Pop-Idole: Rosarot mit Dornen

»Barbie« (2023). © Warner Bros. Pictures

»Barbie (2023). © Warner Bros. Pictures

Transformers sind durch, jetzt kommt das nächste Spielzeug: »­Barbie«. Und da sie von Greta Gerwig in Szene gesetzt wird, ist mit einem ­frischen Blick auf diese von Eltern gehasste Heldin des Kitschs zu rechnen. Birgit Roschy über die Um- und Neubewertung weiblicher Pop-Idole im neueren Kino

Das musste ja so kommen. Nachdem die Spielzeugfirma Hasbro ihre Transformer-Figuren in ein lukratives Film-Franchise ummünzen konnte und auch dem dänischen Lego-Konzern der Einstieg ins Filmgeschäft gelang, war es vielleicht nur eine Frage der Zeit, bis der Spielzeugkonzern Mattel nachzog. Dessen erfolgreichstes Produkt ist die Barbiepuppe. Doch Barbie ist viel mehr als ein Plastikspielzeug. Sie gilt als Ikone – und als verdammenswerter Geisteszustand und Hassobjekt, das, einerseits, symbolisch für eine auf ihr Aussehen reduzierte und domestizierte Frau steht, andererseits aber in Saudi-Arabien als unislamisch verboten wurde. Die Kundschaft, kleine Mädchen, bestürmt ihre Eltern dagegen seit jeher mit Wünschen nach immer mehr Barbiekleidern und anderem Equipment, zu dem, unter ferner liefen, auch Ken gehört. Sind diese Mädchen allesamt Klein-Doofis?

Anders als die Transformers, bei denen sich eine Figur in exakt ein Auto verwandeln konnte, kommt Anziehpuppe Barbie mit einer riesigen Bandbreite von Kostümen, darunter Berufskleidung, in den Handel. Man kann das alles kaufen. Man kann ihr aber auch selbst was nähen oder sie verbiegen, verstümmeln, punkig bemalen. »Ich mach mir die Welt, widdewidde wie sie mir gefällt«: die Hymne von Mädchenikone Pippi Langstrumpf, optisch mit schlampigem Strumpfhalter und struppiger Frisur das Gegenteil der adretten Barbie, gilt auch für Barbie selbst. Es ist ein großes Missverständnis, dass von dieser in vielen Spielarten – u. a. petite, pummelig, asiatisch, kurzhaarig, schwarz – produzierten Puppe, mit der Kinder freihändig Erwachsenenrollen imaginieren können, nur das Modell der platinblonden, unnatürlich dünnen und großbusigen Traumfrau kollektiv Furore machte: als perfides Instrument, um Frauen zu knechten, die vergeblich Barbiemaßen nachzueifern versuchen. Auch der neue »Barbie«-Film, in dem die Puppe aus der heilen Spielzeugwelt in der Realität strandet, präsentiert mit Margot Robbie eine solcherart gestylte Heldin und soll bereits für eine spürbare Knappheit von Barbies Erkennungssignal, der Farbe Quietschrosa, gesorgt haben. 

Wer Barbie aber, sowohl als Vorurteil wie Vorbild, am nächsten kam, war Doris Day. Nicht nur, weil sie, eine ranke, perfekt toupierte Blondine, optisch dem Ideal ähnelt: Tatsächlich ist sie in der Mehrzahl ihrer Filme eben kein naives »Püppchen«, sondern, wie jene erwachsenen Barbierollen, in die sich kleine Mädchen hineinträumen, Selfmadefrau und Karrieregirl. Ihre Kostüme mit stets passendem Hut, ihr schickes Apartment etwa in »Bettgeflüster«, das ein gut gefülltes Konto verrät, und das in den frühen Sechzigern: Was ist daran verkehrt? Und wie durfte sie in ihren Komödien undamenhaft herumschreien! Männliche Kritiker bescheinigten ihr die Ausstrahlung einer Kernseife und mangelnde Erotik. Doris Day war ein Star, der das weibliche Publikum ansprach.

