Ulrich Sonnenschein

Kein Fim der diesjährigen Berlinale, und kaum einer überhaupt, hat so zwiespältige Reaktionen hervorgerufen, wie Eric Poppes Drama »Utøya 22. juli«. Darin bildet der norwegische Regisseur die Anschläge ab, die der rechtsextreme Terrorist Anders Breivik 2011 an Jugendlichen eines Camps der Arbeiterpartei verübte. Utoya ist eine kleine Insel in dem fünftgrößten Binnensee Norwegens und klingt vielleicht nur zufällig nach Utopie, nach einem anderen Leben.

Harald Mühlbeyer

Ein Kriegsfilm, der (fast) keinen Kampf zeigt. »Die andere Seite« will, laut Vorspann, nicht die Stimmung des Kriege, nicht die Romantik des Kämpfens zeigen, sondern Menschen, die sich aufrechterhalten wollen. Wir marschieren mit der Kompanie in die Gräben; für sechs Tage sollen die Soldaten ausharren. Eine Großoffensive des Feindes soll es geben. Man wartet. Raucht. Trinkt. Verdrängt. »Es gibt Grenzen dessen, was ein Mann aushalten kann!«, ruft der Hauptmann, er ist ein alter Kämpe, seit drei Jahren an der Front. Nerven zerrüttet, starker Trinker.

Harald Mühlbeyer

»Opium«: Zunächst einmal ein handelsüblicher Stummfilm mit melodramatischer Kolportagehandlung. Seifenoper pur, dargestellt in unglaublich expressiver Spielweise, die heute so leicht unfreiwillig komisch wirkt.

Film des Monats März »Lucky«

Lucky ist 90 Jahre alt, lebt in einem Wüstenkaff in Arizona und muss eines Tages feststellen, dass sein Körper ihm nicht mehr gehorcht – was allerdings kein Grund ist, seine tägliche Routine grundlegend zu ändern. Das Regiedebüt des Schauspielers John Carroll Lynch ist eine Liebeserklärung an Harry Dean Stanton, der im Herbst 2017 im Alter von 91 Jahren verstarb
Unsere "steile These" des Monats März

"Was tut sich?" mit Lars Kraume

am Mi., 21.03. in Frankfurt am Main – epd-Film-Autor Ulrich Sonnenschein spricht mit Lars Kraume über seinen Film »Das schweigende Klassenzimmer«
Ulrich Sonnenschein

Ich gebe es zu, ich bin ausgestiegen. Nach zweieinhalb Stunden, beim dritten La La La hat es mich quasi aus dem Kinosessel gehauen. Lav Diaz' philippinisches Bürgerkriegs-Musical »In Zeiten des Teufels« mag noch weitere 90 Minuten ohne mich weitergehen. Ich habe die Botschaft verstanden. Schließlich hat er sie ja in den ersten Minuten schon oft genug wiederholt.

Harald Mühlbeyer

Der Abgeordnete Traugott Bellmann hat zwei Gründe, nervös zu sein: Jungfernrede im Parlament, und davor Standesamt. Hochzeit klappt, auch wenn das vorherige Paar trödelt (was für ein Bild: Braut und Bräutigam recht stämmig, füllen den ganzen Türrahmen, durch den Bellmann hindurcheilen will. Und dann die Zeugen: Lang und dürr, aber genauso unüberwindlich). Die Rede im Hohen Haus: Manuskript verloren, er muss improvisieren. Und wettert in seiner Not gegen die Unmoral der Nachtlokale. Problem Nr. 1: Sein frischgebackener Herr Schwiegerpapa ist Sektfabrikant und verdient am Nachtleben.

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