Jens Balkenborg

Filmkritiken von Jens Balkenborg

Marta, die in Madrid mit Leo lebt, kommt ihrem Ex beim Sommerurlaub in der Heimat wieder näher. Der spanische Regisseur Diego Llorente erzählt sozialrealistisch und zugleich poetisch von einer Frau, die zwischen zwei Lebenswelten und Männern hin- und hergerissen ist.
In der brandenburgischen Provinz des Jahres 1997 gerät eine Nachwuchsjournalistin nach dem Tod der Oma an ehemalige KZ-Aufseherin. Sylke Enders erzählt davon, wie wichtig Kommunikation für die Aufarbeitung von Traumata ist. Nur geht die Spiegelung zwischen Generationen und Systemen wegen wenig authentischer Dialoge und fehlender künstlerischer Ideen leider nicht auf.
Die 12-jährige Sofia verbringt unfreiwillig die Sommerferien mit der Oma bei ihrer Großtante auf der kroatischen Insel Hvar. Radivoje Andrić erzählt eine education sentimentale, an deren Rand Traumata der Jugoslawienkriegen eine Rolle spielen. Ein liebevoll-überdrehter Sommerfilm über ein Mädchen in der Selbstfindungsphase und darüber, dass miteinander reden alte Wunden heilen kann.
2007 wurde die Studentin Reyhaneh Jabbari in Teheran wegen Mordes zum Tode verurteilt, nachdem sie den Täter beim Vergewaltigungsversuch erstach. Steffi Niederzoll rekonstruiert den Fall und den beispiellosen Kampf einer Mutter. Ein so furioser wie erschreckender Dokumentarfilm.
Am Genfersee trifft die 14-jährige Margaux auf das siebenjährige Heimkind Juliette und den Fischer Joël. Mit poetischem Naturalismus lässt sich Jenna Hasses Debüt empathisch auf seine junge Heldin ein und erzählt von einer zarten Education sentimentale.
In einem türkischen Provinzinternat, in dem begabte Kurden unterrichtet werden, kümmert sich Yusuf um seinen kranken, kaum ansprechbaren Freund Memo. In Ferit Karahans kühlem Drama wird die Bildungsinstitution zum Brennglas einer von starken Machtgefällen durchzogenen Gesellschaft.
Emad Aleebrahim Dehkordis entwirft das Porträt zweier unterschiedlicher, innig verbundener Brüder, die auf ihre je eigene Weise mit dem Tod der Mutter umgehen. Das Debüt erzählt von neureichen jungen Erwachsenen Teherans, von Drogen, Liebe und dem Umgang mit Trauer.
Valeria kommt, wie ihre Schwester Christina ein Jahr zuvor, aus der Ukraine nach Israel, um dort eine arrangierte Ehe einzugehen. Michal Viniks Film ist ein Ermächtigungskammerspiel der nervösen Blicke um die Frage: Freiheit oder (vermeintliche) Sicherheit?
Der Sohn der Ukrainerin Irina wird in der tschechischen Kleinstadt, in der die beiden einen Neuanfang wagen, zusammengeschlagen, wie er sagt. Michal Blaško arbeitet sich mit dokumentarisch blassen Bildern an aktuellen Themen ab: Rassismus, Fake News und politischer Instrumentalisierung von Täter-Opfer-Narrativen.
Ein Mädchen mit einem sehr feinen Riecher entdeckt in der Vergangenheit Wahrheiten über ihre Mutter. Léa Mysius' Film bleibt inhaltlich ambivalent und formal in der Schwebe: ein naturalistisches Mutter-Tochter-Drama, ein Zeitreisefilm und zugleich eine Versuchskonstellation zu Themen wie (traditioneller) Familie, lesbischer Liebe und Erinnerung.

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