Nachruf: Michael Madsen

Michael Madsen in »Kill Bill«

Michael Madsen in »Kill Bill«

25.9.1957 – 3.7.2025

Er steht einfach nur da. Ein 1,88 Meter großer Hüne in schwarzem Anzug und Krawatte, lässig an eine Säule gelehnt, irgendwo in einem leerstehenden Lagerhaus. Unbeeindruckt beobachtet er zwei Männer, die sich prügeln, und schlürft dabei einen Softdrink. Dann schaut er lässig über den Rand seiner Sonnenbrille, beide Brauen skeptisch hochgezogen. Die Rolle des Psychopathen Mr. Blonde in Quentin Tarantinos Debüt »Reservoir Dogs« hat Michael Madsen weltberühmt gemacht, vor allem die Sache mit dem Ohr. Eigentlich wollte er unbedingt Mr. Pink spielen, um nicht von einem Nobody wie Tim Roth alias Mr. Orange abgeknallt zu werden. Das hatte er aus den Western und Klassikern gelernt, in denen seine Helden Robert Mitchum, Humphrey Bogart oder James Cagney stets einen glorreichen Tod starben. 

Als Sohn einer Dokumentarfilmerin und eines Feuerwehrmanns in Chicago geboren, verbrachte Madsen eine turbulente Jugend dort inklusive kleinerer Vergehen. Für die Schauspielerei interessierte er sich spätestens nach Besuch einer Inszenierung in der damals noch unbekannten Steppenwolf Theatre Company, wo er auch John Malkovich kennenlernte. Madsens Vater war davon wenig begeistert: »Weißt du, wie die Chancen stehen, es als Schauspieler zu schaffen? 1 zu 10 Millionen.« Madsen ließ sich nicht entmutigen und folgte Anfang der 1980er seiner Schwester, der Schauspielerin ­Virginia Madsen, nach L.A., wo er, um über die Runden zu kommen, an einer Tankstelle in Beverly Hills Stars wie Fred Astaire bediente. Nach seinem ersten nennenswerten Leinwandauftritt in »War Games 1983«, TV-Serien (»St. Elsewhere«, »Cagney & Lacey«, »Miami Vice«) und kleineren Filmrollen (»Der Unbeugsame«, »The Doors« und »Thelma & Louise«) folgte 1992 »Reservoir Dogs«. Tarantino schrieb ihm danach auch die Hauptrolle in »Pulp Fiction« auf den Leib. Die verhalf dann John Travolta zum Comeback, weil Madsen vertraglich schon an »Wyatt Earp« gebunden war, der floppte. Trotz Karriereknicks in den 1990ern drehte Madsen zeitlebens enorm viel. IMDb listet 344 Schauspielrollen auf, darunter viele B-Movies, die es nie ins Kino schafften. Madsen, der insgesamt drei Mal verheiratet war (zuerst mit Chers Halbschwester), sechs Kinder hatte und bis zuletzt in Malibu wohnte, machte nie einen Hehl daraus, dass er Rechnungen bezahlen und seine Familie versorgen müsse. Er erledigte die Jobs, die es für ihn gab.  

Die Zeit, die er allein auf Flügen, in Hotels und in Trailern an Filmsets verbrachte, nutzte er, um Gedichte zu schreiben, beeinflusst von Hemingway, Kerouac oder Bukowski. Außerdem lieh er seine markante Stimme, die nach Whisky, Tabak und Wehmut klang, Figuren in Animationsfilmen oder Computerspielen. Auch wenn er selbst besonders stolz auf seine Performance als alleinerziehender Vater in dem wenig beachteten »Strength and Honour« (2007) war, bleiben seine besten Rollen eng mit Tarantino verbunden. Als Bills Bruder Budd in »Kill Bill« oder mysteriöser Cowboy Joe Gage in »The Hateful Eight« alterte Madsen »on screen«, wirkte vom Leben gegerbt, den Stetson tief ins Gesicht gezogen. Sein typisches Grinsen – in dem sich Charme, Spott und eine Prise Wahnsinn beunruhigend vermischten – blieb. Genau wie die Nostalgie, die ihn umgab, als stamme er aus einer anderen Ära. 

Wer zu Tarantinos Inventar gehörte, musste sich Ende 2017 auch zum Fall Harvey Weinstein äußern. Madsen tat das offen, bezeichnete Weinsteins Praktiken als monströs und merkte lakonisch an, in Hollywood hätten davon schon immer alle gewusst. Ironischerweise eilte Madsen selbst der Ruf voraus, ein »American Badass« (so auch der Titel eines seiner Lyrikbände und seiner eigenen Hot-Sauce-Marke) zu sein. Er nährte es als Biker, durch einen schmutzigen Scheidungskrieg mit seiner zweiten Ehefrau und diverse Verhaftungen wegen Fahrens unter Alkoholeinfluss in Teilen selbst. Seine Schwester erzählte, sie sei in der Branche nie schlecht behandelt worden, weil alle Angst vor ihrem großen Bruder hatten. Madsen arrangierte sich damit und schloss auch Frieden mit Mr. Blonde. Trotzdem hätte er gern noch Dirty Harrys Sohn, Batman oder einen romantischen Helden gespielt. Bis zuletzt beklagte er in Interviews die Fantasielosigkeit von Casting Agents: »I'm a leading man trapped in a bad guy's body. I want to ride into the sunset with a girl.«

Meinung zum Thema

Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns

Mit dieser Frage versuchen wir sicherzustellen, dass kein Computer dieses Formular abschickt