07/2018

In diesem Heft

Tipp

Auch in der zweiten Staffel der Serie »Glow« gelingt die Gratwanderung, die das Spektakel des Frauenwrestlings feiert, ohne die Protagonistinnen aufs Parodistische zu reduzieren
19. bis 22. Juli, Ludwigsburg – Das Festival für Natur und Umwelt lädt seit 2002 zur filmischen Auseinandersetzung mit der Welt als Ökosystem. Ein internationaler Wettbewerb mit Preisen in neun Kategorien ist Herzstück der Veranstaltung. Seit einigen Jahren gibt es zudem kostenlose Open-Air-Veranstaltungen, die mit einem Rahmenprogramm rund um Nachhaltigkeit die Programmatik des Festivals über die Leinwand hinaustragen
18. bis 22. Juli, Marburg – Als Institution für den unabhängigen Kurzfilm hat sich das OpenEyes etabliert. Ehrenamtlich organisiert, erfasst das Programm alle Genres. Die 25. Ausgabe findet erneut im Garten des Café Trauma statt, und das Garagenkino bietet wieder die Möglichkeit, Filme spontan vorzuführen
18. bis 22. Juli, Stuttgart – Auf Basis der Städtepartnerschaft Stuttgart – Mumbai gründete sich das Festival 2004. Seither stellt es das indische Filmschaffen in seiner Breite aus, von Bollywood und anderen großen Filmregionen bis hin zu Indie- und dokumentarischem Kino. Mit ausgiebigem Rahmenprogramm versteht sich das Festival auch als Ort des Kulturaustauschs
6. bis 14. Juli, Neuchâtel – Auf dem Schweizer Festival laufen nur Filme, die die Grenze zur Wirklichkeit überschreiten. Von Low-Budget-Arthouse bis zum Mainstreamkino wird dabei ein breites Spektrum abgedeckt. Ein besonderer Fokus liegt auf dem asiatischen Kino, dessen Genrewerke in einem eigenen Wettbewerb Beachtung finden. Gäste sind hier unter anderen Kubrick-Produzent Jan Harlan und Regisseur David Cronenberg
4. bis 14. Juli, Berlin – Das Zeughauskino in Berlin widmet sich in einer Werkschau mit neun Filmen dem Schaffen des Regisseurs Peter Goedel. Eröffnet wird die Reihe mit dem Film »Das Treibhaus«, der 1988 für den Deutschen Filmpreis nominiert war und auf einem Roman von Wolfgang Koeppen basiert. Kurator Peter Nau gibt dazu das Buch »Das unbekannte Meisterwerk – Die Filme von Peter Goedel« heraus
29. Juni bis 7. Juli, Karlovy Vary – Die etablierte Größe im Festivalzirkus pflegt ihren osteuropäischen Schwerpunkt. Unter den zehn Welt- und zwei internationalen Premieren im Spielfilm-Wettbewerb ist etwa Radu Judes mit Deutschland koproduzierter neuer Film »I Do Not Care If We Go Down in History as Barbarians«
28. Juni bis 7. Juli, München – Das größte deutsche Filmfestival nach der Berlinale kommt mit stattlichem Programm daher. Gewürdigt werden Lucrecia Martel, Philip Gröning und Terry Gilliam; das Open Air »Faust aufs Auge« zeigt Boxerfilme von »Wie ein wilder Stier« bis »Creed«. Auch das Kinderfilmfestival ist wieder Teil der Veranstaltung
26. Juni bis 5. Juli, Berlin – Zum 24. Mal wirft das Festival ein Schlaglicht auf den jüdischen und israelischen Film in Deutschland. Das Programm deckt ein breites Spektrum ab: von der neuvertonten Restaurierung des deutschen Stummfilms »Das alte Gesetz« über eine Hommage an Hedy Lamarr hin zum zeitgenössischen Dokumentarfilm »The Last Laugh«, in dem internationale Comedy-Größen darüber sinnieren, ob man über Hitler lachen darf
am Di., 17.07. in Frankfurt am Main – epd-Film-Autor Ulrich Sonnenschein spricht mit der Regisseurin Lisa Miller über ihren Film »Landrauschen«
Mit seinem Langfilm-Debüt gelingt dem iranischen Regisseur Alireza Khatami eine meditativ-poetische Reise durch das Labyrinth der Erinnerung, die durch ihre überraschenden visuellen Assoziationen beeindruckt

Thema

Alles muss auf dem Bildschirm eines Computers zu sehen sein im Desktop-Film. Eignet sich gut für Horror, aber auch für medienkritische Reflexionen
In »Nico, 1988« spielt Trine Dyrholm die Velvet-Underground-Sängerin in ihren späten Jahren. Was fasziniert an den Geschichten der Popstars? Der Musikkritiker Jürgen Ziemer hat sich Musiker-Biopics vor allem der letzten Jahre angeschaut
Mit Gangsterserien und dem Thriller »Suburra« hat der Italiener Stefano Sollima sich als Spezialist für die Analyse prekärer Gesellschaften etabliert. Kein Wunder, dass man ihn für »Sicario 2« verpflichtet hat
In seiner Heimat Israel ist er bereits Legende: Lior Ashkenazi hat lange die schwierigen, sich vom Einfluss der Väter befreien wollenden Söhne gespielt. In »Foxtrot« schlüpft er nun in die Rolle des Vaters
Unsere "steile These" des Monats Juli

