Kritik zu Arielle, die Meerjungfrau

© Walt Disney

2023
Original-Titel: 
The Little Mermaid
Filmstart in Deutschland: 
25.05.2023
L: 
135 Min
FSK: 
Ohne Angabe

In der aufwendigen Neuverfilmung des Disney-Zeichentrickklassikers von 1989 als Live-Action-Abenteuer wird mit einer afroamerikanischen Heldin Neuland betreten, doch sonst bleibt alles beim Alten

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Das Meer geht immer. Filme, die im Wasser spielen, lassen den Zuschauer in ozeanische Gefühle abtauchen. Das gilt für den »Arielle«-Zeichentrickfilm (1989) wie für die Neuverfilmung des Disney-Klassikers, in der eine traumhaft eskapistische Unterwasserwelt kreiert wird. In Arielles schummrigem Biotop, den grünen Algenwäldern, rosa Quallenwolken, verwunschenen Schiffswracks, kann man sich verlieren. Wenn sie den Kopf aus dem Wasser streckt, sieht man mit ihren Augen plötzlich auch unsere Welt als Wunder. Das Glitzern der Wellen, die Sonne, toll! Und wie niedlich ist denn bitte das wuschelige kleine Wesen, das den netten Typen, den Arielle auf einem Schiff erspähte, ständig begleitet? Wozu dient jener Mini-Dreizack, den Arielle auf einem Tisch in einem Schiffswrack entdeckt hat – zum Haarekämmen, wie ihre Freundin, Möwe Scuttle, behauptet? Es gibt viele zauberhafte Momente, in denen das Remake das Original ästhetisch und besonders in seiner sinnlichen Wirkung übertrumpft, obwohl gerade die Unterwasserwelt in ihrem Fotorealismus oft etwas künstlich wirkt.

Mit »Arielle« wurde ein weiterer Disney-Bestandsklassiker als Live-Action-Märchen aufbereitet. Das hat bisher mal mehr, mal weniger gut geklappt. Das »Arielle«-Update übernahm der bewährte Musicalregisseur Rob Marshall. Er hält sich inhaltlich und gestalterisch meist an das Original. Neu sind vier Songs, die Lin-Manuel Miranda komponiert hat. Neu ist außerdem, dass die Meerjungfrau nicht von einer, analog zum Trickfilm, weißhäutigen, blauäugigen und rothaarigen Darstellerin verkörpert wird, sondern von der afroamerikanischen Sängerin Halle Bailey.

Dieser Besetzungscoup schlägt seit Monaten Wellen und wird in den sozialen Medien, wie davor die Serie »Herr der Ringe – Die Ringe der Macht«, als »Blackwashing« beschimpft. Nun kann man etwa bei der schwarzen Netflix-Kleopatra durchaus den trampeligen Chauvinismus von US-Studios kritisieren, die schnell der Mode nach wie mit einer Dampfwalze historische Fakten und kulturelle Identitäten platt machen können. Doch bei reinen Fiktionen und Märchen zieht diese Klage nicht, denn diese Geschichten und ihre Verfilmungen erzählen stets mehr von der Epoche, in der sie realisiert wurden als von jener Epoche, von der sie sprechen. Mal davon abgesehen, dass bei der disneyfizierten »Arielle« ohnehin die Tragik der verschmähten Liebenden aus Hans Christian Andersons Märchen durch ein gedrechseltes Happy End ersetzt wird: Anderson hätte es begrüßt, dass mit einer dunkelhäutigeren Heldin andere Bevölkerungsgruppen »mitgenommen« werden, zumal Bailey eine großartige Sängerin ist. Es hat dennoch ein Geschmäckle, wenn der Prinz versucht, den Namen der stummen Arielle zu erraten und diese bei der Frage nach »Diana« und »Katherine« angewidert den Mund verzieht. Das wurde bereits als Parteinahme für das Team Meghan & Harry gedeutet.

Der wahre Märchen-Subtext ist aber, dass die Meerjungfrau, die ihre Sirenenstimme und ihren Fischschwanz gegen Beine tauscht und an Land geht, um ihren Prinzen zu erobern, eine entschlossene soziale Aufsteigerin ist. Im Sinne des Zeitgeistes wird der Drang der klassisch unemanzipierten Arielle nach dem Märchenprinzen nun mit intellektuellem Wissensdrang ergänzt. Der Prinz, ein etwas wehleidiger Softie, der wie gehabt zum Jagen getragen werden muss, ist dagegen noch fader geraten. Und wie gehabt ist die Beziehung der beiden das lahmste Handlungselement.

Stattdessen prunkt das Spektakel mit extravaganten Nebenfiguren wie Melissa McCarthy als monströser Seehexe, Javier Bardem als schwermütigem Meereskönig Triton und mit vielen maritimen Spaßmachern, die sich, zumindest im Original, sehr lustig anhören. Ausstattung und Musik sind so überwältigend, wie man es erhoffte. Wenn es einem gelingt, den Ärger über die Politisierung von Unterhaltungsfilmen hinunterzuschlucken, dann stellt sich doch noch die alte Disney-Magie ein.

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