Kritik zu Der Zopf

© Capelight Pictures

Laetitia Colombani spinnt ein in ­Episoden erzähltes Netz zwischen drei Frauenschicksalen auf drei ­verschiedenen Kontinenten

Bewertung: 2
Leserbewertung
0
Noch keine Bewertungen vorhanden

Alles hängt miteinander zusammen, wir Menschen sind eine von Machtgefällen durchzogene Schicksalsgemeinschaft – stärker denn je noch durch die Globalisierung. Auch das Kino erzählt gerne davon, wie sich Ursache und Wirkung gleich jenes berühmten Schmetterlingsflügelschlags interkontinental bedingen, Alejandro González Iñárritu etwa in seinem Episodendrama »Babel«.

Episodisch erzählt auch Laetitia Colombani ihr Drama »Der Zopf« und spinnt ein Netz zwischen drei Frauen auf drei Kontinenten. In Indien leidet Smita (Mia Maelzer) unter dem Alltag als »Unberührbare«. Sie lebt mit ihrem Mann und der Tochter zusammen und reinigt die La­trinen der Dorfbewohner. »Unberührbare gehen nicht zur Schule, das weißt du«, sagt ihr Mann, doch die Frau träumt von einem besseren Leben für die Tochter und flieht mit ihr. In Italien muss Literaturliebhaberin Giulia (Fotinì Peluso) die verschuldete Perückenwerkstatt des geliebten Vaters übernehmen, als der im Koma landet. Am anderen Ende der Welt wiederum, in Kanada, meistert die renommierte Anwältin Sarah (Kim Raver) den Alltag mit den drei Kindern und sieht der langersehnten Beförderung zur Partnerin entgegen, bis sie eine Brustkrebserkrankung aus der Bahn wirft.

Die Skepsis, dass Autorin Colombani ihren gleichnamigen Bestsellerroman gleich noch selbst verfilmt, bestätigt sich leider recht zügig, denn: Was in der Grundkon­stellation vielversprechend klingt, entpuppt sich als weltumspannende Soap-Opera mit einem Hang zur aufgesetzten großen Geste. Die sonnendurchfluteten Bilder vor allem aus Italien und Kanada atmen Werbefilmästhetik, und der so gefühlige wie penetrante Score von Ludovico Einaudi tut sein Übriges. Einzig die Ereignisse in Indien überzeugen erzählerisch weitestgehend.

»Der Zopf« will uns im Melodrama-Modus mitfühlen machen mit den so unterschiedlichen Frauen, die alle in ihren eigenen Welten stark und zugleich auf Solidarität angewiesen sind. Nur bleiben sie recht eindimensional, wie auch die Kalenderspruch-Botschaften, die der Film aneinanderreiht. In seiner Heimat heiße es, sagt jemand einmal, wo ein Wille sei, sei ein Weg: eine bedeutungsschwangere Trivialität, die exemplarisch ist für den Film. Zum Schreien auch die plumpe Szene, in der das Schicksal der Anwältin mit einem Schulreferat über Amazonen zusammenmontiert wird, jenen Kämpferinnen, die, so eine grausame Mär, ihren Mädchen die rechte Brust abgeschnitten haben sollen, um besser mit Pfeil und Bogen umgehen zu können.  

»Der Zopf« ist ein pseudofeministischer Versuch, über Haare, die alles, im übertragenden wie im direkten Sinne, miteinander verbinden, von Solidarität und Empowerment zu erzählen. Da der Film zu keiner Sekunde eine Haltung zu dem den Bildern eingeschriebenen kapitalistischen Gefälle formuliert, weder im produktiven noch im subversiven Sinne, erscheint das letzte Bild arg verunglückt: Die Ärmsten geben ihre Haare, damit die Erste Welt in den Spiegel schauen kann. Das will uns »Der Zopf«, kein Scherz, tatsächlich als Happy End verkaufen.

Meinung zum Thema

Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns

Mit dieser Frage versuchen wir sicherzustellen, dass kein Computer dieses Formular abschickt