Meldung

Mehr als hundert Filme zeigte das 18. japanische Filmfestival Nippon Connection in Frankfurt. Besonders interessant: die vielen Jugenddramen, die kompakt das Gefühl wachsenden Unbehagens inmitten des popkulturellen japanischen Glamours vermittelten

Filmkritik

Als ein altes kubanisches Paar eine Videokamera entdeckt und erotische Filmchen dreht, erwacht ihr Leben und ihre Liebe – trotz bitterster Armut. Regisseur Jhonny Hendrix Hinestroza schafft mit »Candelaria« ein kleines Filmjuwel voller Leichtigkeit und Traurigkeit
Nicht nur im Vergleich mit Franklin J. Schaffners Film aus dem Jahr 1973 fällt das Urteil über Michael Noers Neuverfilmung von Henri Charrières Roman »Papillon« zwiespältig aus. Selbst Charlie Hunnams und Rami Maleks eindringliche und komplexe Porträts zweier gegensätzlicher Strafgefangener können auf Dauer nicht über Noers allzu vordergründige Inszenierung hinwegtäuschen
Kleiner, improvisierter Film, der das Genre Heimatfilm neu belebt und politisch unterfüttert. Vielleicht nimmt er sich zwischen Homosexualität, kirchlicher Intoleranz und Flüchtlingsproblematik etwas zu viel vor: »Landrauschen«
Mit einer höchst eigenwilligen Mischung aus Tragik und Absurdität erzählt Lucrecia Martel von einem Kolonialbeamten in der argentinischen Provinz, der seit Jahren auf seine Versetzung wartet. »Zama« ist eine vielschichtige, rätselhaft-faszinierende Reflexion über Kolonialismus und Identität
303
Eine Reise in einem alten Wohnmobil quer durch Europa wird unter der Regie von Hans Weingartner zur schönsten deutschen Kinoromanze der letzten Jahre: »303«
Die sechsjährige Frida zieht nach dem Tod ihrer Mutter zu dem Onkel und seiner Familie aufs Land. Carla Simón erzählt in ihrem Langfilmdebüt »Fridas Sommer« ohne falsche Sentimentalitäten von einem zaghaften Neuanfang und porträtiert einfühlsam eine Familie im emotionalen Ausnahmezustand
An Spaniens Kinokassen traf Javier Fessers Komödie »Wir sind Champions« über den überheblichen Basketballcoach Marco, der einen bunten Trupp geistig Behinderter trainieren soll, offenbar einen Nerv. Die flotte Hymne auf Außenseiter mit unverhofften Talenten transportiert eine unkomplizierte Botschaft von Würde und Gemeinschaftssinn (nicht von ungefähr nennt sich die Mannschaft »Amigos«) und findet sogar Raum für Zwischentöne
Die schreckliche Nachricht vom Tod des Sohnes rührt an die Traumata der Familie Feldmann und bringt Verdrängtes ans Licht. Ein Vorgang, den der Filmemacher dazu nutzt, das Thema ins Generelle zu öffnen und sein Heimatland Israel in seiner ganzen Verwundbarkeit zu zeigen: »Foxtrot«
Die Komödie um einen skeptischen Realisten, der sich mit einem Priester anlegt, trifft die Stimmungslage des modernen Menschen zwischen Kontrollwahn und Ohnmachtsgefühl punktgenau: »Um Gottes Willen«
Ein 17-jähriger Blogger gerät durch eine Kurzschlusshandlung immer tiefer in Probleme und überlässt sein Schicksal schließlich dem Willen seiner Follower. Thematisch interessant, stilistisch ausgefeilt und von Jonas Dassler in der Hauptrolle stark gespielt, enttäuscht leider die Plot-Konstruktion von »LOMO: The Language of Many Others«
Der Mittelteil von Alejandro Jodorowskys autobiografischer Filmtrilogie ist ein verspielt unverschämtes Meisterwerk, das seine eigene Unkonventionalität feiert: »Endless Poetry«
Stephen Nomura Schible porträtiert den Komponisten Ryuichi Sakamoto, der mit seinen Soundtracks zu »Der letzte Kaiser«, »Himmel über der Wüste« und »The Revenant« Filmgeschichte geschrieben hat. Sein Film »Ryuichi Sakamoto: Coda« ist allerdings keine klassische Künstlerdokumentation, sondern ein kontemplatives Essay voller Poesie
Um zuerst eine hübsche Krankenpflegerin und dann ihre querschnittsgelähmte Schwester zu verführen, gibt ein erfolggewohnter Schürzenjäger vor, an den Rollstuhl gefesselt zu sein. Als Autor, Regisseur und Hauptdarsteller bemüht sich Franck Dubosc mit boulevardeskem Elan aus dieser heiklen Prämisse barrierefreien Humor zu schöpfen: »Liebe bringt alles ins Rollen«
