Interview: Jared Bush über »Zoomania 2«
Jared Bush (2024). © Brian Bowen Smith
Mr. Bush, bis »Zoomania 2« seinen Kinostart hat, sind es nur noch zwei Monate. Deswegen habe ich mich gefragt, ob die Filme immer erst so kurzfristig fertig werden oder aber schon weiter gediehen sind als die heute hier gezeigten Ausschnitte vermuten lassen – Sie wollen schließlich die Spannung bewahren. Dazu passt ja auch, dass die Stimmen erst in der kommenden Woche bekannt gegeben werden.
Das ist bei all unseren Filmen unterschiedlich. Ein Animationsfilm benötigt vier bis sechs Jahre in der Herstellung, je näher man der Fertigstellung kommt, desto dichter wird die Arbeit.
Wie ist die Beziehung zwischen Figuren, der Geschichte und nicht zuletzt den Settings (die Sie ja in Ihren Ausführungen besonders hervorgehoben haben)? Steht die Story immer am Anfang? Haben Sie öfters auch Ideen für Figuren und müssen dann überlegen, an welcher Stelle der Geschichte sie am besten in die Handlung einzufügen sind?
Unser Arbeitsprozess ist nichtlinear. Wir lernen fortwährend Neues über unsere Figuren, die Geschichte und die Schauplätze. Der Ausgangspunkt ist dabei immer: was wollen wir erzählen, was ist emotional wichtig für die Filmemacher? Wie man dahinkommt, das ist vielfachen Änderungsprozessen unterworfen. Mit welchen Mitteln vertiefen wir die beiden Protagonisten? An welcher Stelle fügen wir welche neue Figur ein – etwa Nibbles. Das ist ja eine gewichtige neue Figur – entsprechend mussten wir auch Überlegungen anstellen, dass sie nicht das Interesse von den Protagonisten ablenkt.
Das dürfte noch mehr für die Figur von Gary D'Snake gelten, die als der neue Gegner von Judy & Nick eingeführt wird, bis sich dann eine ganz andere Perspektive ergibt …
Der Film wird weitgehend aus der Perspektive der beiden Protagonisten Judy und Nick erzählt, denn es ist ihr Abenteuer und ihr Zusammenwachsen als Partner, das im Zentrum steht. Aber es gibt in der Tat einige Szenen, in denen die Erzählung die beiden verlässt.
Warum gerade eine Schlange? Gab es Alternativen?
Soweit ich mich erinnere, gab es die nicht. Wir hatten immer die Absicht, in diesem Film Reptilien hinzuzufügen. Darüber haben mein Co-Regisseur Byron Howard und ich schon während des ersten Films gesprochen. Beim ersten Film ging es zentral aber um die Unterschiede zwischen Raubtieren und Beute. Diese Unterscheidung ist bei Reptilien allerdings nicht so eindeutig wie im Bereich der Säugetiere. Wenn es in der Welt von »Zoomania« also Reptilien gibt, warum sieht man die dann nicht im ersten Film? Diese Frage sollte »Zoomania 2« beantworten. Das verknüpfte sich mit der Frage, welche Art von Tieren ruft bei Säugetieren die größte Nervosität hervor? Das hat mit der Spannung zu tun, die ein wichtiges erzählerisches Mittel ist.
Sie sprachen davon, dass diese Schlange hier in einem Disney-Film erstmals in CGI umgesetzt wurde …
Das betrifft die Schlange als Hauptfigur – in »Encanto« hatten wir schon eine Schlange als Nebenfigur. Wir waren uns im Klaren darüber, dass die Schlange hier in der Tradition klassischer Disney-Schlangen stehen musste (denken Sie nur an »Das Dschungelbuch«). Da die Schlange sich hier in einem dreidimensionalen Raum bewegt, benötigten wir Techniken, die es zuvor nicht gab – aber der Charme klassischer Figuren sollte natürlich erhalten bleiben.
Die Darstellung von Schlangen ist eine spezielle Herausforderung?
Ja. Historisch gesehen gibt es Herausforderungen bei der Darstellung von Haaren, von Wasser und von Seilen – und eine Schlange ist prinzipiell ein Seil. Sie hat keine Augenbrauen – wie bekommen wir da die Emotionen in ihren Gesichtsausdruck? …
Sie erwähnten, dass das Setting viele andere Geschichten bereithält. Das schlug sich bereits in der Serie »Zoomania+« nieder, die bei dem Streamingdienst Disney+ zu sehen ist. Da wurden in sechs Kurzfilmen, in jeweils fünf Minuten, Nebenfiguren in den Mittelpunkt gestellt.
