Gerhard Midding

Gerhard Midding ist freier Autor für Tageszeitungen (Berliner Zeitung, Die Welt), Zeitschriften (epd Film, filmbulletin) sowie Radio-(rbb Kulturradio) und Fernsehsender (3sat). 

Filmkritiken von Gerhard Midding

Jede Epoche macht sich ihr eigenes Bild von den Bronte-Schwestern. Für Frances O'Connor ist Emilys Roman »Sturmhöhe« der heftigen, tragischen Leidenschaft für einen jungen Vikar geschuldet. Das Regiedebüt der Schauspielerin besticht durch Atmosphäre, Milieuzeichnung und ein exzellentes Ensemble.
Der gleichnamige Bestseller von Karine Tuil wurde von einem wahren Ereignis inspiriert: der Vergewaltigungsklage einer Studentin in Stanford, die in ein empörend mildes Urteil mündete. Yvan Attal hat daraus einen betont dialektischen Gerichtsfilm gemacht.
Der Titel von Daniela Abkes Dokumentarfilm ist Programm: Sie nimmt nicht nur die Anmut des alten Pariser Arbeiterviertels in den Blick, sondern spürt auch dessen Historie widerständiger Volkstümlichkeit nach. Voller Zuneigung porträtiert sie einige temperamentvolle Bewohner, die die Erinnerung an das Vergangene am Leben halten.
Eine geheime Polizeibrigade jagt die Attentäter, die im November 2015 die Anschläge auf das Bataclan und andere Orte zivilen Lebens in Paris verübten. Die Aufarbeitung des Traumas bleibt in Cédric Jimenez' Thriller konsequent auf die Perspektive der Ermittler begrenzt. Der Ensemblefilm ist prominent, aber unauffällig besetzt. Er ist spannend und greift kurz.
Eine junge, ehrgeizige Balletttänzerin zieht sich bei ihrem Soloauftritt einen Bänderriss zu, der ihre Karriere zu beenden droht. Aber Cédric Klapisch, der Meister der filmischen Zuversicht, hat noch viel mit ihr vor. In dieser vielstimmigen, emphatischen Hymne an die Kreativität absolviert Primaballerina Marion Barbeau einnehmend ihre erste Kinorolle.
Ryûsuke Hamaguchi füllt das altgediente Format des Episodenfilms mit frischem, komödiantischem Elan. Drei so intrigen- wie wortreich konstruierte Kurzfilme über Sehnsucht, Verletzbarkeit und die Segnungen des Zufalls summieren sich zu einer moralischen Erzählung in der Nachfolge Eric Rohmers. Der behände Lockdown-Film, mit kleinem Budget und Stab quasi parallel zu »Drive My Car« gedreht, fungiert als dessen Gegenstück und vergnügliche Ergänzung – und bekräftigt Hamaguchis Ruf, einer der aufregendsten Schauspieler-Regisseure der Gegenwart zu sein.
Regisseur Fulvio Risuleo variiert das beliebte Komödienthema der betrogenen Betrüger und macht es in der kuriosen Welt der Hundenarren und Dogsitter heimisch. Seine munteren Darsteller, die unverbrauchten Schauplätze an den Rädern Roms und eine gewitzte Bulldogge bringen leidlich komödiantische Verve mit.
Joachim Lafosse, Spezialist für Verwerfungen bürgerlicher Liebesarrangements, erzählt hier von den Abgründen, an welche die bipolare Störung eines Vaters ihn und seine Angehörigen führt. Der Film hat autobiografische Wurzeln und Lafosse ein sicheres Gespür für den richtigen Erzählton.
Eine weitere Liebeserklärung an das Kino bzw. sein Trägermedium, das altgediente Zelluloid. In Zhang Yimous heiter-melancholischem Historienfilm wird erbittert um einen Filmstreifen gestritten, der, furchtbar lädiert, schließlich gerettet wird und seinen Zauber entfaltet.
Bruno Dumonts Film ist eine grimmige Satire auf die Obszönität von Medienwelt und Berühmtheitskult. Mit der Sendung »Ein Blick auf die Welt« ist die Fernsehjournalistin France de Meurs (Léa Seydoux) zum Star und heiß begehrten Selfie-Objekt geworden. Nach einem Verkehrsunfall wird der Blick, den sie auf ihr Leben richtet, unversehens fragender. Der Regisseur schickt sie auf einen Kreuzweg, an dessen Ende keine Läuterung versprochen ist.

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Meldung
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