Was ist vom schwedischen Regisseur geblieben? Margarethe von Trotta spürt in ihrer Doku »Auf der Suche nach Ingmar Bergman« mit Interviews u.a. mit Liv Ullmann und Ruben Östlund seiner Wirkung nach
Start: 18.7.: Ein atmosphärisches Psychogramm der Sängerin Nico, basierend auf ihren beiden letzten Lebensjahren vor ihrem Tod 1988: Trine Dyrholm, die Nicos Songs kongenial vertont, dekonstruiert und bekräftigt zugleich den Mythos der Underground-Ikone: »Nico, 1988«
Inspiriert von Édouard Louis' Roman »Das Ende von Eddy« erzählt Anne Fontaine in »Marvin« eine bewegende queere Comig-of-Age-Geschichte. Ihr sensibles Porträt der Verwandlung eines schwulen Arbeiterkindes aus der Provinz in einen aufstrebenden Pariser Schauspieler feiert zugleich die Kunst als Macht, die tatsächlich die Welt verändern kann
In der Verfilmung der realen Geschichte einer Frau, die sich Ende des 19. Jahrhunderts für die Rechte der Indianer einsetzte, wird die visuelle Pracht des klassischen Westerns durch einen sehr modernen Blick auf Frauenfeindlichkeit und Rassismus ausgehöhlt: »Die Frau, die vorausgeht«
Mit seinem Langfilm-Debüt »Los Versos del Olvido« gelingt dem iranischen Regisseur Alireza Khatami eine meditativ-poetische Reise durch das Labyrinth der Erinnerung, die durch ihre überraschenden visuellen Assoziationen beeindruckt
Filmemacherin Lisa Immordino Vreeland setzt dem schillernden Ausnahmekünstler Sir Cecil Beaton mit ihrer kurzweiligen Doku »Love, Cecil« ein Denkmal, das vor allem von dessen Persönlichkeit und seinen Werken lebt
Nacherzählung der wahren Geschichte eines Paares, dessen Boot auf hoher See in einen Hurrikan gerät und kentert. »Die Farbe des Horizonts« ist ein visuell ansprechendes, aber ultra-kitschiges »Boat Movie«
Die im Geist des Techno nachempfundene Neuauflage des Stummfilmklassikers »Berlin: Die Sinfonie der Großstadt« funktioniert dank seines Soundtracks: »Symphony of Now«
Ein Rabbi, ein Priester und ein falscher Imam raufen sich in der Komödie »Ein Lied in Gottes Ohr« über religiöse Toleranz stellvertretend für ihre Gläubigen zusammen: trotz gewagter Pointen eine halbgare Witzelei, in der vor allem parodistische Musikdemos für Erheiterung sorgen
Sehr deutsche Jugendkomödie zur Zeugnisvergabe mit überschaubarer Plotkonstruktion, lahmen Fantasy-Elementen und stereotypisiertem Figurenarsenal
Greg Barlanti gelingt es, im amerikanischen Mainstream-Kino aus einem schwulen Coming-out mal kein Drama zu machen, sondern eine romantische Komödie
Der Dokumentarfilm »Global Family« von Melanie Andernach und Andreas Köhler gibt dem heiß debattierten Thema Familienzusammenführung ein lebendiges Gesicht, geht in seinen Fragen aber weit über solche Aktualität hinaus
Devid Striesow und Aglaia Szyskowitz setzen Glanzlichter in dem Beziehungsfilm »Die Wunderübung«, der aber aufgrund der boulevardesken Vorlage von Daniel Glattauer nur anfangs überzeugt
»Ocean's 8« legt die populäre Heist-Movie-Reihe mit einem weiblichen Star-Cast neu auf und folgt dabei einer durchaus klatschblattfreundlichen Dramaturgie von Crime und Glamour, »Rise and Shine«, die einerseits mit femininen Stereotypen arbeitet und dabei andererseits das Konzept weiblicher Rollenmodelle ironisiert
Das Regie- und Kamerateam Renninger und Frölke lädt willige Zuschauer zum Spaziergang in ein Reich, dass jeder Verwertungslogik so beharrlich trotzt wie ihr Film auch. Der oft missbrauchte Begriff filmischer Poesie kommt hier endlich einmal zu Recht
Der fünfte »Jurassic Park«-Film setzt die Geschichte seines Vorgängers drei Jahre später fort, als ein bevorstehender Vulkanausbruch die auf der verlassenen Insel des einstigen Freizeitparks noch lebenden Saurier zu vernichten droht. Die eingeleitete Rettungsaktion erweist sich jedoch als Mittel für profitorientierte Machenschaften. Mit einer wenig originellen Geschichte, klischeehaften menschlichen Figuren und ohne sonderliche Intensität ist der neue Film eine herbe Enttäuschung

Film

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