Ja, das war ein Begleitstück zum ersten Kinofilm, wofür wir auf dessen Settings zurückgreifen konnten, wir erzählten etwa, wie die Spitzmaus-Mafia-Familie zu dem wurde, was sie im Film ist, also eine backstory, aber keine Geschichten, die die Zukunft vorwegnahmen. Das sollte dem neuen Kinofilm vorbehalten bleiben.
Die tagline des ersten Films lautete »Anybody can be anything« …
Das war ein zweischneidiges Schwert. Judy ist eine ziemlich optimistische Figur, manchmal geradezu naiv, am Ende ist sie damit erfolgreich, tut sich aber immer noch schwer mit ihrem Partner Nick (so wie der auch mit ihr). Auch »Zoomania 2« handelt von den Unterschieden zwischen den beiden, die hier erneut für Missverständnisse sorgen. Aber am Ende lernen die beiden (und die Zuschauer), dass eine Zusammenarbeit auf jeden Fall der bessere Weg ist.
Der Teaser für den Film ist äußerst funky, stellt die große Feier und den Auftritt der Sängerin Gazelle (gesungen von Shakira) in den Mittelpunkt. Hatten Sie keine Befürchtungen, damit Teile des möglichen Publikums zu verprellen, das sich eher an Szenen wie die mit dem unendlich langsamen Faultier erfreut hat?
Byron Howard und ich wollten damit in die Welt von »Zoomania« hineinführen ohne auf Dialoge zurückzugreifen. Wenn Sie sich den Teaser in Kenntnis des Films noch einmal anschauen, werden Sie feststellen, dass er eigentlich schon den ganzen Film erzählt. Wir wollten hier einfach Spaß haben.
Es gibt im Film eine Reihe von Dialogen, wie »Ich nehme, was sie hat« (der »Harry & Sally« zitiert) oder »Küss meinen Ring« (den wir aus nicht nur einem Mafia-Film kennen). Überlegen Sie dabei jedes Mal, ob manche Anspielungen nicht zu entlegen sind oder sagen Sie sich, es soll für jeden etwas dabei sein, für die nur gelegentlichen Kinogänger ebenso wie für die eingefleischten Cineasten?
Definitiv das Letztere! Es soll für jeden etwas dabei sein, genauso gibt es auch Anspielungen, die nur Kinder verstehen werden. Im Endeffekt sollen sich alle Zuschauer gut unterhalten.
Mr. Bush, Sie waren bei diesem Film Regisseur und Co-Autor, für »Zoomania+« haben Sie einen Song beigesteuert – und Sie sind gleichzeitig der Chef von Disney Animation. Das war auch schon bei Ihrer Vorgängerin Jennifer Lee so, die sich dann von dieser Position zurückzog, um sich ganz auf das Filmemachen, vor allem die kommenden Filme aus dem »Frozen«-Franchise, zu konzentrieren. Ist das eine Besonderheit von Disney?
Ja, das ist wohl schon eine Besonderheit von Disney – bei Pixar ist es allerdings ebenso. Die beiden Tätigkeiten sind sich aber ähnlich: als COO übersehe ich alle Filme, als Regisseur muss ich aber ebenso den Überblick über alle 700 Mitarbeiter meines Films behalten, muss mit allen kommunizieren, was oft auch Zuhören bedeutet. Ich schätze diese Arbeit, bei der das Ziel immer ist, dass der nächste Film unseren eigenen hohen Ansprüchen genügt.
Und wie kriegen Sie das unter einen Hut? Arbeiten Sie im Studio tageweise in der einen bzw. anderen Position?
Das wäre vielleicht eine gesündere Arbeitsweise (lacht) – nein, mir macht das Multitasken Spaß. Höchstens in einer intensiven Phase des Drehbuchschreibens ziehe ich mich mal komplett von meiner COO-Tätigkeit zurück. Den Überblick zu behalten, auf die Arbeiten von Kollegen schauen, ist oft hilfreich für die eigene Arbeit.





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