Patrick Heidmann
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Filmkritiken von Patrick Heidmann
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Inspiriert von seiner eigenen Jugend erzählt der taiwanesisch-stämmige Amerikaner Sean Wang mit »Dìdi« aus dem Leben eines 13-jährigen, das gleichzeitig ziemlich gewöhnlich und dann doch wieder sehr besonders ist. Unaufgeregt, wahrhaftig und gefühlvoll lässt der Regisseur und Drehbuchautor nicht nur die Nullerjahre wieder auferstehen, sondern inszeniert auch ein sehenswertes Ensemble rund um den jungen Izaac Wang (»Good Boys«) und »Twin Peaks«-Ikone Joan Chen. In Sundance gab es dafür gleich mehrere Preise, und dass Wang in Hollywood eine große Zukunft hat, scheint ausgemachte Sache.
Zwischen den historischen Ereignissen der Mondmission von 1969, der urbanen Legende, dass sie nur im Studio stattgefunden hat, und reichlich 60er Jahre-Romcom-Flair mit zwei charismatischen Stars bringt »To the Moon« reichlich Potential mit. Am Ende gelingt die Landung nicht ganz: Greg Berlantis Komödie ist zwar nette Unterhaltung, aber nie so gut, wie sie hätte sein können.
2022 feierte »Am I OK?« Premiere in Sundance und fand einen Verleih, jetzt erst kommt der Film in die Kinos. Das Warten hat sich immerhin gelohnt: die von Komikerin Tig Notaro und Ehefrau Stephanie Allynne inszenierte Geschichte über zwei beste Freundinnen, von denen eine ihr spätes Coming Out erlebt, ist derart witzig und charmant geschrieben und von Dakota Johnson und Sonoya Mizuno so authentisch und hinreißend gespielt, dass man sich daran kaum sattsehen kann.
Allzu viel mit der als Vorlage dienenden 80er Serie »Ein Colt für alle Fälle« hat der neue Film von David Leitch nicht zu tun. Aus der Idee vom Stuntman, der nebenbei einen Kriminalfall aufzuklären hat, macht er temporeiche Actionkomödie, die mit Ryan Gosling und Emily Blunt die perfekten Hauptdarsteller*innen hat. Ein bisschen mehr Lässigkeit statt kalkulierter Coolness und vor allem noch mehr Gags über die Filmbranche hätten es durchaus sein dürfen. Aber mehr Spaß als die meisten anderen alle Zielgruppen abdeckenden Mainstream-Großproduktionen der letzten Zeit macht »The Fall Guy« allemal.
Mit einer romantischen Komödie meldet sich Meg Ryan zurück, dieses Mal nicht nur als Schauspielerin, sondern auch als Regisseurin und Ko-Autorin. Dem ihr bestens vertrauten Genre gewinnt sie mit dieser Geschichte über ein ehemaliges Paar, dass sich Jahrzehnte später an einem Flughafen wiederbegegnet, erfreulich reife und ernsthafte Momente ab. Mit dem großen Vorbild Nora Ephron kann sie dabei allerdings leider nie mithalten.
Ausgehend von Koffi, der dem Kongo zugunsten von Belgien den Rücken kehrte, weil seine Familie ihn für verflucht hielt, erzählt Ex-Rapper Baloji in seinem Regiedebüt vier Geschichten von Identität im Spannungsfeld von Tradition und Moderne. Entstanden ist ein Film, der narrativ viel wagt und stilistisch ungemein ambitioniert ist.
Statt Erkenntnisse über Geschlechterverhältnisse in der Post-MeToo-Welt zu bieten, verschwendet der Film das Charisma von Hauptdarstellerin Jenna Ortega zwischen zahnloser Satire und unfreiwillig komischem Erotikthriller.
Stimmungsvoll, effektiv und anrührend gerät Regisseur Leiv Igor Devold die Geschichte über einen jungen Polen, der zum Geldverdienen nach Norwegen kommt und dort zu seiner Homosexualität stehen lernt, auch dank überzeugender Darsteller- und Kameraleistungen.
