Gerhard Midding

Gerhard Midding ist freier Autor für Tageszeitungen (Berliner Zeitung, Die Welt), Zeitschriften (epd Film, filmbulletin) sowie Radio-(rbb Kulturradio) und Fernsehsender (3sat). 

Filmkritiken von Gerhard Midding

Pietro Marcello verlegt die Handlung von Jack Londons Roman vom San Francisco um 1900 in das Neapel des 20. Jahrhunderts. Er zeichnet das Porträt eines fiebrigen Autodidakten, der ungeahnten Erfolg als Schriftsteller feiert und spät entdeckt, dass ihm seine Ideale abhandengekommen sind. Zugleich gelingt ihm eine faszinierend eigensinnige, historisch wie stilistisch schillernde Zeitchronik
Die Geschichte eines geglückten Coming-out und einer verheerenden Enttäuschung klingt wie ein idealer Stoff für François Ozon: eine luftige Sommerromanze im Gewand eines Film noir. Leider fehlt dem Film dessen sonst üblicher Elan für Manipulation und Täuschung
Auf einem fernen Planeten sind Kolonisten einem Phänomen namens »Noise« ausgesetzt, das sämtliche Gedanken hörbar werden lässt. Doug Liman mischt unterschiedliche Motive (Xenophobie, toxische Männlichkeit) zu einem dystopischen Cocktail, der in den Hauptrollen mit einem gewinnenden Gespann (Tom Holland, Daisy Ridley) aufwarten kann
Lee Daniels interpretiert die Biografie der 1959 im Alter von nur 44 Jahren verstorbenen Jazzsängerin neu: Er stellt sie als ein Opfer politischer Verfolgung dar. Sein Film schwelgt im dekorativen Glanz der Nachkriegszeit und dessen rassistischen Vorurteilen, während Hauptdarstellerin Andra Day der Titelrolle atemraubendes Charisma verleiht
Vier befreundete Lehrer brechen aus dem gewohnten Trott aus, indem sie ihre Trinkfestigkeit bei einem pseudowissenschaftlichen Experiment überprüfen. Mit einem Mal bekommt ihr Leben neuen Schwung. Zwischen Euphorie und motorischen Einschränkungen hält Thomas Vinterbergs dramatische Komödie ein mulmiges Gleichgewicht: Kann man den Rausch feiern, ohne ihn zu entschuldigen?
Eigentlich sollte aus der Ausgangsidee ein Krimi werden, aber dann schwenkten Drehbuch und Regie zur Komödie hinüber, dem dominanten Exportgut des französischen Kinos. Michel Blanc als mürrischer Arzt im Bereitschaftsdienst und der Newcomer Hakim Jemili als Fahrradkurier wachsen in einer Weihnachtsnacht zu einem munteren Gespann zusammen, das diverse Notfälle (auch in eigener Sache) behandelt
Ein amerikanischer Independentfilm ohne gesellschaftliche Brisanz oder aktuell gewichtiges Thema, und dennoch ein kleines, schüchternes Bravourstück. Andrew Ahn inszeniert die Begegnung einer alleinerziehenden Mutter und ihrem Sohn mit einem Korea-Veteranen (Brian Dennehy in einer seiner letzten großen Charakterrollen) als eine Ballade über Freundschaft, Familie und Vermächtnis: intelligent, diskret und wohltemperiert
In vier lose miteinander verbundenen Episoden dekliniert Mohhamad Rasulof (»Manuscripts Dont Burn, »A Man of Integrity«) das Tabuthema der Todesstrafe in seiner iranischen Heimat durch. Nicht Verurteilte, sondern Vollstrecker stehen im Mittelpunkt. Ihre ethischen Konflikte verhandelt der Drehbuchautor und Regisseur schillernd und nuancenreich
Robert Clift, der Neffe des Schauspielers, dekonstruiert die Legende seines selbstzerstörerischen Lebens. Der Film gibt dem Hollywoodstar das Leuchten zurück, das er auf der Leinwand haben konnte, verschließt sich aber nicht der Wehmut, die darin lag
1975, ein Jahr vor Beginn der Militärdiktatur erlebt die argentinische Gesellschaft bereits das Vorspiel kommender Massaker. Der ein Jahrzehnt danach geborene Regisseur Benjamin Naishtat erschließt sich diese Epoche schwelender Bedrohung und massiver Repression nach allen Regeln des Paranoiakinos. Er liefert keine Geschichtslektion, sondern eine schillernde Parabel auf Anpassung und Straflosigkeit

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Jean-Pierre Darroussin war lange der geborene Ensembleschauspieler, ein absolut zuverlässiger Nebendarsteller – bis man seine würdevolle Unscheinbarkeit auch für Hauptrollen entdeckte.