Patrick Heidmann

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Filmkritiken von Patrick Heidmann

Ausgehend von Koffi, der dem Kongo zugunsten von Belgien den Rücken kehrte, weil seine Familie ihn für verflucht hielt, erzählt Ex-Rapper Baloji in seinem Regiedebüt vier Geschichten von Identität im Spannungsfeld von Tradition und Moderne. Entstanden ist ein Film, der narrativ viel wagt und stilistisch ungemein ambitioniert ist.
Statt Erkenntnisse über Geschlechterverhältnisse in der Post-MeToo-Welt zu bieten, verschwendet der Film das Charisma von Hauptdarstellerin Jenna Ortega zwischen zahnloser Satire und unfreiwillig komischem Erotikthriller.
Stimmungsvoll, effektiv und anrührend gerät Regisseur Leiv Igor Devold die Geschichte über einen jungen Polen, der zum Geldverdienen nach Norwegen kommt und dort zu seiner Homosexualität stehen lernt, auch dank überzeugender Darsteller- und Kameraleistungen.
In der Jugendliteratur boomen Geschichten über queere Teenager schon seit längerem, nun schwappen sie auch zusehends auf Leinwände und Bildschirme. Diese in den 1980ern angesiedelte Romanverfilmung von Aitch Alberto setzt längst nicht so sehr auf Feelgood-Utopie wie »Heartstopper«, erweist sich aber trotzdem als charmant und rührend. Weswegen man ihr auch nachsieht, dass Inszenierung, Schnitt und Drehbuch in nicht wenigen Szenen ein wenig unbeholfen oder schlicht wirken.
Ein verheirateter Mann verliebt sich in eine Transfrau – aus dieser Prämisse macht der pakistanische Regisseur Saim Sadiq nicht nur einen berührenden Beziehungsfilm, sondern auch ein komplexes Familiendrama und ein facettenreiches Porträt der muslimisch geprägten Gesellschaft seiner Heimatstadt Lahore. Ein exzellent gespieltes und eindrucksvoll umgesetztes Regiedebüt, das von Identität, Begierde und Selbstfindung erzählt und nebenbei jede Menge bestehende Strukturen hinterfragt.
Halb SciFi-Action, halb (Anti-)Kriegsepos erzählt Gareth Edwards von Menschlichkeit im Konflikt zwischen humanoiden Robotern und ihren Schöpfern. Am Ende steht zu viel Kitsch im Raum, doch nicht zuletzt die Kameraarbeit sowie die Spezialeffekte machen aus spannender Unterhaltung hier ein echtes Kino-Erlebnis.
So wirklich gelungen war noch keiner von Kenneth Branaghs Auftritten als Meisterdetektive Hercule Poirot, und auch »A Haunting in Venice« kehrt diesen Trend nicht um. Dass er sich dieses Mal gegenüber der Vorlage einige Freiheiten herausnimmt, ist zwar begrüßenswert. Doch der Versuch, über Grusel-Atmosphäre mit Mystery-Einschlag zusätzliche Spannung zu gewinnen, gelingt nur höchst bedingt. Viel eigentlicher Agatha Christie-Charme bleibt da nicht übrig – und die hochkarätigen Nebendarsteller*innen haben einmal mehr zu wenig zu tun.
Ein typischer Kaurismäki – und trotzdem etwas ganz Besonderes. Ansa (Alma Pöysti) und Holappa (Jussi Vatanen), beide einsam, wortkarg und aus der Arbeiterklasse, lernen sich in einer Karaoke-Bar kennen und finden dann nur sehr zaghaft und über Umwege zueinander. Von den Figuren über den Humor bis hin zum unverwechselbaren Look ist alles am 20. Spielfilm des Finnen so, wie Fans es erwarten. Und doch begeistert »Fallende Blätter« nicht nur mit tragikomischem Charme und einem tollen Darsteller*innen-Duo in den Hauptrollen, sondern auch mit vielen kleinen Momenten unerwarteter Frische, die aufs Wundervollste beweisen, dass Kaurismäki noch längst nicht auf Altherren-Autopilot geschaltet hat.
Elegance Bratton erzählt von einem jungen Schwulen, der als Soldat bei der Marine hofft, seinem Alltag zwischen Obdachlosenheimen und einer homophoben Mutter zu entkommen. Dabei gelingt im ein bemerkenswert starkes und berührendes Debüt frei von Kitsch und Klischees.
Drei Geschwister, die als Erwachsene der Nähe nachspüren, die sie einst verband, stehen im Zentrum des neuen Films von US-Independent Regisseur Dustin Guy Defa, dessen Arbeit in Deutschland bislang noch kaum Wellen schlug. Hier gelingt ihm ein feines, kleines Familiendrama mit einer guten Portion verspielten Witzes, das nicht zuletzt davon lebt, wie überzeugend Michael Cera, Hannah Gross und Sophia Lillis nicht nur die geschwisterlichen Bande spürbar machen, sondern auch die Leerstellen des Drehbuchs mit Leben füllen.

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Mit »Landman« fügt Produzent Taylor Sheridan seinem »Seifenopern für echte Kerle«-Serienimperium einen weiteren Beitrag hinzu. Billy Bob Thornton spielt einen Mann mit vielen Verbindungen in der undurchsichtigen Ölindustrie.
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»The Day of the Jackal« adaptiert den bereits zwei Mal verfilmten Erfolgsroman von Frederick Forsyth noch einmal neu. Eddie Redmayne spielt den gesuchten Killer, der diesmal einen Techtitanen ins Visier nimmt.
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Regisseur Steve McQueen erzählt in »Blitz« die Geschichte einer Mutter und ihres Sohnes während der Angriffe der deutschen Luftwaffe 1940 auf London. Dabei verhebt er sich an der Vielzahl an Themen, die er unterbringen möchte.
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»Achtsam morden«: Tom Schilling brilliert als Anwalt am Rande des Nervenzusammenbruchs, der auf der Suche nach Ausgleich und Entspannung zum Mörder wird.
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Als spielte »Downton Abbey« im Jahr 1986: Die mit viel Witz und Zeitgeist inszenierte Serie »Rivals« nach Jilly Cooper kreist um Geld, Prestige und Sex.
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Donald Trump in »The Apprentice« zu spielen, hätte sich wohl nicht jeder getraut. Aber nach seiner Zeit als Marvel-Held hat Sebastian Stan immer wieder das Schräge und Abseitige gesucht.
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In »Wolfs« versuchen George Clooney und Brad Pitt, an den scheinbar mühelosen Charme und Erfolg der »Ocean's«-Filme anzuknüpfen.
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Die Nähe zum Theater wird im neuen Film des amerikanischen Independent-Regisseurs Azazel Jacobs zum Gewinn, besticht »Drei Töchter« doch damit, dass er drei großartigen Schauspielerinnen eine hervorragende Bühne bereitet.
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Die zweite Staffel von »Ringe der Macht« schließt direkt an die erste an: In Mittelerde sammeln Gut und Böse jeweils ihre Truppen.