Patrick Heidmann

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Filmkritiken von Patrick Heidmann

Clint Eastwood macht aus dem Stoff um einen schuldigen Juror einen Film, der eher altmodisch daherkommt, aber interessante Fragen zu Schuld, Gewissen und US-Justizsystem aufwirft und von seinem hochkarätigen Ensemble profitiert.
Aaron Schimbergs ideenreiche Parabel um einen Mann mit Gesichtswucherungen vor und nach seiner Heilung lädt auf faszinierende Weise zum Reflektieren über Identität, Schönheit und Selbstverleugnung ein. Besonders sehenswert sind dabei Sebastian Stan in der Hauptrolle und Adam Pearson sowie Renate Reinsve an seiner Seite.
Nach mehr als 20 Jahren Ehe ist den Leroys die Liebe abhandengekommen, zumindest sieht das Sandrine so und will die Trennung. Gatte Christophe allerdings wittert noch eine Chance und drängt auf einen letzten gemeinsamen Wochenendausflug mitsamt der beiden Teenager-Kinder, um vielleicht doch noch etwas zu retten. Trotz gelegentlicher Slapstick-Einlagen macht Regisseur Florent Bernard aus seinem ersten Film dabei keine plumpe Albernheit, sondern eine charmante Tragikomödie mit Roadmovie-Einschlag, die durch Charlotte Gainsbourgs Spiel ebenso glänzt wie den wahrhaftigen Blick auf das angenehm unspektakuläre Ende einer einstmals glücklichen Beziehung.
Mit Schusswaffe und Elektromobil macht Thelma sich auf eigene Faust daran, die 10 000 Dollar zurückzuholen, um die sie beim »Enkeltrick« am Telefon betrogen wurde. Regiedebütant Josh Margolin macht dabei seine Titelheldin nicht nur zur ungewöhnlichsten Actionheldin des Jahres, sondern beschert der 94-jährigen June Squibb (oscarnominiert für »Nebraska«) auch ihre erste Hauptrolle überhaupt.
Das britische Regieduo Ian Bonhôte und Peter Ettedgui nähert sich Reeve mit huldvollem Respekt und der klassischen Mischung aus Archivmaterial und Talking Heads. Reeves filmisches Schaffen tritt dabei gegenüber seinem Unfall samt Querschnittslähmung als Narrativ deutlich in den Hintergrund. Doch gerade durch die Beteiligung seiner drei Kinder wird »Super/Man – The Christopher Reeve Story« zu einem bewegenden und nie banalen Film.
An schauspielerischer Kraft und Präsenz hat Russell Crowe bis heute nichts eingebüßt. Adam Coopers Thriller über einen Ex-Cop mit Alzheimer, der noch mal einen alten Fall aufrollt, ist aber leider ein unterdurchschnittlicher Thriller mit Noir-Elementen, der im Kino eigentlich nichts verloren hat.
Inspiriert von seiner eigenen Jugend erzählt der taiwanesisch-stämmige Amerikaner Sean Wang mit »Dìdi« aus dem Leben eines 13-jährigen, das gleichzeitig ziemlich gewöhnlich und dann doch wieder sehr besonders ist. Unaufgeregt, wahrhaftig und gefühlvoll lässt der Regisseur und Drehbuchautor nicht nur die Nullerjahre wieder auferstehen, sondern inszeniert auch ein sehenswertes Ensemble rund um den jungen Izaac Wang (»Good Boys«) und »Twin Peaks«-Ikone Joan Chen. In Sundance gab es dafür gleich mehrere Preise, und dass Wang in Hollywood eine große Zukunft hat, scheint ausgemachte Sache.
Zwischen den historischen Ereignissen der Mondmission von 1969, der urbanen Legende, dass sie nur im Studio stattgefunden hat, und reichlich 60er Jahre-Romcom-Flair mit zwei charismatischen Stars bringt »To the Moon« reichlich Potential mit. Am Ende gelingt die Landung nicht ganz: Greg Berlantis Komödie ist zwar nette Unterhaltung, aber nie so gut, wie sie hätte sein können.
2022 feierte »Am I OK?« Premiere in Sundance und fand einen Verleih, jetzt erst kommt der Film in die Kinos. Das Warten hat sich immerhin gelohnt: die von Komikerin Tig Notaro und Ehefrau Stephanie Allynne inszenierte Geschichte über zwei beste Freundinnen, von denen eine ihr spätes Coming Out erlebt, ist derart witzig und charmant geschrieben und von Dakota Johnson und Sonoya Mizuno so authentisch und hinreißend gespielt, dass man sich daran kaum sattsehen kann.
Allzu viel mit der als Vorlage dienenden 80er Serie »Ein Colt für alle Fälle« hat der neue Film von David Leitch nicht zu tun. Aus der Idee vom Stuntman, der nebenbei einen Kriminalfall aufzuklären hat, macht er temporeiche Actionkomödie, die mit Ryan Gosling und Emily Blunt die perfekten Hauptdarsteller*innen hat. Ein bisschen mehr Lässigkeit statt kalkulierter Coolness und vor allem noch mehr Gags über die Filmbranche hätten es durchaus sein dürfen. Aber mehr Spaß als die meisten anderen alle Zielgruppen abdeckenden Mainstream-Großproduktionen der letzten Zeit macht »The Fall Guy« allemal.

