Kritik zu Linoleum – Das All und all das

© Camino Filmverleih

2022
Original-Titel: 
Linoelum
Filmstart in Deutschland: 
15.02.2024
K: 
L: 
101 Min
FSK: 
12

Bloß ein Mann in der Midlife-Krise – oder ist hier der ganze Kosmos aus dem ­Gleichgewicht? Indie-Filmer Colin West verbindet Fantastisches und Allzumenschliches zu einer melancholischen Sci-Fi-Komödie

Bewertung: 3
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Edwin (gespielt von US-Komiker Jim Gaffigan) radelt durch das kleine Örtchen Fairview Heights. Die Bilder sind sonnendurchflutet, Kleinstadtidylle, wie sie im Buche steht. Bis plötzlich ein roter Sportwagen vom Himmel kracht. Darin, scheinbar leblos, ein Typ, der, in Edwins Worten, wie die jüngere, attraktivere Version seiner selbst aussieht. Das Ganze ereignet sich in den ersten Minuten von »Linoleum – Das All und all das«, kurz nachdem Edwin einen Brief an die NASA in den Briefkasten geworfen hat. 

Es gebe zwei Arten von Menschen, erklärt er später seiner Tochter: Astronomen und Astronauten. Für Edwin selbst hat sich der Traum der Raumfahrt nicht erfüllt. Der um die 50 Jahre alte Wissenschaftler moderiert die urige Kinder-Wissenschaftssendung »Above & Beyond«, die allerdings im Mitternachtsprogramm vor sich hindümpelt. Seine Frau Erin (»Better Call Saul«-Star Rhea Seehorn), ehemals sein Sidekick in der Sendung, will die Scheidung, und Tochter Nora (Katelyn Nacon) ist schwer am Pubertieren. 

Der US-Regisseur Colin West macht in seinem Independent-Film eine spleenige Welt auf, irgendwo zwischen »Donnie Darko«-Vibes und Spielberg. Auf den ersten Blick entwirft er das tragikomische Porträt eines Mannes in der Midlife-Crisis. Oder was geht hier wirklich vor sich? »Fantastisch« ist eins der sich wiederholenden, motivischen Wörter des Films. Fantastisch wirken die Ereignisse allemal, verstärkt noch durch mit verträumter Musik unterlegte Montagen.

Edwins Doppelgänger Kent (ebenfalls Gaffigan), der ausgerechnet in das Haus gegenüber zieht, soll dessen Sendung übernehmen. Nora vergisst ihre lesbische Ader, als sie mit Kents Sohn Marc (Gabriel Rush) anbändelt. Und Edwin beginnt mit kindlichem Eifer, aus den Teilen einer in seinem Garten abgestürzten Raumkapsel in seiner Garage eine Rakete zu bauen. Später steht mehrfach eine ältere Frau in weißen Gewändern im Garten und beobachtet den Wissenschaftler.

»Linoleum« verwebt Mystery-Elemente, ein zartes Coming of Age samt erster Liebe und Familiengeschichte zu einem eigensinnigen Film über verschiedene Lebensstadien und das Verhältnis von Traum und Wirklichkeit, Emotionen und Wissenschaft. Das Universum sei faktisch, es habe keine Emotionen oder Gefühle, sagt ein Psychologe ­(Tony Shalhoub). Nur: Um welches Universum geht es hier?

West streut Spuren zu einer Kosmologie des Lebens. Eine verrückte Tante spricht vom hawaiianischen Ohana, laut dem alles miteinander verbunden sei. »So einfach ist das nicht«, lautet ein weiterer Satz, der mantraartig wiederholt wird. Und in der Tat: Einfach oder banal ist das Thema, das der Film vor sich herträgt, ohne zu viel zu verraten, nicht. 

Mit seinem finalen Twist, auf den hier alles zusteuert, wirkt der kleine sympathische Film fast schon aus der Zeit gefallen. Und auch wenn »Linoleum« zwischendurch in seinem Andeutungsdschungel etwas die Luft ausgeht: Man müsste schon ein schwarzes Loch sein, ihn nicht emotional angefasst zu verlassen.

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