Der Status einer weiblichen Ikone ist eine höchst schillernde Kategorie, wie sich gerade filmisch in den letzten Jahren zeigte. »La donna è mobile«: anders als bei männlichen Ikonen, deren Charakter kaum je ernsthaft hinterfragt wird, unterliegen weibliche Ikonen einem ständigen Bedeutungswandel, dienen als Projektionsfläche und, besonders im Medium Film, als Quell steter Inspiration. Was Doris Day betrifft, so erfuhr sie, von Kritikern konsequent bespöttelt und doch mit ihren Komödien bis heute Fernseh-Dauerbrenner, in den Neunzigern eine feministische Absolution. Das kam etwa 1996 in der erfrischenden australischen Komödie »Liebe und andere Katastrophen« zum Ausdruck, in der eine Filmstudentin eine Examensarbeit über Doris Day als »feministische Vorkämpferin« schrieb. Akademikerinnen entdeckten, was Zuschauerinnen längst gesehen hatten: Doris-Day-Heldinnen nahmen ihr Leben in die eigene Hand, gaben nie klein bei und kamen, irgendwie, damit durch. 

Das Barbieklischee wurde 2001 auch von der cleveren Reese Witherspoon in »Natürlich blond« neu bewertet, mit einer satirischen Komödie, in der sie als »Malibu-Barbie« die Aufnahme an die Elite-Universität Harvard – sie bewirbt sich mit Bikini-Fotos – ergattert, um ihren Ex-Freund zurückzuerobern. Auch hier das bereits bekannte Phänomen: Megaerfolg an der Kinokasse, schmallippige Kritiken über den Siegeszug der blonden, reichen und, als seien diese Attribute nicht schon hassenswert genug, dazu noch schlauen Heldin, die, Gipfel der Dreistigkeit, das schrille Barbiepink zum weiblichen Empowerment umdeutete. 

Es waren die Jahre, in denen in Hollywood außerdem Shakespeare- und Jane-Austen-Vorlagen als Teeniekomödien neu gedacht wurden. Alicia Silverstone beerbt in »Clueless« (1995) als angetäuschter Blondinenwitz Jane Austens »Emma«. Und in »Eiskalte Engel« (1999) wird Choderlos de Laclos' einst verfemter prärevolutionärer Briefroman »Gefährliche Liebschaften« in die Jeunesse dorée des heutigen New Yorks verlegt. Jedoch steht im Zentrum nicht wie gehabt die literarische Super-»Bitch« Marquise de Merteuil, die, zumindest in Briefform, durchaus eine Feministin avant la lettre war, sondern ihr Opfer, Madame de Tourvel. Erneut von Reese Witherspoon verkörpert, siecht diese am Ende nicht vor Kummer im Kloster dahin, sondern braust fröhlich im Cabriolet ihres Verführers davon.

Verlassen wir nun das Genre der unterschätzten Frauen-Kultfilme mit einem Zitat aus »Natürlich blond«, jenen gemeinen Worten, mit denen Elles Freund der Blondine den Laufpass gab: Er brauche für seine zukünftige Politikerkarriere »eine Jackie, keine Marilyn«. Marilyn Monroe, oder vielmehr das Bild, das sie in vielen ihrer Filme und Schlagzeilen von einst verkörperte, ist die Urmutter des Klischees vom blonden Dummchen, des blonde bimbo. Dieser Begriff wurde auch im Lied »Barbie Girl« der Band Aqua verwendet, was prompt eine – niedergeschlagene – Klage von Mattel nach sich zog. 

Marilyn Monroes Image als nicht ganz zurechnungsfähige Sexgöttin wurde schon zu Lebzeiten – »Sirene in blond« – parodiert. Dem in ihrem letzten Interview geäußerten Wunsch an ihren Gesprächspartner – »lass mich bitte nicht wie einen Witz aussehen« – versuchten Filmemacher in bisher elf Spielfilmen auf unterschiedliche, jedoch wenig überzeugende Weise gerecht zu werden. Die neueste Hommage »Blond« (2022), eine Romanverfilmung, ist die vielleicht unangenehmste Annäherung. Marilyn Monroe wird gänzlich auf die Rolle eines willenlosen Opfers reduziert. Missbrauch, Vergewaltigung, Fehlgeburten, Schläge, Mordversuche der Mutter – es gibt kaum etwas, das dem armen Hascherl mit den großen erschrockenen Augen nicht widerfährt. Zwar handelt es sich bei dieser schnurstracks auf den Tod zulaufenden Aneinanderreihung von Miseren größtenteils um fiebrige literarische Fantasien. Doch in dieser künstlerisch sein wollenden Leidensoper verschwimmen Fakten und Fiktion. 

