Pedro Pascal: Daddy Cool

Ein Porträt
»The Last of Us« (Serie, 2023). © Home Box Office, Inc.

»The Last of Us« (Serie, 2023). © Home Box Office, Inc.

Ob als Herzensbrecher oder gebrochener Held – an Pedro Pascal führt derzeit kein Weg vorbei. Mit Charme, Nahbarkeit und Haltung hat er sich in Hollywoods erste Liga gespielt. Thomas Abeltshauser über den Mann der Stunde

Als er im Mai in Cannes vor der versammelten internationalen Presse anlässlich seiner Rolle in der Gesellschaftssatire »Eddington« auf die Situation in den Vereinigten Staaten angesprochen wird, ist Pedro Pascal die Nervosität anzumerken. Er zögert, nestelt am Verschluss der Wasserflasche, ringt nach Worten. Dann erzählt er vom eigenen Aufwachsen als Flüchtlingskind in Texas und solidarisiert sich mit den vielen Mi­granten, die sich von den Einschüchterungen der Trump-Administration bedroht fühlen und fürchten müssen, deportiert zu werden. Und plötzlich wird er in Bezug auf die »MAGAs« ganz klar: »Angst lässt sie gewinnen. Erzählt weiter eure Geschichten, drückt euch aus und kämpft dafür, so sein zu können, wie ihr seid. Scheißt auf die Leute, die euch Angst machen. Schlagt zurück. Lasst sie nicht gewinnen.«

In diesem kurzen Moment steckt viel von dem, was Pedro Pascal ausmacht und den Schauspieler in den letzten Jahren zum Publikumsliebling werden ließ. Er zeigt seine Unsicherheit, ist zugleich charismatisch und sagt seine Meinung, auch wenn er damit aneckt. Einer mit Aura, der dennoch nahbar wirkt, nicht aalglatt ist. Und dem es gelingt, auf einem Podium neben Stars wie Emma Stone und Joaquin Phoenix nicht zu verblassen, wahrgenommen zu werden. Auch weil er das Spiel mit aufsehenerregenden Outfits wie kaum ein Leading Man seiner Generation versteht. Die Bilder im tief ausgeschnittenen schwarzen Tanktop gehen aus Cannes um die Welt.

Damit hat er es zum Phänomen gebracht, das von Pascals Präsenz in etlichen Film- und Serienrollen, in »Game of Thrones«, »Gladiator II« oder »The Last of Us«, ebenso lebt wie von seinen immer wieder überraschenden Auftritten in Talkshows, auf roten Teppichen und in den sozialen Medien. Mit 50 ist er heute so populär wie nie. Und ein Sexsymbol. Im Internet nennen die Fans ihn »Daddy«, ein Kosename für einen attraktiven Mann mittleren Alters, den er mit einem Schuss Selbstironie für sich akzeptiert hat.

Umso verwunderlicher, auf den ersten Blick zumindest, dass er erst jetzt, mit 50 Jahren, zum ersten Mal den romantischen Helden in einem Liebesfilm gibt. In Celine Songs neuem Film »Was ist Liebe wert – Materialists«, der am 21. August startet, buhlt er als reicher, attraktiver Banker mit Charme um die Gunst von Lucy (Dakota Johnson), einer Elite-Partnervermittlerin, die in ihm zunächst vor allem einen Volltreffer für ihre anspruchsvollen Klientinnen sieht. Und Pascal spielt diesen Harry souverän als Mann mit Ausstrahlung, der sich auf jedem Parkett selbstsicher bewegt. Dabei sei die Rolle eine Herausforderung gewesen, sagt er. Zu den Dreharbeiten sei er mental und körperlich in keiner guten Verfassung gewesen, nachdem er sich bei einem Unfall die Schulter verletzt und die Genesung ihn lange außer Gefecht gesetzt hatte.