In der Jugendliteratur boomen Geschichten über queere Teenager schon seit längerem, nun schwappen sie auch zusehends auf Leinwände und Bildschirme. Diese in den 1980ern angesiedelte Romanverfilmung von Aitch Alberto setzt längst nicht so sehr auf Feelgood-Utopie wie »Heartstopper«, erweist sich aber trotzdem als charmant und rührend. Weswegen man ihr auch nachsieht, dass Inszenierung, Schnitt und Drehbuch in nicht wenigen Szenen ein wenig unbeholfen oder schlicht wirken.
Ein verheirateter Mann verliebt sich in eine Transfrau – aus dieser Prämisse macht der pakistanische Regisseur Saim Sadiq nicht nur einen berührenden Beziehungsfilm, sondern auch ein komplexes Familiendrama und ein facettenreiches Porträt der muslimisch geprägten Gesellschaft seiner Heimatstadt Lahore. Ein exzellent gespieltes und eindrucksvoll umgesetztes Regiedebüt, das von Identität, Begierde und Selbstfindung erzählt und nebenbei jede Menge bestehende Strukturen hinterfragt.
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Tipp
In »Überkompensation« stolpert der überangepasste Collegestudent Benny durch die Turbulenzen des Campuslebens und natürlich immer wieder über die eigenen verdrängten Gefühle.
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Mit der Serie »Mad Men« gelang ihm 2007 der große Durchbruch. Sieben Staffeln lang spielte Hamm den Werbe- und Lebemann Don Draper, wofür er mit dem Emmy und dem Golden Globe ausgezeichnet wurde. Nach Nebenrollen in Filmen wie »The Town«, »Baby Driver« oder »Top Gun: Maverick« konzentriert sich der 54-Jährige zuletzt wieder mehr auf Serien und trat in »The Morning Show«, »Fargo« und »Landman« als Charakterdarsteller auf. In »Your Friends and Neighbors« spielt er einen Hedgefondsmanager, der beginnt, seine Nachbarn auszurauben.
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Scheitern auf hohem Niveau: In »Your Friends and Neighbors« spielt Jon Hamm zum ersten Mal seit »Mad Men« wieder eine Serienhauptrolle.
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Aus der Vorbildfunktion der legendären »Golden Girls« macht die neue Sitcom »Mid-Century Modern« kein Geheimnis. An sie heranzukommen, hat diese erste Staffel trotz starker Besetzung noch etwas Mühe.
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Bodenhaftung und kluger Witz zeichnen Himesh Patel aus. Als Schauspieler mit südasiatischer Herkunft hatte er es allerdings nicht immer leicht in der Filmbranche.
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Seth Rogen hat mit »The Studio« zusammen mit Evan Goldberg für AppleTV+ eine Serie kreiert, die sich einmal mehr satirisch mit Hollywood auseinandersetzt. Er konnte dafür derart viele Stars zu Cameos überreden, dass die Serie zum selbstironischen Gagfeuerwerk wird.
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Nach seinem erfolgreichen »Summer of Soul« macht sich Questlove an die nächste Musikdoku: In »Sly Lives! (aka The Burden of Black Genius)« geht es um mehr als nur den Musiker Sly Stone.
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Die Karriere von Colman Domingo hat noch einmal Fahrt aufgenommen: mit großen wie ambitionierten Produktionen, die seine vielseitigen Talente zur Geltung bringen.
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Mit »Apple Cider Vinegar« adaptiert Netflix eine weitere seinerzeit für Schlagzeilen sorgende Geschichte einer Scammerin: Die Australierin Belle Gibson hatte jahrelang behauptet, ihren Gehirntumor selbst geheilt zu haben.
Meldung
Das Sundance Festival ist zu groß geworden für Park City. Von den Filmen konnte man das in diesem Jahr nicht sagen: der amerikanische Spielfilm, die fiktionale Sparte, zeigte Schwächesymptome.



