Kritik zu Das Märchen der Märchen

© Concorde

»Unterhaltung für die Kleinen« lautet der Untertitel der Märchensammlung aus dem 17. Jahrhundert, aus der Matteo Garrone drei Episoden adaptiert hat. Nach heutigem Verständnis kaum kindgerecht, traumwandelt sein Film durch eine Welt zwischen Grauen und bizarrer Zärtlichkeit

Bewertung: 5
Leserbewertung
2.666665
2.7 (Stimmen: 3)

Drei Königreiche in unmittelbarer Nachbarschaft, drei Herrscherhäuser, die sich gegenseitig zu Hochzeiten und Beerdigungen besuchen und doch von ganz unterschiedlichen Schicksalen geprägt sind, eines wilder als das andere – von ihnen erzählt Matteo Garrone in seiner freien Adaption von neapolitanischen Märchen, die Giambattista Basile 1634/36 im »Pentamerone« veröffentlichte. Obwohl manches Motiv uns aus der Grimm’schen Tradition bekannt scheint, betreten wir im Märchen der Märchen eine Welt eigener Prägung, eine italienische Szenerie mit Burgen und Dörfern aus hellem Stein und Barockdekor, mit Geschichten belebt, die ungeahnte Wendungen nehmen.

Nach seinem Mafia-Drama »Gomorrha« und dem Identitätsspiel »Reality« macht Matteo Garrone mit dieser internationalen Koproduktion mit Starbesetzung, seinem ersten auf Englisch gedrehten Werk, einen weiten thematischen Sprung. Doch er bewältigt ihn mit derselben Tugend, die seine vorherigen Filme auszeichnete: Trotz aller magischen Ingredienzen erzählt er mit dem Blick des Realisten. So hält er erfrischende Distanz zu Hollywood-Fantasy und Disney-Nettigkeit. Der Tonfall ist unaufgeregt, beobachtend, bisweilen von einer sanften Entrücktheit, dann wieder rütteln groteske Bilder und tiefschwarzer Humor auf. Ein Happy End sollte man besser nicht erwarten.

Nicht nacheinander, sondern immer wieder alternierend entfaltet das Drehbuch die drei Geschichten, zwischen denen sich nur wenige Berührungspunkte ergeben. Ein Königspaar, das noch ohne Erben ist, lässt sich auf einen Fruchtbarkeitszauber ein: Das Herz eines Seeungeheuers soll von einer Jungfrau gekocht und dann von der Königin verspeist werden, sofortige Schwangerschaft garantiert. Doch nicht nur die Königin kommt nieder, sondern auch die jungfräuliche Magd. So wachsen weißhaarige Zwillinge von zwei verschiedenen Müttern heran. Der eifersüchtigen Königin ist deren enge Bindung jedoch ein Dorn im Auge, und sie vertreibt den Sohn der Magd, nicht ahnend, was sie damit heraufbeschwört. In der zweiten Geschichte vernachlässigt ein König seine Tochter, da er sich lieber einem talentierten Floh widmet, den er zunächst mit seinem Blut, dann, als dessen Appetit mit seinem Körper wächst, mit rohen Steaks nährt. Die Verheiratung seiner Tochter gerät dem desinteressierten Monarchen zum Desaster. Die verzweifelte Prinzessin vegetiert schließlich in der Höhle eines »Oger« dahin – der ist nicht sehr grün, nicht sehr sympathisch, weniger Shrek denn hünenhafter Menschenfresser. Doch das letzte Wort wird der Prinzessin gehören. Der dritte König, ein manischer Schürzenjäger, vernimmt eines Morgens in noch trunkenem Zustand lieblichen Gesang. Er setzt sich in den Kopf, die Frau mit der zauberhaften Stimme zu erobern, nicht ahnend, dass sie alt und hässlich ist. Sie gibt schließlich dem Werben des mächtigen Mannes nach, unter der Bedingung, ihn bei völliger Dunkelheit zu treffen. Es wird eine Liebesnacht mit weitreichenden Folgen für den König, die Frau und ihre Schwester. Einen Überfluss bizarrer Bilder bergen diese Geschichten, wunderbar fotografiert von David Cronenbergs Stammkameramann Peter Suschitzky und elegant verknüpft durch den ebenso farbenreichen Score von Alexandre Desplat. Eine Unterwasserlandschaft, in der in altertümlicher Tauchermontur König John C. Reilly ein schlafendes Seeungeheuer erlegt; die melancholische Königin Salma Hayek, die am riesigen roten Herzen des Monsters nagt; die Liebkosungen, die Toby Jones als verschrobener Herrscher seinem Floh angedeihen lässt, der zur Größe eines Schweins herangewachsen ist; magische Verwandlungen von alt zu jung und umgekehrt sowie eine archaische »Schönheitsoperation« oder das Sprudeln einer blutigen Quelle aus einer Baumwurzel – all das ist eindringlich in Szene gesetzt und wirkt doch kaum plakativ, die Extreme erwachsen ganz organisch aus dem Fluss der Erzählung. Klar und rätselhaft wie die Bilder in Träumen fügt sich ein Motiv zum anderen. Mühelos wirkt das nicht zuletzt durch die Konstruktion: Das Pendeln zwischen den in sich linear gehaltenen Märchen suggeriert die Gleichzeitigkeit höchst wunderlicher Ereignisse in dieser erzählten Welt, in die der Film eintaucht, als habe sie schon immer existiert und lebe nach dem Film weiter. So erscheinen das Magische und Surreale umso mehr als selbstverständlich, ja »realistisch«. Nur in ganz wenigen Momenten wird die Glaubwürdigkeit angekratzt durch nicht ganz überzeugende CGI-Effekte, in denen sich dann doch eine Künstlichkeit aufdrängt.

