Interview: Osgood Perkins über »Keeper«
Osgood Perkins am Set von »Keeper« (2025). © Neon
Mr. Perkins, nach »Keeper«, »Longlegs« und »The Monkey« ist dies nun schon Ihr dritter Film in anderthalb Jahren. Was hat es mit diesem enormen Arbeitstempo auf sich?
Die Arbeit an »Longlegs« brachte mich mit einigen Leuten zusammen, bei denen ich sofort merkte: das passt. Die wurden auf Anhieb zu meiner neuen Kreativ-Familie und ich wusste, dass ich mit dieser Truppe noch eine ganze Reihe weiterer Filme drehen möchte. Also machten wir uns danach sofort an die Arbeit zu »The Monkey«, doch damit mussten wir aufhören, als die Streiks der Drehbuch- und Schauspiel-Gewerkschaften alles lahmlegten. Aber ich hatte wirklich keine Lust auf Stillstand und wir waren als Team gerade so richtig gut eingegroovt. Also fand ich für eine neue kleine Idee, die ich hatte, den kanadischen Autor Nick Lepard, der nicht in der Gewerkschaft war. Während der das Drehbuch zu »Keeper« schrieb, suchten wir anderen nach Locations und einem Ensemble, das ebenfalls nicht von den Streiks betroffen war. Wir hatten eigentlich kein Geld und auch nicht viel Zeit, aber manchmal ist das beim Filmemachen ja besonders hilfreich. Während des kurzen Drehs zu »Keeper« gingen die Streiks zu Ende, weswegen wir direkt danach endlich »The Monkey« umsetzen konnten. Und als der dann fertig war und wir dank des überraschenden Erfolgs von »Longlegs« ein bisschen Selbstvertrauen und Geld hatten, wandten wir uns schließlich dem Feinschliff von »Keeper« zu.
Innerhalb von ein paar Monaten einen Film auf die Beine stellen und drehen – das ist schon erstaunlich!
Aber gar nicht so schwer. Klar, wenn man sich von morgens bis abends den Kopf zerbricht, ist alles schwierig und nichts möglich. Aber wenn man mit Offenheit und Leidenschaft ans Werk geht, kann doch eigentlich gar nichts schief gehen. Ich habe ja das Glück, nicht als Arzt in einem Krisengebiet tätig zu sein, sondern mir hauptberuflich Dinge auszudenken. Was ist also das Schlimmste, das passieren kann? Und klar, Geld ist immer ein Thema. Aber nur weil anfangs keines da ist, heißt das nicht, dass wir nicht später welches verdienen werden.
Was war denn die Idee, mit der die Geschichte von »Keeper« ihren Anfang nahm?
Im Grunde haben wir, aufgrund der beschränkten Möglichkeiten, die wir damals hatten, das Pferd von hinten aufgezäumt. Ohne Zeit und Geld war klar, dass der Film ein Horrorfilm werden muss, denn das lässt sich einfacher verkaufen als eine romantische Komödie oder ein Kostümfilm. Und genauso schnell stand dann fest, dass wir uns idealerweise auf eine Location und zwei Figuren beschränken sollten, damit wir nicht ständig ein großes Team von A nach B kutschieren müssen. Zwei Menschen in einem Haus also, und so war die letzte Frage eigentlich nur noch: in welcher Beziehung stehen die beiden zueinander?
Es geht nun um die Malerin Liz und den Arzt Malcolm, die seit einem Jahr ein Paar sind. Sie selbst haben »Keeper« neulich als »Beziehungs-Horror« beschrieben.
Das trifft es einfach gut, finde ich, denn es ging mir darum, sich den Fragen zu stellen, die einen in einer noch recht jungen Beziehung umtreiben. Wer ist diese andere Person eigentlich? Und wer bin ich in dieser Partnerschaft? Mag ich mein Gegenüber überhaupt? Liebesbeziehungen werden im Horror-Genre vergleichsweise selten unter die Lupe genommen; die sind eher Futter für Thriller wie »Basic Instinct«. Aber ich wollte einen echten Monster-Film drehen, in dem das Monster die Verletzbarkeit innerhalb einer Beziehung ist.