Letztlich verweist diese voyeuristische Ausbeutung einer herausragenden Schauspielerin, die sich nicht mehr wehren kann, auf den morbiden Kern der Verehrung realer weiblicher Ikonen: ein früher, tragischer Tod. Die Legende von Grace Kelly liegt nicht in ihrem Werdegang als Hollywoodstar, der in ein Operetten-Fürstentum einheiratet, begründet, sondern in ihrem von Gerüchten begleiteten Unfalltod. Hätte Marilyn Monroe nicht eine Überdosis Schlaftabletten eingenommen, wäre sie heute vielleicht ein so herrlich abgebrühtes golden girl wie Joan Collins. Und wäre umgekehrt Margaret Thatcher beim IRA-Attentat 1984 umgekommen, gälte sie, als Tochter eines Ladenbesitzers, die sich in den politischen »Oxbridge«-Männerklüngel vorarbeitete und mit ihrer Rüstung aus festbetonierter Frisur und power dressing auch optisch Respekt erheischte, als feministische Ikone erster Klasse statt als Hassobjekt. So aber wurde der mit 87 Jahren verstorbenen Politikerin die Filmbio »The Iron Lady« gewidmet, die – mit Thatcher in Rabenmutter-Szenen und als demente Greisin – durchaus subkutane Schadenfreude beinhaltet. 

»Die eiserne Lady« (2011). © Concorde

Und die filmische Verwertungskette der tragischen Schicksale berühmter und gekrönter Frauen will nicht abreißen. Pablo Larraín etwa bastelte nach seinem Filmporträt »Jackie« (2016) über Jacqueline Kennedy mit »Spencer« (2021) weiter an der Hagiografie von Lady Di. Der »Sissi«-Mythos erfuhr in den letzten beiden Jahren mit zwei Serien (RTL, Netflix) und zwei Kinofilmen, »Corsage« und »Sisi & Ich«, ein Update. Auch Kleopatra geistert nach wie vor im kollektiven Unbewussten herum, wie jüngst die Netflix-Serie »Queen Cleopatra« und der in Planung befindliche Spielfilm »Cleopatra« beweisen. 

Gemeinsam ist diesen Filmen, dass sie, wie im Vorspann von »Spencer« zu lesen, »eine Fabel aus einer wahren Tragödie« sein wollen. Mit anderen Worten: es handelt sich um von einem minimalen Faktengerüst gestützte Interpretationen von Charakteren und Ereignissen, also um Erfindung. In »Corsage« und »Sisi & Ich« werden auf interessante Weise der Narzissmus und die Reiselust von Kaiserin Elisabeth als versteckter Widerstand gegen patriarchalische Machtstrukturen gedeutet und Analogien zur Gegenwart gezogen. Dienen die Sissi-Filme auch als Kommentar zur Realität heutiger Frauen und zeigt »Spencer« die Vorliebe gerade männlicher Regisseure für neurotische damsels in distress, so bleibt der Erkenntnisgewinn doch dünn. In diesen Hommagen dienen weibliche Ikonen Filmemachern und Filmemacherinnen vor allem als Gefäß, um darin das eigene Süppchen zu kochen. »Queen Cleopatra« mit einer afroamerikanischen Hauptdarstellerin ist dagegen schlicht kulturell übergriffig, um nicht zu sagen: neokolonialistisch. 