Die RomCom ist bei weitem nicht sein einziges aktuelles Projekt. 2025 ist das Jahr des Pedro Pascal, noch nie war der Schauspieler so omnipräsent. Im Frühjahr hatte die zweite Staffel der dystopischen HBO-Serie »The Last of Us« Premiere, basierend auf dem gleichnamigen Videospiel, in dem eine Pilzepidemie Menschen in Zombies verwandelt. Der von Pascal gespielte Joel Miller ist ein vom Überleben gezeichneter Schwarzhändler, der ein junges Mädchen, Ellie (Bella Ramsey), die gegen den Pilz immun ist, aus der Quarantänezone zum anderen Ende der USA bringen soll, wo eine Rebellengruppe ein Gegenmittel gegen die Infektion sucht. Ein ambivalenter, gebrochener Held wider Willen, wie ihn Pascal in Variationen immer wieder verkörpert. Und preisverdächtig: Gerade wurde er mit dem Part erneut für einen Emmy nominiert. 

Auf dem Filmfestival Cannes lief Ari Asters »Eddington« mit Pascal und Joaquin Phoenix im Wettbewerb, eine Horror-Western-Farce auf die polarisierte Gesellschaft in den Vereinigten Staaten, die beim Festival sehr durchwachsen aufgenommen wurde, was aber keinesfalls an Pascals Auftritt als jovialem Bürgermeister liegt. Ab 20. November kann sich auch das deutsche Kinopublikum davon überzeugen. Bereits seit Ende Juli läuft außerdem der Marvel-Film »The Fantastic Four: First Steps« mit Pascal als Reed Richards, der sich in den Superhelden Mr. Fantastic verwandelt.

Dabei ist er ein Spätzünder, der lange strauchelte und dem erst in seinen Vierzigern der Durchbruch gelang. Der Anfang war alles andere als einfach, auch wenn er früh wusste, dass er Schauspieler werden wollte. Geboren wurde der Sohn einer Kinderpsychologin und eines Facharztes am 2. April 1975 in Santiago de Chile als José Pedro Balmaceda Pascal, mit dem im Spanischen üblichen Doppelnachnamen, der sich aus beiden Elternteilen zusammensetzt. Später, als Schauspieler, wird er seinen Namen auf Pedro Pascal verkürzen und damit den Nachnamen seiner Mutter Verónica annehmen. Bereits kurz nach der Geburt geht die Familie wegen der seit 1973 in Chile herrschenden Militärdiktatur unter General Pinochet ins Exil, zunächst nach Dänemark, wo ihr politisches Asyl gewährt wird, schließlich in die Vereinigten Staaten. Seine Kindheit verbringt Pedro im texanischen San Antonio, später zieht die Familie ins kalifornische Orange County. Als Kind sei er ein Nerd gewesen, sagt Pascal; er interessierte sich fürs Theater und für Filme, empfand sich in der Schule als Außenseiter, wurde Opfer von Bullys. Ein Anker in all diesen Jahren ist seine Familie, vor allem seine Mutter. 1993 zieht er nach New York, studiert an der Tisch School of the Arts Schauspiel. Als er 24 Jahre alt ist und versucht, im Beruf Fuß zu fassen, nimmt sich seine Mutter das Leben. Ein Verlust, den Pascal nur schwer verkraftet und der ihn bis heute begleitet. Auch damit geht er offen um, erinnert in Interviews an sie, oft unter Tränen. Mit seinen drei Geschwistern ist er bis heute eng verbunden. Seine jüngere Schwester Lux ist trans, Pedro unterstützt sie und ist lautstarker Ally der Trans-Community, auch ganz öffentlich: Er trägt das »Protect the Dolls«-Shirt zu Events und kritisiert Harry Potter-Erfinderin J. K. Rowling für ihre transfeindlichen Aussagen.