Man könnte aber auch sagen, dass der Film von toxischer Männlichkeit erzählt, oder?
Definitiv. Männer sind ja, bei Licht betrachtet, in der Regel ziemliche Arschlöcher. Ausnahmen bestätigen die Regel. Oder sagen wir es ein bisschen weniger pauschal: wir alle sind dazu fähig, ziemlich rücksichtslos von unserer Männlichkeit zu profitieren – und das Patriarchat hat es gerade uns weißen cis Männern immer ziemlich leicht gemacht, das gnadenlos auszunutzen. Weswegen wir die längste Zeit unsere Privilegien auch nie hinterfragt haben. Aber vielerorts beginnt ja nun eine Auflösung des Patriarchats und ich finde es ist höchste Zeit, dass wir da ehrlich mit uns ins Gericht gehen, warum das dringend nötig ist. Doch es gibt eben auch noch Männer wie Malcolm, die noch nicht verstanden haben, was da falsch gelaufen ist.
Im Zentrum steht allerdings Liz, gespielt von Tatiana Maslany. Wie kam die mit an Bord?
Ich war nicht wirklich vertraut mit ihrer Arbeit, weil ich ihre Serien wie »Orphan Black« oder »She-Hulk« nicht gesehen hatte. Aber ihr Ruf eilt ihr voraus und ich hatte sie natürlich als großartige Schauspielerin auf dem Schirm. Als einer meiner Produzenten sie vorschlug, war ich skeptisch, denn ich konnte mir nicht vorstellen, dass wir für ein Projekt wie »Keeper« jemanden ihres Kalibers gewinnen würden. Schließlich hatten wir nicht viel mehr vorzuweisen als eine Location und erste Seiten eines Drehbuchs, das parallel zu unserer Vorbereitung erst entstand. Als Tatiana und ich ein erstes Videotelefonat führten, konnte ich nur sagen: eigentlich weiß ich selbst noch nicht, was wir hier tun, aber ich habe ein gutes Gefühl bei der Sache. So ein Satz kann bei der falschen Person natürlich nach hinten losgehen. Aber bei der richtigen springt der Funke der leidenschaftlichen, kreativen Energie direkt über. In diesem Fall war’s ein Volltreffer und sie war sofort Feuer und Flamme.
Gena Rowlands in »Eine Frau unter Einfluss« war eine der Referenzen, die Sie ihr an die Hand gegeben haben, nicht wahr?
Ich habe es immer als meine Aufgabe verstanden, all den Künstlerinnen und Künstlern, die an meinen Filmen mitwirken, gewisse Referenzen vorzuschlagen. Das ist eine Art des Kuratierens, mit dem ich ihre Arbeit unterstützen will. Aber nicht im Sinne von: mach' bitte genau das gleiche, was Gena Rowlands in diesem Film gemacht hat. Mir ging es vielmehr darum, meine eigene Begeisterung für die Energie dieses Films und die Kraft dieser schauspielerischen Leistung, die ich gerade wieder aufs Neue für mich entdeckt hatte, zu teilen. Weil ich mir vorstellen kann, dass sich andere davon vielleicht anstecken lassen. Was jemand wie Tatiana dann allerdings daraus macht, wenn ich ihr »Eine Frau unter Einfluss« ans Herz lege, ist vollkommen ihr überlassen.
Auch »The Shining« und sogar »Seinfeld« haben Sie als Referenzen für »Keeper« erwähnt. Wie genau würden Sie den Einfluss beschreiben, den solche Werke auf Ihre Arbeit haben?
