Gerhard Midding

Gerhard Midding ist freier Autor für Tageszeitungen (Berliner Zeitung, Die Welt), Zeitschriften (epd Film, filmbulletin) sowie Radio-(rbb Kulturradio) und Fernsehsender (3sat). 

Filmkritiken von Gerhard Midding

Das Leben dreier Familien gerät aus den Angeln, als sich vor ihrem Wohnhaus ein Verkehrsunfall ereignet. Ein Nanni-Moretti-Film, der ohne Ironie auskommt: Thematisch und stilistisch knüpft er an »Das Zimmer des Sohnes« an, verhandelt mit nüchterner Konzentration die Motive Einsamkeit, Verlust und Verantwortung. Das Kaleidoskop der existenziellen Krisen ringt um Versöhnung und wird dabei von einem sensiblen Darstellerensemble getragen.
Die soziale Spaltung Frankreich lässt den altgedienten Utopisten Robert Guédiguian nicht ruhen. Nicht einmal der familiäre Zusammenhalt kann der Entsolidarisierung mehr trotzen. Sein bewährtes Darstellerensemble (Ariane Acaride, Gérard Meylan, Jean-Pierre Daroussin, Anais Demoustier) verleiht den Figuren Würde und Ambivalenz. Ein leises Pendant zum Aufruhr, den die Gentrifizierung in Spielbergs »West Side Story« auslöst.
Steven Spielbergs Version unternimmt keine Revision des Musicalklassikers und der Erstverfilmung von Jerome Robbins und Robert Wise, sondern ist eine glühende Hommage an das Genre. Tony Kushners Drehbuch modernisiert die Vorlage behutsam, aber effektiv. Die Besetzung ist ethnisch korrekt und zum Teil sensationell (namentlich Anita DeBose als Anita), das Drama und die Songs sind packend wie eh und je
Derb, drastisch und überdreht: Srdjan Dragojevics Satire bekräftigt munter die Folklore des Balkankinos. Ihr Blick auf drei Jahrzehnte postsozialistischer Mentalitätsgeschichte ist schwarzhumorig, lässt als Parabel aber grotesken Feinschliff vermissen
Das Spielfilmdebüt von Edouard Bergeon beruht auf der Geschichte seines eigenen Vaters, der den väterlichen Hof voller ehrgeiziger Pläne übernahm und dann hochverschuldet in Depressionen fiel. Hervorragend besetzt wirft das Drama ein Schlaglicht auf die andauernde Agrarkrise in Frankreich
Mit dem Ende von »Spectre« schien der erzählerische Bogen, der sich über die Ägide Daniel Craigs als James Bond spannte, vollendet. Aber Cary Fukunaga versucht, den Mythos in seiner Dämmerung noch einmal neu zu definieren, halb traditionsbewusst, halb ikonoklastisch. Craig vollzieht den Generationenwechsel mit Hingabe und Würde
»Die schönsten Jahre« heißt der Film im Original, aber Gabriele Muccino lässt offen, welche Zeitspanne im Leben seiner vier Protagonist:innen das sein könnte. Statt dessen also der Trinkspruch der Freunde fürs Leben, die sich früh finden, verlieren und spät wiederfinden. Die Kamera taucht ihren wechselvollen Werdegang in das Sonnenlicht einer Tourismuswerbung, ist aber oft ganz nah dran an ihren Erfahrungen von Verlust und Verbundenheit
In Christophe Honorés turbulent-melancholischer Komödie ziehen die temperamentvolle Hosenjägerin Chiara Mastroianni und ihr lethargischer Mann Benjamin Biolay die Bilanz ihrer Ehe und begegnen den Geistern ihrer Vergangenheit
In nicht allzu ferner Zukunft: Der Meeresspiegel ist bedrohlich gestiegen, Miami überflutet und die Bewohner können in Wassertanks ihre liebsten Erinnerungen wieder erleben. Sonst hat sich nicht viel geändert in Lisa Joys Kreuzung aus Science-Fiction und Film Noir: Ein Detektiv (Hugh Jackman) erliegt dem Sirenengesang einer Femme fatale (Rebecca Ferguson) und muss in einer korrupten Welt ihrem Geheimnis auf die Spur kommen
Eine Clocharde (Catherine Frot) hilft einem geflüchteten Achtjährigen, die Mutter zu finden. Claus Drexel inszeniert die Suche als heikle Gratwanderung zwischen Märchen und Sozialdrama: mal kitschig, mal spannend und oft einnehmend