Jens Balkenborg

Festival heißt: Jeden Tag hinein in den Tunnel, Filme weg bingen und wenig von der Außenwelt mitbekommen. Bei den vielen, vielen unterschiedlichen Filmen freut man sich vor allem über Szenen, die sich einbrennen. Denn diese bilden schließlich, zusammengehalten durch eine geistige Montage, den ganz persönlichen Festivalrückblick.

Ulrich Sonnenschein

Das wirklich feministische Kino fasziniert beide Geschlechter. In ihrem Film »Never rarely sometimes always« erzählt die Amerikanerin Eliza Hittman von zwei jungen Mädchen, die aus dem ländlichen Pennsylvania nach New York aufbrechen, um mit einer ungewollten Schwangerschaft zurechtzukommen, von der die konservative Familie nichts erfahren darf. Völlig unaufgeregt, ohne je moralisch Position zu beziehen, treibt Hittman die Handlung voran, in der der Zuschauer nie weiß, was folgen wird und doch nicht überrascht ist, wenn der Film auf sein Ende zugeht.

Gerhard Midding

Wenn man es recht bedenkt, erzählen Philippe Garrel und Matteo Garrone dieselbe Geschichte. In »Le sel des larmes« (Das Salz der Tränen) und »Pinocchio« schaut ein alter Schreiner zu, wie sein Sohn die Welt entdeckt. Zwei Romanzen, die von der Furcht handeln, einander abhanden zu kommen.

Jens Balkenborg

Da wird es auch im Kinosaal kalt! Meterhoher Schnee, der Wind pfeift, die Huskys jaulen. Und die unwirtliche Berglandschaft ist markant und zerfurcht wie das Gesicht von Willem Dafoe. Der ist so etwas wie Abel Ferraras Muse und Alter Ego, ihr letzter gemeinsamer Film, »Tommaso und der Tanz der Geister«, läuft gerade in den Kinos. Auch in Ferraras Wettbewerbsbeitrag spielt er den Mann, um den alles kreist, genauer: in den der Film eintaucht.

Harald Mühlbeyer

»Bardelys the Magnificent« ist in Mantel- und Degen-Stummfilm, den King Vidor zunächst als Komödie der Pikanterien inszeniert, inklusive witziger Zwischentitel: Bardelys the Magnificent ist ein Charmebolzen am Hofe des Königs von Frankreich im 17. Jahrhundert, der die Hofdamen reihenweise verführt und als Andenken eine Locke seines Haares hinterlässt – man sieht seine Diener diese Locken von einer Perücke schneiden und im Akkord in Medaillons verpacken. Das ist rasant und lustig, doch dann bewegt sich der Film doch immer mehr in Richtung Drama. 

Ulrich Sonnenschein

Vielleicht erinnert man sich noch an »Mammuth«, die schräge Komödie von Benoît Delépine und Gustave Kervern, die vor 10 Jahren hier im Wettbewerb lief? Gérard Depardieu reitet da auf einer Münch Mammut durch Frankreich, um Arbeitsbescheinigungen seiner ehemaligen Arbeitgeber für die Rente einzusammeln. Der Film ist voller schräger Begegnungen und absurden Gestalten, aber immer mit großer Sympathie für die Figuren.

Jens Balkenborg

Philippe Garrels »Le sel des larmes« verspricht so vieles. In betörender Schönheit knistern die Schwarz-Weiß-Bilder von Kameramann Renato Berta über die Leinwand, auch inhaltlich flirtet der Film mit dem klassischen französischen Erzählkino. Die junge Liebe in Paris, Spaziergänge durch die Straßen, verheißungsvolle Blicke. Ein Hauch Nouvelle Vague. 

Harald Mühlbeyer

Eine hervorragende Gelegenheit, Kirk Douglas zu feiern! Er strotzt vor Charisma und rauem Charme in diesem Western, in dem Douglas als Cowboy Dempsey erstmal als Hobo unterm Güterwaggon zu sehen ist. Raubeinig geht er mit »Kid« Jeff um, den er hier trifft, ein Jüngelchen, ein Möchtegern-Cowboy, den Demps unter seine Fittiche nimmt. 

Sabine Horst

Der Berlinale-Wettbewerb, heißt es im Programm, zeige nicht nur die besten Filme eines Jahrgangs, sondern auch die, über die man spricht, »die oft hitzige Diskussionen anregen«. Nach den ersten Tagen muss man sagen: Das hat noch nicht so ganz hingehauen. Ausgerechnet die Hauptsektion des Festivals wirkt merkwürdig gedämpft, fast etwas anämisch – hoffentlich wird es sich nicht rächen, dass Carlo Chatrian, der neue künstlerische Leiter des Festivals, die formal experimentelleren Arbeiten in eine eigene Abteilung, die »Encounters«, ausgelagert hat.

Silvia Hallensleben

Kleines erfreuliches Erlebnis in epd-eigener Sache. Gestern Abend kam ich beim Mantel anziehen mit der jungen Frau ins Gespräch, die im unwirtlichen Vorraum zum Filmhaus am Potsdamer Platz tapfer einen Werbestand für epd-Film betreut. Als Autorin finde ich es sowieso gut, dass für das Heft geworben wird. Besonders schön aber, dass sie ganz im Gegenteil zu den aggressiv-aufdringlichen Werbern, die einem vor deutschen Bahnhöfen die Sympathie für eigentlich unterstützenswerte NGOs wie »Amnesty« oder »Greenpeace« austreiben können, ist sie keine für die Aktion angeheuerte Söldnerin ist.

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