Jens Balkenborg

Filmkritiken von Jens Balkenborg

Weil ihm wegen der Biber der eigene Apfelhof um die Ohren fliegt, versucht sich Jean Kayak als Jäger. Alberne Looney-Tunes- und Videospiel-Reminiszenzen, Stummfilm-Slapstick, Menschen in Ganzkörper-Tierkostümen: Mike Chesliks Film ist wagemutig und originell, das Konzept trägt sich aber nicht über Spielfilmlaufzeit.
Eine Schauspielerin wird in die Grundschule gerufen, weil ihr Sohn gegenüber einem Mitschüler sexuell übergriffig gewesen sein soll. Halfdan Ullmann Tøndels Regiedebüt beginnt als sozialrealistisches Kammerspiel mit expressionistischen Sprenkeln und kippt immer stärker ins Psychologische und Theatrale.
Ein generisches Höher-weiter-schneller-Sequel, das dank der schlagfertigen, taffen Heldin, einigen netten Ideen und den Schauwerten dennoch Spaß macht.
Zwischen exponiertem Paranoia-Modus und gewollter Theaterhaftigkeit schaukelt sich Jurijs Saules Film zu einem stilistisch subversiven und inhaltlich kontroversen Zwei-Personen-Kammerspiel hoch.
DDR 1989: Hannah will Profischwimmerin werden, währen ihre Freunde Andreas und Jens mit dem System anecken. Sarah Neumann verfilmt den gleichnamigen Jugendroman von Dorit Linke als teils ostalgisch gefärbten, klassich auserzählten Film voller Jugendbuch-Vibes, der von seinen Hauptdarstellern lebt.
Rund drei Jahre lang hat Dokumentarfilmerin Ruth Beckermann eine Wiener Grundschulklasse begleitet. Herausgekommen ist ein so differenzierter wie hoffnungsvoller Blick in eine diverse, durch eine engagierte Lehrerin zusammengeschweißte Schulklasse.
Der schwule Regisseur Joseph zieht mit seiner an Depressionen leidenden besten Freundin Sonya den gemeinsamen Sohn auf und arbeitet an seinem neuen Film. In seinem zweiten Film verfeinert Fabian Stumm seinen im deutschen Kino aktuell einzigartigen Freejazz der Tonalitäten, bei dem sich verspielt mediale Reflexion und ein Pingpong zwischen Kunst und Wirklichkeit die Klinke in die Hand geben.
Die Iranerin Narges versucht in Deutschland ihren zweiten Nachnamen »Shahid« loszuwerden, der übersetzt Märtyrer bedeutet. Narges Kalhors Mashup aus Dokumentar- und Spielfilm, Musical und Theater verhandelt tragikomisch Themen wie Zugehörigkeit, Identität und Integration und reflektiert das Filmemachen selbst. Ein experimentell in alle Richtungen flirrender, wagemutiger Film.
Mona nimmt die aus dem Süden des Sudans stammende Julia als Dienstmädchen bei sich auf, weil sie für den Tod ihres Mannes mitverantwortlich ist. Mohamed Kordofani erzählt eine sozialrealistische Parabel, in der sich das Politische des kulturell und religiös gespaltenen nordostafkrikanischen Landes im Privaten spiegelt.
Die 11-jährige Ama lebt illegal mit den aus dem Senegal geflohenen Eltern in Rotterdam. Als Mutter und Bruder verhaftet werden, macht sie sich, begleitet von einem riesigen Stachelschwein, auf die Suche nach ihrem Vater. Mit magischem Realismus erzählt Sander Burger kindergerecht und zugleich komplex von der Kraft von Mitmenschlichkeit und Empathie.

Weitere Inhalte zu Jens Balkenborg

Thema
Eine zärtlich-verrückte Beziehungs­geschichte unter den rauchenden Schloten des Kohlereviers . . . Vielleicht hätte Fassbinder so was machen können. Im aktuellen deutschen Kino wirkt »Alle die Du bist« wie ein kleines Juwel, funkelnd und einzigartig. Eine Begegnung mit dem Regisseur und Autor Michael Fetter Nathansky und der Hauptdarstellerin Aenne Schwarz.
Blogeintrag
Auf der Berlinale ist Renate Reinsve in größeren Nebenrollen in gleich zwei Filmen im Wettbewerb zu sehen, zwei sehr unterschiedlichen Filmen: in Aaron Schimbergs grotesker Komödie »A Different Man« und in Piero Messinas Science-Fiction-Drama »Another End«.
Blogeintrag
Dass es in der Küche heiß hergeht und dass sie ein Ort sein kann, an dem sich ganze persönliche Geschichten manifestieren, an dem sie ausgefochten werden und explodieren, dafür steht die Serie »The Bear« wie keine zweite. Für alle, die die mit Preisen überhäufte Serie gesehen haben, muss Alonso Ruizpalacios' Wettbewerbsfilm »La Cocina« schal schmecken.
Blogeintrag
Bis zur Berlinale 2023 tummelten sich deutsche Nachwuchsfilme in der Sektion Perspektive deutsches Kino. Die Perspektive ist (leider) Geschichte, aber immerhin sind in diesem Jahr einige junge deutsche Regisseure in anderen Sektionen vertreten. In der Sektion Berlinale Special etwa ist Tilman Singers zweiter Langspielfilm »Cuckoo« zu sehen.
Thema
In den nuller Jahren war Yorgos Lanthimos Teil ­einer neuen Welle im griechischen Kino. Seit »The Favourite« ist er Anwärter auf die ganz ­großen Preise. Gebändigt hat ihn der Erfolg nicht, wie seine grelle Romanadaption »Poor Things« zeigt.
Meldung
Der dritte Tag auf dem Lido stand, zumindest was die Filmtiteln anging, im Zeichen der Musik. An diesem Tag feierten Bradley Coopers Leonard Bernstein-Biopic »Maestro« – ja, hier ging es auch um Musik – und Stefano Sollimas »Adagio« Premiere.
Meldung
Yorgos Lanthimos hat es wieder getan: Er hat einen so lustigen wie verstörend-schönen Film gemacht, in dem er an den Fassaden unseres Zusammenlebens kratzt. »Poor Things« ist der künstlerisch ambitionierteste und bisher preisverdächtigste Film im Wettbewerb. 
Meldung
Wes Anderson hat in einem Interview über seinen Kurzfilm »The wonderful Story of Henry Sugar« gesagt, dass es sich dabei nicht wirklich um einen Film handele. Das ist eine witzige Polemik mit Wahrheitsgehalt, denn seine bald bei Netflix erscheinende Roald-Dahl-Adaption, die zweite nach »Fantastic Mr. Fox«, ist die konzentrierte Überhöhung seines Stils: verschachtelt in verschiedene Erzählebenen, meta durch und durch und dabei mehr ein filmisches Theaterstück im Tableaux-Modus denn ein narrativer Film.
Meldung
»Melk« hieß mein Einstieg, ein kleiner Debütfilm, der durch das Feingefühl für sein Thema überzeugt. Präsentiert wurde der Film in der eigenständigen Reihe Giornate degli autori, dem venezianischen Äquivalent zur Quinzaine des Réalisateurs in Cannes.
Thema
Für seine erfrischend schrägen Drehbücher wird Martin McDonagh regelmäßig mit Preisen überhäuft: »Brügge sehen . . . und sterben?«, »Three Billboards Outside Ebbing, Missouri«. Das ist kein Wunder, denn der Mann hatte bereits eine erfolgreiche Theaterkarriere am Laufen, bevor er Filmemacher wurde.