Puh, das ist größtenteils so diffus und unbewusst, dass sich das nicht ohne Weiteres beschreiben lässt. Im Grunde bin ich das, was William Burroughs als »The Soft Machine« bezeichnet hat: ein großer Prozessor, dessen Output umso besser ist, je besser er gefüttert wird. Ich gucke lieber gute Filme als Netflix-Serien, denn die mögen beruhigend sein, aber mich machen sie dumm. So wie mich Bier trinken dumm macht. Lesen dagegen macht mich klüger. Gedichte machen mich klüger. Bob Dylan zu hören oder ins Museum zu gehen ebenfalls. Mit all diesen Dingen füttere ich mein Hirn und merke wirklich, wie meine Kreativität dadurch angeregt wird. Es soll ja Leute geben, die sagen, dass man viel davon lernen kann, schlechte Filme zu gucken. Da widerspreche ich vehement! Niemals würde ich freiwillig einen schlechten Film gucken, wenn ich auch einen von Jean Cocteau sehen kann. Mein Kopf und meine Phantasie sind wie ein großer, langsam vor sich hin köchelnder Eintopf. Dem ohne Not schlechte Zutaten hinzuzufügen oder irgendetwas, das mir nicht schmeckt, wäre doch einfach doof.
Um bei der Analogie des Kochens zu bleiben: gut zu essen ist etwas, das man oft erst lernen muss. Aber Sie klingen nicht so, als hätten Sie je schlechten Geschmack gehabt …
Doch, den hatte ich sicherlich. Ich erinnere mich zum Beispiel an eine Zeit in meiner Jugend, in der mein Bruder und ich unsere Freunde bei Übernachtungspartys gerne mit richtig trashigen Horror-Filmen auf VHS geschockt haben. Außerdem habe ich natürlich auch viel Fernsehen geguckt. Aber als Spross einer sehr künstlerischen, intellektuellen Familie habe ich vermutlich auch früh gelernt, künstlerische Qualität zu entdecken. Und zu verstehen, dass »Die Simpsons« und »Twin Peaks« sich diesbezüglich vom Rest des Programms unterscheiden. Oder mich, wenn MTV in Dauerschleife lief, dafür zu interessieren, wer denn der Mann ist, der »Vogue« und die anderen spannenden Madonna-Videos inszeniert hat. David Fincher? Den Namen muss ich mir merken. Mit der Zeit habe ich einfach gelernt, auszufiltern, was mich inspiriert und was nicht.
Dieser Tage mündet Ihre Inspiration in der Regel in Horrorfilmen. Fühlen Sie sich dort besonders wohl? Oder liegt das tatsächlich vor allem daran, dass dieses Genre – wie Sie eingangs sagten – aktuell besonders gut verkäuflich ist?
Die Frage ist spannend, denn einerseits kenne ich durchaus den Wunsch, mich möglichst breit aufzustellen und Neues auszuprobieren. Ein Weihnachtsfilm? Ein Film über den Zweiten Weltkrieg? Ein futuristischer Western? Habe ich alles als erste Drehbuchentwürfe auf meinem Laptop. Aber andererseits drehe ich Filme nicht bloß zu meinem eigenen Vergnügen, sondern für ein Publikum. Dem will ich etwas bieten, das es auch sehen will. Wenn die Menschen mit dem Gang ins Kino deutlich machen, dass ihnen gefällt, was ich mache, dann empfinde ich das in gewisser Weise als Verpflichtung. Diesen Vertrag plötzlich aufzukündigen und ihnen ganz bewusst nicht zu geben, was sie wollen, wäre doch fast anmaßend, egoistisch und respektlos, oder? Ganz zu schweigen davon, dass mir nur ein Künstler einfällt, dem erfolgreich eine solche komplette Kehrtwende gelungen ist. Das ist Bob Dylan und mit dem wage ich mich nun wirklich nicht zu vergleichen. Von daher werde ich sicherlich erst einmal noch ein paar Horrorfilme drehen und sehen, wohin mich das führt.



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