Buch-Tipp: Bruce Beresford – Kosmopolit des Kinos
Bruce Beresford? Der Name des australischen Regisseurs, der am 16. August seinen 85. Geburtstag feiert, scheint einer anderen, längst vergangenen Ära des Filmemachens anzugehören, obwohl sein letzter Film erst 2020 in die amerikanischen Kinos kam (in Deutschland aber gar nicht zu sehen war).
Woran erinnere ich mich beim Namen des Regisseurs: an das New Australian Cinema, zu dessen bekanntesten Protagonisten er mit Peter Weir und Phillip Noyce zählte (alle drei siedelten bald in die USA über), konkreter: an »Don's Party« im Wettbewerb der Berlinale 1977, an »The Getting of Wisdom« und »Breaker Morant« in einem Sonderprogramm der Berlinale-Infoschau im Aki am Zoo, das dem Neuen Australischen Kino gewidmet war, der späteren Wiederbegegnung mit beiden Filmen im Fernsehen (einen Kinoverleih fanden sie nicht), dem Weg in die Videothek um sein US-Debüts »Tender Mercies« auszuleihen (hierzulande ebenfalls ohne Kinoauswertung), dem als höchst albern empfundenen Tanz, den Richard Gere als Titeldarsteller von »König David« vollführt, den unsinnigen deutschen Titel »Doppelmord« für »Double Jeopardy« – und natürlich den vierfachen Oscar-Gewinner »Driving Miss Daisy« – allesamt Filme aus dem letzten Jahrtausend. Zeit also für eine Neubewertung?
Im Vorwort des Buches beklagt sich Beresford selber darüber, dass in Englisch noch kein Buch über ihn existiere (die Bibliografie weist allerdings eine Monografie aus dem Jahre 1992 aus), was er durch das Schreiben dreier eigener Bücher kompensiert habe – die scheinen, einigen Zitaten daraus zu Folge, durchaus interessante Einblick in die Schwierigkeiten des Filmemachens, speziell in Hollywood, zu bieten.
In seiner Anlage folgt das Buch dem ersten Band der Reihe, der John Badham gewidmet war: 23 Autoren (darunter nur zwei Frauen) steuern fünf Essays, zwei Werkstattgespräche (mit Beresford und mit seiner langjährigen Produzentin Sue Milliken, die auch mit einem eigenen Text über ein gescheitertes Projekt – »Total Recall« – vertreten ist) und 35 Texte zu den einzelnen Filmen (darunter auch vier Fernseharbeiten) bei; für den umfassenden, erfreulich detailreichen Datenteil zeichnet wieder Michael Flintrop verantwortlich. Es gibt ein Personen- und Filmtitelregister, bebildert ist der Band mit einer Fülle von Screenshots. Und wie sein Vorgänger ist auch dieses Buch zweispaltig und engbedruckt mit äußerst schmalem Rand, als würde es jeden Moment aus allen Nähten platzen.
Die Texte zeichnen sich überwiegend durch nüchterne Ausgewogenheit aus, Beresford wird nie verklärt als verkanntes Genie, einige Filme werden als ausgesprochen schwach eingestuft (viel mehr allerdings noch durch Beresford selber im Gespräch mit dem Herausgeber). »A Good Man in Africa« wird charakterisiert als »eine nahezu groteske Verkettung künstlerischer Fehlentscheidungen«, bei »The Contract« geben die widrigen Produktionsumstände immerhin noch spannendes Material für eines der autobiografischen Bücher von Beresford selber ab. Paradoxerweise hatte Beresford, dessen frühe Filme ihn als sensiblen Chronisten einengender Lebensumstände auswiesen, in späteren Jahren seine größten Kassenerfolge mit Mainstreamfilmen wie »Double Jeopardy«; sein bis jetzt letzter Film »Ladies in Black« (2018) soll, ihm zufolge, zwar in Australien ein guter Kinoerfolg gewesen sein, kam aber außerhalb des Herstellungslandes nie irgendwo anders in die Kinos.
Glücklicherweise werden aber auch die Verdienste und Eigenheiten von Beresfords Werk gewürdigt: so war »The Fringe Dwellers« (1986) »der erste australische Mainstream-Spielfilm, in dem alle Hauptrollen von indigenen SchauspielerInnen gespielt wurden.« Beresford zeigt »Gesellschaften in einer ersten Phase des Aufbaus..., Zivilisation im Rohzustand,... Kolonisation«, so Fritz Göttler in seinem Essay; unter den sieben Langfilmen, die Beresford im amerikanischen Süden gedreht hat, »sind immerhin vier, in denen der Süden mehr als Kulisse ist«, so Lukas Foerster. Die zwei Jahre, die Beresford (nachdem es ihm nicht möglich war, in England im Filmgeschäft tätig zu werden) ab 1964 in Nigeria als Filmcutter verbrachte, hinterließen in seinen späteren Filmen gewichtige Spuren, wenn es um einen culture clash geht, ob im Schwarzafrika der Gegenwart (mehrfach) oder im Französisch-Kanada des 17. Jahrhunderts. Was sich auch durch seine Werke zieht, ist ein Interesse an künstlerischer Tätigkeit (was bei Beresford selber nicht nur für das Kino gilt, er hat auch Opern inszeniert und sich als Maler betätigt) und dass oft der Justiz eine entscheidende Rolle zukommt.
Die mit elf bis dreizehn Seiten längsten (und informativsten) Texte zu einzelnen Filmen gelten »Mr. Johnson« (den Beresford als seinen besten Film bezeichnet), »Driving Miss Daisy« (bei dem die konträren Einschätzungen, vor allem durch die Filmwissenschaft, was die Rolle des schwarzen Chauffeurs anbelangt, ausführlich dargestellt werden) und dem wenig bekannten »Mr. Church« (2016), bei dem die von Eddie Murphy dargestellte Figur eines Kochs, der jahrzehntelang für eine weiße Familie tätig ist (und am Ende »buchstäblich heiliggesprochen« wird), ähnlich zwiespältige Reaktionen auslöste wie »Driving Miss Daisy«.
Eine lohnenswerte Lektüre, die zum erneuten Ansehen der Filme reizt. Bitte weiter so.
Michael Flintrop/Ivo Ritzer (Hg.): Bruce Beresford. Kosmopolit des Kinos. Fenomena Filmbücher (Directors 2), Braunschweig 2024, 301 S., € 39,-.
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