Als Reigen menschlicher Begierden und Torheiten erinnert »Das Märchen der Märchen« an Pier Paolo Pasolinis »Trilogie des Lebens«, in seiner visuellen Fantasie und seinem Humor an einen Terry Gilliam ohne Konzentrationsschwäche. Klugerweise vermeidet Garrone dabei eine didaktische Stoßrichtung, die »Moral von der Geschicht’«. Die Figuren bleiben ambivalent, und so mag man sich bisweilen fragen, was uns das Werk eigentlich erzählen will. Das scheinbar Ungefähre, in dem sich vertraute Motive und Symbole so spielerisch vereinen, weist aber klare, durchaus aktuelle Themen auf. Die Willkür der Mächtigen spielt in allen Episoden eine tragende Rolle, die Besessenheit von Schönheit und Jugend führt in Abgründe. Da ist Vincent Cassels lustvoll gespielter Erotomane noch am vergnüglichsten: Schon der Anblick faltiger Frauenhaut löst bei ihm Panikattacken aus. Bemerkenswert ist auch, dass die Frauenfiguren im Zentrum stehen und vielschichtiger als die Männer gezeichnet sind, berührend etwa in Bebe Caves Darstellung der ungeliebten Prinzessin.

Meinung zum Thema

Kommentare

Pflichtprogramm! Danke für die Kritik.

Wer diesen Film für 12-jährige freigegeben hat, ist mir ein Rätsel. Eine Frau lässt sich häuten, einem Mann wird die Gurgel durchgeschnitten, tolle Lesbensexszenen in einer Kutsche, viel Blut. Alles verdaulich für Erwachsene, aber für 12-jährige Kinder ziemlich verstörend. Verstörend ist der ganze Film, daraus Poesie ableiten zu wollen, da muss man schon arg verschwurbelt in seinem Medienkonsum sein.

Dieser Film ist mit Abstand das Unsinnigste, was ich je gesehen habe! Unfassbar!

Ich bin schockiert, liess im guten Glauben an die Altersbestimmung, meinen Jungen mit Down-Syndrom, diesen Film sehen. Ich fand ihn dermassen grauselig, brutal, blutig und als dann noch eine wirkliche Sexszene in Reiterposition veranschaulicht gezeigt wurde, stellte ich wütend ab! So wollte ich weder meinen Jungen ,,zwangsaufgeklärt,, bekommen, noch irritiert. Dieser Film ist kaum für Kinder geeignet, sondern ein bizarrer Erwachsenenfilm, wo so viele Elemente herienfließen, das sich jede ,,Sinnhaftigkeit,, schlüssig finden könnte! Einfach nur fürchterlich und ich kann nur abraten. Ich überlege sogar zu klagen! Die Altervorgabe ist lächerlich, bei Sexszenen, wie sie kaum im öffentlichen Fernsehen, für Kinder laufen dürften!!! Dazu noch böswillige und grausame Elemente, auch völlig ungeeignet, für Kinderseelen! Gruß! Doro

