Kritik zu Papillon

© Constantin Film

Der Däne Michael Noer verfilmt Henri Charrières berühmten Strafkolonie-Roman neu – mit Charlie Hunnam und Rami Malek in den Rollen von Steve McQueen und Dustin Hoffman

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»Hier werden wir alle zu Tieren«, entgegnet Papillon (Charlie Hunnam) einmal seinem Mithäftling und Freund Louis Dega (Rami Malek), als der einen der anderen Gefangenen als Tier bezeichnet. Menschlichkeit ist in der Strafkolonie St. Laurent in Französisch-Guayana ein Luxus, den sich die Sträflinge kaum leisten können. An diesem gottverlassenen Ort, an dem nichts als Gewalt und Repressionen herrschen, sind Freundschaften erst einmal nur Zweckbündnisse und Gefühle ein Ausdruck von Schwäche. Diese Verrohung ist Teil des Strafsystems in St. Laurent. Resozialisierung ist in diesem Arbeitslager nicht vorgesehen. Die Gefangenen sind Menschenmaterial, mit dem die Kolonialmacht Frankreich ihren Einfluss ausbauen will. Wer nicht funktioniert, wird gebrochen oder getötet.

Auch den Safeknacker Papillon, der wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt worden ist, und den Fälscher Dega verbinden erst einmal nur gemeinsame Interessen. Der von allen nur als Schwächling wahrgenommene Dega muss schon auf der Überfahrt nach Südamerika erkennen, dass er allein kaum eine Überlebenschance hat. Papillon wiederum lässt sich des Geldes wegen auf Dega ein, weil er Mittel für seine Fluchtpläne benötigt. Erst nach und nach erkennen beide, dass sie einander aus ganz anderen Gründen brauchen. Das Band, das zwischen ihnen entsteht, bindet sie zugleich an ihre Menschlichkeit. Wenn die beiden entgegen Papillons eingangs zitierter Überzeugung selbst noch nicht zu Tieren geworden sind, dann nur aufgrund ihrer Freundschaft.

Regisseur Michael Noer betont diesen Aspekt von Henri Charrières autobiografischem Roman Papillon weitaus stärker als Franklin J. Schaffner in seiner Verfilmung von 1973. So kann er sich von dem übermächtigen Vorbild lösen und zugleich seinen beiden Hauptdarstellern Räume öffnen, die Steve McQueen und Dustin Hoffman versperrt waren. Charlie Hunnam, der Papillon, der diesen Sohn eines Lehrerehepaars nicht nur als Mann der Tat porträtiert, und Rami Malek, dessen Louis Dega auch eine extrem dunkle Seite hat, unterlaufen die klassischen Klischees des Gefängnisfilms wie auch des Abenteuer-Genres. In ihren Szenen erreicht »Papillon« eine Dichte, die fast schon etwas Bühnenhaftes hat. Wie Papillon und Dega fortwährend mit sich selbst ringen, ist überaus eindrucksvoll. Vor allem die Szene, in der Maleks Fälscher den ständigen Kampf mit sich selbst verliert und für Momente doch zum Tier wird, brennt sich ein. Plötzlich wird einem bewusst, was Schaffner und Hoffman damals alles ausgeblendet haben.

Allerdings zahlt Michael Noer für seinen existenzialistischen Ansatz auch einen Preis. Seine Adaption kann atmosphärisch nicht mit Schaffners Film mithalten. Während man im alten »Papillon« die schwüle Hitze Französisch-Guayanas regelrecht zu spüren scheint, lassen einen Noers Dschungelszenen eher kalt. Noer will die Teufelsinsel als Ort existenzieller Verzweiflung in Szene setzen, an dem irgendwann jeder wahnsinnig wird, aber er verliert sich oft in pittoresken Details, die den Zuschauer eher irritieren als erschrecken.

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