Eines seiner ersten Engagements hat er 1999 in »Buffy – Im Bann der Dämonen« neben der von Sarah Michelle Gellar gespielten Vampirjägerin, um die Jahrtausendwende eine der populärsten TV-Serien, auch in der Schauspielbranche. In der Pilotfolge der vierten Staffel spielt er den jungen Studenten Eddie, den Buffy auf dem College-Campus kennenlernt. Die Freude währt allerdings nur kurz, Eddie wird Opfer der Blutsauger und selbst zum Vampir. Buffy bleibt nichts anderes übrig, als ihn zu töten. Der erste von vielen Serientoden, die Pascal in den kommenden Jahren auf dem Bildschirm sterben wird. Es folgen sporadisch Gastauftritte in Einzelfolgen von Serien wie »NYPD Blue«, »Law & Order« und »CSI: Vegas«, aber auch erste Nebenrollen, die sich über mehrere Episoden strecken. So spielt er den Staatsanwalt Nathan Landry in der Politdramaserie »The Good Wife« oder gleich mehrfach FBI-Agenten, in den Krimiserien »The Mentalist« und »Graceland«.

»Game of Thrones« (Staffel 4, 2014). © Home Box Office, Inc.

Es sind zähe Jahre für ihn, er lebt in Brooklyn, schlägt sich nebenbei mit Kellnerjobs durch, denkt immer wieder ans Aufgeben, und kann sich oft nur mit Hilfe von Familie und Freunden über Wasser halten, die ihn finanziell und moralisch unterstützen. Wie seine enge Freundin Sarah Paulson, die ihm regelmäßig unter die Arme greift. Sie ist es auch, die den entscheidenden Impuls gibt, der seinen Durchbruch bedeuten wird. Sie ist es, die seinen auf dem iPhone aufgenommenen Bewerbungsclip ihrer befreundeten Schauspielkollegin Amanda Peet gibt, mit der Bitte, es ihrem Mann David Benioff zu zeigen. Der ist zu dem Zeitpunkt Produzent der extrem erfolgreichen Fantasyserie. Und besetzt Pascal als dornischen Prinz Oberyn Martell. Sein Auftritt bleibt auf sieben Folgen der vierten Staffel beschränkt, doch er prägt sich ein. Dieser junge Oberyn ist furchtlos und schert sich kaum um Sitten und Moral, hat acht Töchter von verschiedenen Frauen, vier mit seiner aktuellen Geliebten Ellaria, hat aber auch Sex mit Männern. Ein trinkfreudiger Lebemensch mit scharfem Witz, zugleich ein gefürchteter Krieger und ein Getriebener, der die brutale Ermordung seiner geliebten Schwester Elia und ihrer Kinder rächen will und alles daran setzt, den Schuldigen zur Strecke zu bringen. Es kommt schließlich zum Duell mit dem weitaus stärkeren Ser Gregor Clegane, ein erbitterter Schaukampf, bei dem Oberyn ohne Rüstung und mit nur einem Speer lange geschickt die Oberhand behält, bis der bereits schwer verletzte Ser Gregor ihn schließlich doch überwältigt und seinen Schädel mit den bloßen Händen zerquetscht. Mit dem Ende Oberyns beginnt Pascals Höhenflug.

Im Jahr darauf erhält er das Angebot, in der Netflix-Serie »Narcos« (2015–2018) über den Kampf gegen die kolumbianischen Drogenkartelle eine der Hauptrollen zu übernehmen. Als abgebrühter Ex-DEA-Agent Javier Peña fahndet er in zwei Staffeln zusammen mit seinem Partner Steve Murphy (Boyd Holbrook) zunächst nach Médellin-Kartellboss Pablo Escobar; nach dessen Tod ermitteln sie in der dritten Staffel gegen das Cali-Kartell. 

»Narcos« (Staffel 1, 2015). © Daniel Daza/Netflix

Deutlich ambivalenter ist die Figur, die er seit 2019 in der Star Wars-Ablegerserie »The Mandalorian« verkörpert. In bislang drei Staffeln (auf Disney+) ist er in der Titelrolle als Kopfgeldjäger Din Djarin unterwegs, der sich als Einzelkämpfer am Rande der Galaxis mit Auftragsjobs durchschlägt und dabei ein kleines Findelkind beschützt, auf dessen Ergreifung ein Preis ausgesetzt ist, weil es derselben Spezies wie der frühere Jedi-Meister Yoda angehört und bereits 50 Jahre alt ist. Teil des sich ständig erweiternden »Star Wars«-Universums zu sein, bescherte Pascal weitere Fankreise, denen er regelmäßig bei den halbjährlich stattfindenden Conventions begegnet. 

