Netflix: »Untamed«

»Untamed« (Miniserie, 2025). © Ricardo Hubbs/Netflix

© Ricardo Hubbs/Netflix

Stadtflucht

Ob es nun politische Gründe hat oder doch bloß ein Ausdruck des Wunschs nach Abwechslung ist: Schon seit einiger Zeit ist im US-amerikanischen Serienbetrieb eine gewisse Stadtflucht zu beobachten. Längst sind als Setting für Familiendramen oder Thriller nicht mehr nur die Metropolen oder Vorortsiedlungen das A und O, sondern geht es, von »Ozark« oder »Yellowstone« bis jüngst zu »The Waterfront«, hinaus in die Provinz und aufs Land. Und manchmal, wie nun in »Untamed«, auch in das, was Amerika noch in Sachen Wildnis zu bieten hat.

Kyle Turner (Eric Bana) ist als Special Agent des National Park Service bereits seit Jahren im kalifornischen Yosemite National Park im Einsatz. Der ist zwar dreimal kleiner als etwa Yellowstone, hat aber dank eindrucksvoller Granitfelsen, Wasserfälle und Mammutbäume längst UNESCO-Weltnaturerbe-Status erlangt. Als auf recht spektakuläre Weise die Leiche einer unbekannten jungen Frau gefunden wird, wird er mit der Aufklärung des Falls betraut und ahnt schnell, dass es sich nicht um den Unfall einer Touristin handelt.

Dass Turner, der bevorzugt zu Pferd unterwegs ist, nicht nur ein eher schweigsam-einsamer Wolf ist, sondern obendrein – genau wie Ex-Ehefrau Jill (Rosemarie DeWitt) – auch nach Jahren noch an einem persönlichen Trauma knabbert, macht ihn nicht gerade zu einem umgänglichen Ermittler, der sich an Regeln hält und als Teamplayer funktioniert. Was neben seinem Vorgesetzten (Sam Neill) nicht zuletzt die junge Kollegin Naya Vasquez (Lily Santiago) zu spüren bekommt. Die hat sich frisch aus Los Angeles versetzen lassen und ihrerseits private Sorgen mitgebracht. Doch es ist natürlich auch die Unwägbarkeit des riesigen Parks, die der Wahrheit hier immer wieder im Weg steht.

Angesichts der prächtigen Wildwestnatur und vor allem des wortkargen, kernig auftretenden Protagonisten wähnt man sich in »Untamed« anfangs kurz in Taylor-Sheridan-Gefilden. Vom Machismo des »Yellowstone«-Machers hält sich die Serie von Mark L. Smith (der in diesem Jahr schon hinter »American Primeval« steckte) und Tochter Elle Smith dann allerdings zum Glück doch größtenteils fern – und arbeitet stattdessen lieber die innere Gebrochenheit all ihrer Figuren heraus.

Die in Kanada statt tatsächlich im Yosemite National Park entstandenen Landschaftsaufnahmen machen einen Großteil des Reizes dieses Sechsteilers aus; auch das Ensemble um den zuletzt etwas aus dem Rampenlicht verschwundenen Bana hält einen bei der Stange. Beides kann allerdings genauso wenig wie die recht überschaubar gehaltene Laufzeit verhindern, dass zwischen allzu vielen erwartbaren Plot-Versatzstücken, jeder Menge Ermittlungs-Verästelungen sowie einer viel zu großen Zahl von Verdächtigen und möglichen Schlusspunkten das Drehbuch vor allem in der zweiten Serienhälfte einigermaßen überfrachtet wirkt.

OV-Trailer

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