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Mit der Serie »Mad Men« gelang ihm 2007 der große Durchbruch. Sieben Staffeln lang spielte Hamm den Werbe- und Lebemann Don Draper, wofür er mit dem Emmy und dem Golden Globe ausgezeichnet wurde. Nach Nebenrollen in Filmen wie »The Town«, »Baby Driver« oder »Top Gun: Maverick« konzentriert sich der 54-Jährige zuletzt wieder mehr auf Serien und trat in »The Morning Show«, »Fargo« und »Landman« als Charakterdarsteller auf. In »Your Friends and Neighbors« spielt er einen Hedgefondsmanager, der beginnt, seine Nachbarn auszurauben.
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Scheitern auf hohem Niveau: In »Your Friends and Neighbors« spielt Jon Hamm zum ersten Mal seit »Mad Men« wieder eine Serienhauptrolle.
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Aus der Vorbildfunktion der legendären »Golden Girls« macht die neue Sitcom »Mid-Century Modern« kein Geheimnis. An sie heranzukommen, hat diese erste Staffel trotz starker Besetzung noch etwas Mühe.
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Bodenhaftung und kluger Witz zeichnen Himesh Patel aus. Als Schauspieler mit südasiatischer Herkunft hatte er es allerdings nicht immer leicht in der Filmbranche.
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Seth Rogen hat mit »The Studio« zusammen mit Evan Goldberg für AppleTV+ eine Serie kreiert, die sich einmal mehr satirisch mit Hollywood auseinandersetzt. Er konnte dafür derart viele Stars zu Cameos überreden, dass die Serie zum selbstironischen Gagfeuerwerk wird.
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Nach seinem erfolgreichen »Summer of Soul« macht sich Questlove an die nächste Musikdoku: In »Sly Lives! (aka The Burden of Black Genius)« geht es um mehr als nur den Musiker Sly Stone.
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Mit »Apple Cider Vinegar« adaptiert Netflix eine weitere seinerzeit für Schlagzeilen sorgende Geschichte einer Scammerin: Die Australierin Belle Gibson hatte jahrelang behauptet, ihren Gehirntumor selbst geheilt zu haben.
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Die Karriere von Colman Domingo hat noch einmal Fahrt aufgenommen: mit großen wie ambitionierten Produktionen, die seine vielseitigen Talente zur Geltung bringen.
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Das Sundance Festival ist zu groß geworden für Park City. Von den Filmen konnte man das in diesem Jahr nicht sagen: der amerikanische Spielfilm, die fiktionale Sparte, zeigte ­Schwächesymptome.
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In »The Gorge« spielen Miles Teller und Anya Taylor-Joy zwei Scharfschützen, die an gegenüberliegenden Enden eine Schlucht bewachen – es könnte auch alles eine Metapher sein.