Parallel wird Pascal nun auch für die Kinobranche interessanter. Nachdem er sich in den nuller Jahren zunächst vor allem in B-Movies wie »Spinnen des Todes« und »Bloodsucking Bastards« verdingte, dann erste Nebenrollen in Blockbustern wie »The Great Wall« und »The Equalizer 2« ergatterte, besetzte ihn Patty Jenkins schließlich 2020 in der Comicverfilmung »Wonder Woman 1984« als Gegenspieler von Gal Gadots Superheldin. Und Pascal spielt diesen Maxwell Lord, einen zwielichtigen Geschäftsmann, der die Welt ins Chaos stürzt, mit herrlich schmierigem Gusto. Seitdem wird er vor allem in Genreproduktionen besetzt, in Robert Rodriguez' Science-Fiction-Actionfilm »We Can Be Heroes«, Ethan Coens »Drive-Away Dolls«, Ridley Scotts »Gladiator II« und dem unlängst angelaufenen Episodenfilm »Freaky Tales«. Aber auch Pedro Almodóvar wird auf ihn aufmerksam und besetzt ihn in seinem queeren Western »Strange Way of Life« als Ex-Lover des von Ethan Hawke gespielten Dorfsheriffs, der nach vielen Jahren wieder auftaucht. Selbst in diesem gut 30 Minuten kurzen, hochartifiziellen Film gelingt es Pascal, seiner Figur in wenigen Momenten eine emotionale Tiefe zu geben, die anrührt und in Erinnerung bleibt.

Was ihn als Star so außergewöhnlich macht, sind nicht nur seine Rollen, es ist auch sein Auftreten abseits von Leinwand und Bildschirm. Er verbindet Virilität und Verletzlichkeit, gibt sich in Interviews erstaunlich offen und ehrlich, manchmal bis zur Schmerzgrenze. Das Kontrollierte ist nicht seins, er zeigt Emotionen, wenn er von seiner Mutter spricht, bei Sketchen in »Saturday Night Live« dagegen kann er nicht ernst bleiben und fällt aus der Rolle, zum großen Vergnügen des Publikums. Pascal gelingt, wie wenigen anderen, eine lässige Gratwanderung zwischen dem Erfüllen von Promopflichten und persönlicher Haltung, zwischen verkaufsfördernder Unterhaltung und Momenten, die einen Nerv treffen, weil sie als wahrhaftige Gefühlregungen wahrgenommen werden. All das macht ihn grundsympathisch und nahbar, trifft offenbar einen Nerv inmitten der kalt durchkalkulierten PR-Maschinerie. Längst hat die Pedromania aus dem Internet auf das reale Leben übergegriffen; zu einem »look-alike contest« tauchten kürzlich zahlreiche Doppelgänger auf, von der Menge frenetisch bejubelt, als wäre es der Star persönlich. Auch hierzulande herrscht Fanfieber, bei der Premiere zu »Fantastic Four« im Juli in Berlin wurde Pedro Pascal von kreischenden Fans und Plakaten wie »Blink if you love me« begrüßt, und er nahm sich ausführlich Zeit für Selfies mit ihnen. Er genießt das sichtlich, weil es ein langer Weg bis hierher war und weil er nur zu gut weiß, wie unsicher das Geschäft ist. 

Für 2026 sind bereits eine Kinofortsetzung der »Star Wars«-Serie mit dem Titel »The Mandalorian and Grogu« (22. Mai) sowie eine weitere Produktion aus dem Marvel Universum angekündigt. In »Avengers: Doomsday«, dem fünften Teil der Reihe, wird Pedro Pascal erneut ins Mr.-Fantastic-Kostüm schlüpfen. Und bei den Promoauftritten seinem Ruf als Internets Daddy vermutlich erneut spielerisch und selbstironisch gerecht werden. Während seine Pascalitos eine Welle neuer Memes um die Welt schicken.

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