen neuen Rollen, sehr stark meine Intuition ins Spiel. Manchmal mache ich quasi einen Schritt zur Seite, damit Dexter freie Bahn hat. Wenn man auf eine Sache so viel seiner Lebenszeit verwendet hat, ist es vermutlich unausweichlich, dass man doch ein wenig mit ihr verschmilzt.
Mindestens zwei Mal haben das Publikum und Sie sich bereits von Dexter verabschiedet, nun kehrt er wieder zurück. Was macht den dauerhaften Reiz dieser Figur aus?
Mein eigener Blick auf Dexter ist natürlich ein sehr subjektiver. Aber ich glaube, als Zuschauer nimmt er einen wirklich mit auf einen wilden Trip. Dass er in vieler Hinsicht einzigartig kompetent, aber gleichzeitig in anderen Bereichen bemerkenswert limitiert ist, ist eine faszinierende Mischung. Seine Widerstandsfähigkeit ist erstaunlich: Die Tatsache, dass er die Kugel am Ende von »Dexter: New Blood« doch überlebt hat, spricht da ja für sich. Dass er Bösewichte zur Rechenschaft zieht, ist ebenfalls ein entscheidender Faktor für die Beliebtheit der Figur, und so fiebert man mit, wenn er sich aus brenzligen Situationen befreien muss, in die er sich zwangsläufig selbst gebracht hat. Und dann ist da noch die Tatsache, dass er aus dem Off zum Publikum spricht und es somit quasi zu seinen Komplizen macht. Wann kommt man einem Serienhelden, zumal einem Killer, je so nahe?
Wie hat sich Ihr Verhältnis zu der Rolle denn über die Jahre verändert?
Natürlich macht man verschiedene Zyklen durch, wenn man jemanden über einen so langen Zeitraum spielt. Da durchläuft man allerlei Höhen und Tiefen. Es gab Phasen, in denen ich vor Eifer und Lebendigkeit sprühte, und andere, in denen ich eher erschöpft und uninspiriert war. Dexter und ich haben diese Aufs und Abs gemeinsam durchlebt, und ich habe dabei immer wieder neue Facetten an ihm entdeckt. Seine Rückkehr fühlte sich nun nach etwas ganz Neuem an, deswegen habe ich mich darauf eingelassen.
Worin bestand denn das Neue?
Er mag den Schuss am Ende der vorangegangenen Serie überlebt haben, aber die Kugel ist natürlich nicht spurlos an ihm vorübergegangen. Zum ersten Mal ist es ihm möglich, seine eigene Vergangenheit abzuschütteln, die er sonst immer – und sei es oft auch unbewusst – mit herumgeschleppt hat. Nicht dass er sie vergisst. Aber anders als zuletzt kasteit er sich deswegen nicht mehr selbst. Er blickt nach vorn und ist mehr bei sich selbst als seit langer Zeit. Statt des Todes hat ihn neuer Lebensmut ereilt.
Ein Unterschied zu früher ist auch, dass Sie inzwischen als Produzent an all den neuen Serien beteiligt sind. Wie groß ist dabei Ihr kreativer Einfluss?
Der ist schon nicht unerheblich, auch wenn ich natürlich kein Drehbuchautor bin und das auch nie sein wollte. Wenn es darum geht, Ideen und Handlungsstränge für eine neue Staffel zu entwerfen, bin ich allerdings in die Gespräche involviert und werde auch immer wieder ermutigt, mich eher mehr als weniger zu Wort zu melden. Dass ich intellektuell und emotional Dexters Persönlichkeit bis ins Detail kenne und diese Figur genauso lange begleite wie unser Showrunner Clyde Phillips, macht mich natürlich zum Experten. Aber mir geht es auf keinen Fall um irgendwelche Egotrips. Gemeinsam im Team diese Geschichte immer weiterzuentwickeln, ist viel befriedigender. »Dexter« ist eines von vielen Beispielen dafür, wie sehr die Kino- und Serienlandschaft dieser Tage von Fortsetzungen, Remakes und Reboots dominiert wird.
Ist das Publikum so nostalgisch? Oder Hollywood nur so einfallslos?
Ich kenne natürlich die etwas zynische Sichtweise, dass heutzutage niemand mehr neue Ideen habe und sich deswegen alle auf Bewährtes verließen. Dass alle risikoscheu geworden seien, ist eine Erklärung, die in die gleiche Kerbe haut. Aber ich glaube, es gibt auch noch andere Faktoren, die in das von Ihnen beschriebene Phänomen hineinspielen.
Nämlich?
Zum einen gibt es, gerade für Serien, eine ganz neue Zeitlosigkeit, seit wir kaum noch linear fernsehen, sondern Streamingdienste einschalten, wo endlose Inhalte dauerhaft verfügbar sind. Die originale »Dexter«-Serie war kürzlich beispielsweise mal wieder bei Netflix verfügbar, wo eine neue Generation sie zum ersten Mal für sich entdeckte. Plötzlich werde ich auf der Straße von Teenagern angesprochen! Aber selbst für die alten Fans von vor 20 Jahren ist vielleicht Nostalgie nicht der Hauptanreiz, sondern eher die Tatsache, dass es da eine Figur gibt, die parallel mit ihnen älter geworden ist.
In die TV-Geschichte haben Sie sich mit noch einer weiteren starken Serie eingeschrieben. Wäre David Fisher aus »Six Feet Under« auch eine Figur, zu der Sie gern noch einmal zurückkehren würden? Oder eine andere Ihrer Rollen?
Nein, was das angeht, ist »Dexter« schon ein ziemlich einzigartiges Phänomen. Ich denke nicht, dass es viele andere Figuren gibt, die es in Sachen Stehvermögen mit ihm aufnehmen können. Jedenfalls keine, die ich gespielt habe. Natürlich gab es andere Rollen, die ich unglaublich gern gespielt habe. Und gerade »Six Feet Under« war ein wichtiges Projekt für mich, nicht nur weil es mein erster großer Job jenseits des Theaters war. Aber genau wie in meinen Bühnen- und Filmrollen gab es da einen stimmigen Bogen für die Figur, inklusive Abschluss. Dexters Weg dagegen kam nie an einem befriedigenden Ende an, weswegen erzählerisch immer neue Ideen sprießen konnten.
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