Wie steht es mit fiktiven Ikonen? Zumindest Barbie scheint bei Regisseurin Greta Gerwig, die in ihren Filmen mit selbstironischem Blick die Ambivalenzen des Frauenlebens aufspießt, in guten Händen zu sein. Doch so wunderbar kraftvoll und souverän Anti-Barbie Gal Gadot in zwei »Wonder Woman«-Abenteuern auch wirkt: dieser makellosen starken Frau fehlt im Vergleich zu den unausgeglichenen Superhelden männlichen Geschlechts die Würze. »Wonder Woman« wurde nicht fortgesetzt. Andere wiederentdeckte Ikonen, wie z. B. in Disneys »Mary Poppins' Rückkehr« und »Arielle«, wollen trotz prächtiger Inszenierungen ebenfalls nicht mehr zünden. Der Kinderfrau Mary Poppins fehlt im Remake durch den Wegfall des autoritären Vaters, der aufgelockert werden musste und nun durch seinen erwachsenen Sohn, der selbst wie ein hilfloses Kind wirkt, ersetzt wird, ein knackiger Gegner. Arielle geht nicht wie im Original einzig zur Eroberung des Märchenprinzen an Land, sondern auch aus Wissbegierde. Doch wenn im Remake das Mantra weiblicher Bildung beschworen wird, wirken die Szenen, in denen Arielle kurz mal im Studierzimmer des Prinzen herumstöbert, vor allem pflichtschuldig. Man merkt die pädagogische Absicht und ist verstimmt.

Die Entstehung von Ikonen lässt sich nicht erzwingen. Ihre Wirkung entfalten Frauenrollen im Film oft als unbeabsichtigt subversiven Nebeneffekt, bevor, wie etwa bei Doris Day, im Laufe der Zeit auch offiziell ihre Bedeutung erkannt wird. Solche lange unter dem Radar gebliebene Mini-Ikonen sind etwa das naiv-weise »Golden Girl« Rose alias Betty White oder in den »Terminator«-Filmen Sarah Connor alias Linda Hamilton als unkonventionelles, durchtrainiertes Sexsymbol. Unerwartete Folgen zeitigte auch Dana Scully – Gillian Anderson – als kühl-rationale Wissenschaftlerin, die in der Serie »Akte X« ihren »weiblich« emotionalen Kollegen Fox Mulder ausbremst. Der nach ihr benannte Scully-Effekt soll für die vermehrte Hinwendung von Frauen zu naturwissenschaftlichen Berufen verantwortlich sein.

Und dann die ikonischen Schurkinnen: Meerhexe Ursula, Archetypus der alles verschlingenden Mutter, stiehlt der Arielle von damals und heute locker die Show. Mildred Ratched (Louise Fletcher), die fiese Oberschwester in »Einer flog über das Kuckucksnest« (1975), bekam 2020 mit »Ratched« sogar eine eigene Netflix-Serie. Die beste boshafte Frauenikone der letzten Jahre ist aber die von Imelda Staunton verkörperte Lehrerin Dolores Umbridge, die tatsächlich im rosa Damenkostüm auftritt. Ihre Erfinderin Joanne K. Rowling spießte in dieser Figur so treffsicher weibliche Pathologien auf, dass Mrs. Umbridge beim Publikum mehr Gänsehaut hervorruft als der geradlinig bösartige Voldemort. Von den Frauenrollen der »Harry Potter«-Reihe wird vermutlich nicht die kluge Hermine im kulturellen Gedächtnis hängen bleiben, sondern die unter ferner liefen auftretende Mrs. Umbridge, Sinnbild einer sadistischen Bürokratin.

Hoffnung macht auch, in einer Auskopplung aus der »Addams Family«, Tochter Wednesday, die ebenfalls eine eigene Netflix-Serie bekam. Sie ist ein äußerst ungefälliger, im Gothic-Look gekleideter Teenager mit sadistischen Tendenzen. Als Heldin wider Willen, die aus den falschen Gründen das Richtige tut, ist das kleine Biest aber auch die beste Kandidatin für den Status einer zeitgemäßen weiblichen Ikone.Schwarz ist das neue Pink.

Meinung zum Thema

Kommentare

Der Film macht Spaß! Er ist voll mit Zitaten und Anspielungen. Er ist klug. Und trotzdem bleibt ein gewisses Ressentiment zurück. Es mag daran liegen, dass man sich mit Grausen an die Diskussionen im Kinderzimmer zurückerinnert, bei denen man stets auf verlorenem Posten gekämpft hat. Kommerz gegen Vernunft. Was wusste ein Kind schon von stereotyper Weiblichkeit? Und in gewisser Weise transportiert der Film genau diese Stereotype, als Powerfrau zwar, aber immer adrett geschminkt und mit falschen Nägeln. Aber im Zeitalter von Social Media scheint das keinen mehr zu stören.

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