Jens Balkenborg
Filmkritiken von Jens Balkenborg
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Der Arzt Bruno hat wegen Drogenkonsums seine Approbation verloren und versorgt Kriminelle und gesellschaftliche Randgestalten. Als er einen leukämiekranken Mafioso behandelt, mit dem sein Schwager eine Rechnung offen hat, eskaliert die Situation. Daniel Rakete Siegel und Denis Moschitto setzen mit ihrem düsteren, zwischen Ruhe und Gewalt changierenden Film ein Ausrufezeichen im deutschen Genrefilm.
Edwin, Moderator einer Wissenschaftssendung für Kinder, rutscht in eine Midlife-Crisis, als ein jüngerer Doppelgänger seine Show übernehmen soll. Aus den Resten einer abgestürzten Raumkapsel will er eine Rakete bauen. Colin West macht in seinem sympathischen Independent-Film eine spleenige Welt auf, irgendwo zwischen »Donnie Darko«-Vibes und Steven Spielberg.
Die Beziehung eines Schauspielers und eines Schriftstellers kriselt. In Tableaus entwirft Fabian Stumm in seinem Debüt das Porträt des schwulen Künstlerpaars im Krisenmodus. Ein unterhaltsamer, sehr menschlicher Film in dem sich Leben und Kunst berühren und durchdringen.
Jeanne Herry erzählt über eine begleitete Gesprächsgruppe aus verurteilten Tätern und Opfern und einen konkreten Fall von der Restorative Justice. 2014 in Frankreich eingeführt, bietet sie die Möglichkeit, in sicheren Einrichtungen ins Gespräch zu kommen. Eine dialogische Tour de Force mit universeller Botschaft: Den Sprechenden kann geholfen werden.
Die Familie der siebenjährigen Sol wuselt geschäftig durch ein großes Haus, um eine letzte Geburtstagsparty für ihren krebskranken Vater vorzubereiten. Meisterhaft verflechtet Lila Avilés viele Figuren, schamanische Rituale und einen sinnlichen Naturalismus zu einem zarten Drama über den Tod, das das Leben feiert.
Philipp Jedicke taucht ein in die Wiener Underground-Musikszene. Eine subjektiv anarchische Ode an die Subkultur und zugleich eine filmische Bühne, auf der sich die Charakternasen austoben dürfen.
Marta, die in Madrid mit Leo lebt, kommt ihrem Ex beim Sommerurlaub in der Heimat wieder näher. Der spanische Regisseur Diego Llorente erzählt sozialrealistisch und zugleich poetisch von einer Frau, die zwischen zwei Lebenswelten und Männern hin- und hergerissen ist.
In der brandenburgischen Provinz des Jahres 1997 gerät eine Nachwuchsjournalistin nach dem Tod der Oma an ehemalige KZ-Aufseherin. Sylke Enders erzählt davon, wie wichtig Kommunikation für die Aufarbeitung von Traumata ist. Nur geht die Spiegelung zwischen Generationen und Systemen wegen wenig authentischer Dialoge und fehlender künstlerischer Ideen leider nicht auf.
2007 wurde die Studentin Reyhaneh Jabbari in Teheran wegen Mordes zum Tode verurteilt, nachdem sie den Täter beim Vergewaltigungsversuch erstach. Steffi Niederzoll rekonstruiert den Fall und den beispiellosen Kampf einer Mutter. Ein so furioser wie erschreckender Dokumentarfilm.
Die 12-jährige Sofia verbringt unfreiwillig die Sommerferien mit der Oma bei ihrer Großtante auf der kroatischen Insel Hvar. Radivoje Andrić erzählt eine education sentimentale, an deren Rand Traumata der Jugoslawienkriegen eine Rolle spielen. Ein liebevoll-überdrehter Sommerfilm über ein Mädchen in der Selbstfindungsphase und darüber, dass miteinander reden alte Wunden heilen kann.
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