Amazon: »Ballard«

»Ballard« (Serie, 2025). © Prime Video

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XY immer noch ungelöst

Renée Ballard ist Polizistin in Los Angeles. Unter anderem ermittelt sie gegen ehemalige Studenten, die ihre Sexabenteuer in einem kommentierten Fotoalbum dokumentierten. Als die Freundin eines dieser Jungs erfährt, wie hundsgemein dieser über ihre Unerfahrenheit im Bett ablästerte, stellt sie ihn zur Rede. Doch ihre große Liebe denkt nicht daran, sich zu entschuldigen. Nein, er echauffiert sich darüber, was seine Kumpels wohl darüber denken, dass seine Freundin die entsprechende Seite aus dem »Bodycount-Buch« herausriss.

In einem Handgemenge stößt sie den Betrunkenen mehr oder weniger ungewollt vom Balkon. Zwei Jahrzehnte lang glaubten die Ermittler an einen Unfall. Für Renée Ballard, Leiterin der Abteilung für ungelöste Fälle, ist die verspätete Aufklärung dieses Mordes im Affekt eigentlich ein Erfolg – der sich aber wie eine Niederlage anfühlt. Denn die Täterin ist eine Mörderin wider Willen, die nun zum zweiten Mal mit ihrem Trauma konfrontiert wird.

In solch berührende Geschichten taucht die Serie mit erstaunlicher Leichtigkeit ein. Dabei knüpft Ballard an die Krimiserie »Bosch« an, von der nicht umsonst sieben Staffeln produziert wurden. Nach drei Staffeln »Bosch: Legacy«, in denen die Tochter des Jazz hörenden Ermittlers in die Fußstapfen ihres Vaters trat, ist »Ballard« nun das zweite Spinn-off eines Konzepts, das auf den mehr als 20 Bosch-Romanen aus der Feder von Michael Connelly basiert.

Für die Figur der Renée Ballard ließ der Autor sich von der LAPD-Polizistin Mitzi Roberts inspirieren. Überzeugend verkörpert wird die Ermittlerin von Maggie Q, die für glaubhafte Kampfszenen kein Stunt-Double braucht: Jacky Chan höchstpersönlich förderte und trainierte sie. Wenn diese drahtige Polizistin gleich zu Beginn einen Verdächtigen durch die Straßen von Los Angeles verfolgt, dann sind diese Bilder schon spektakulär.

Doch mit Kampfszenen wie dieser, in der die zierliche Frau einen stämmigen Kerl überwältigt, hält sich die neue Amazon-Serie zurück. Action ist in »Ballard« eher eine Fußnote. Der Zehnteiler richtet den Fokus auf menschliche Abgründe, die durch minuziös geschilderte Polizeiarbeit ans Licht kommen. Ähnlich wie Harry Bosch – der in gelegentlichen Cameos auftritt – ist auch Renée Ballard eine Außenseiterin. Nachdem sie vergeblich versucht hatte, einen Kollegen zur Rechenschaft zu ziehen, der sie vergewaltigen wollte, wurde sie strafversetzt. Und zwar in die Abteilung für »cold cases«.

Da dieses Department unterfinanziert ist, muss Ballard unter anderem mit einer jungen Praktikantin und einer enthusiastischen Freiwilligen auskommen, die sich für ein Medium hält. Die Abteilung erinnert schon ein wenig an die Loser aus dem Slough House in der Apple-Serie »Slow Horses«. Wie in »Bosch« sind auch Ballards Gegner vor allem korrupte Kollegen. Dass auch die neue Serie wie eine gut geölte Maschine funktioniert, liegt an differenziert gezeichneten Nebenfiguren, den verschachtelten Kriminalgeschichten sowie einem beeindruckend fotografierten Los Angeles.

OV-Trailer

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