ZUM FIM ,,MÄRCHEN ALLER MÄRCHEN,,
mit Salma Hayek

Ich bin schockiert, ließ ich doch im guten Glauben an die Altersvorgabe (12 J.), meinen Jungen mit Down-Syndrom, diesen Film sehen. Ich fand ihn dermaßen grausig, brutal, blutig, böswillig und skurril und als dann noch eine wirkliche Sexszene in Reiterposition veranschaulicht und deutlich gezeigt wurde, stellte ich wütend ab! So wollte ich weder meinen Jungen ,,zwangsaufgeklärt,, bekommen, noch irritiert. Die Orgasmusgeräusche waren bis in die Küche zu hören, so dass ich dazu kam. Dieser Film ist kaum für Kinder geeignet, sondern ein eigenwilliger und bizarrer Erwachsenenfilm, wo so viele Elemente hereinfließen, das sich jede ,,Sinnhaftigkeit,, verliert!
Niedere Charaktere, morbide Denkansätze, unsortierte Grausamkeiten, einfach nur fürchterlich und ich kann nur abraten. Ich überlege sogar zu klagen! Die Altervorgabe ist lächerlich, bei Sexszenen, wie sie kaum im öffentlichen Fernsehen, für Kinder laufen dürfen!!! Eine DVD, für Kinder deklariert, gehört in eine andere Schublade! Böswillige und grausame Elemente, völlig ungeeignet, für Kinderseelen!
Ein Erwachsenenfilm höchstens, für schlechten Geschmack! Ein Film ohne jede erkennbare Ideologie, chaotisch, böse! Gruß! Doro

Dieser Film ist kranker Abfall aus dem Hirn eines ebenfalls ktsnken Erwachsenen, aber freigegeben für Kinder ab 12. Wer das freigibt ist ebenfalls krank und bösartig. Absolut nicht zu empfehlen! Für Kinder nur wenn ihr sie psychisch traumatisieren wollt. Ekelerregend.

Die Freigabe ab 12 Jahren finde ich auch skandalös. Aber für Erwachsene mit Phantasie, die ihr inneres Kind noch nicht vergessen haben, ist dieser Film ein ganz besonderes Erlebnis mit seinen wunderschönen poetischen Bildern und skurrilen Figuren. Sicher geht es manchmal brutal zu, aber Märchen sind oft schrecklich, auch bei den Brüdern Grimm. Was fehlte, war das positive Ende, das eigentlich jedes Märchen kennzeichnet.

Film für Erwachsene. Toll gemacht wenn man die Poesie und die Message richtig versteht. Wie in jedem Märchen. . .

Ab 12 sollte m. E. überprüft werden.
Aber viele Märchen sind eben grausam. Hier sind sie nur in Bilder ungeschönt umgesetzt.
Ich finde den Film ein bißchen surreal aber sehr sehenswert.

Einige beschweren sich hier, dass der Film ab 12 ausgegeben ist und sie den total verstörend fanden. Ich denke, bevor man einem Kind einen Film angucken lässt, schaut man ihn sich vorher selbst an um abschätzen zu können, ob er für das Kind geeignet ist. Denn 12 und 12 ist ein Unterschied. Manche Kinder spielen da noch mit Barbie, andere schminken sich schon. Das ist einfach ein Alter, das sich total fächert und man muss das für sein Kind selbst entscheiden. Ich selbst würde diesen Film auch nicht ab 12 frei geben. Trotzdem fand ich ihn total gut. Vieles darin ist sehr bewegend, makaber und mitreißend. Ich finde den Film faszinierend. Die Schauspieler sind super und die Farben heben das Ganze nochmal hervor.

Nichts für 12 jährige!!!!

Ich las in der Einleitung etwas von Humor... den muss man wohl mitbringen um diesen zusammenhanglosen Schwachsinn gut zu finden. Keine Ahnung warum diesen Film irgendjemand gut findet... außer vielleicht ein paar Liebhaber des Softporno-Gewerbes. Wir Brüste sehen möchte kann sich den Film gern anschauen. Wer eine gute Story, die auch einer roten Linie folgt, sehen möchte sollte die Finger von diesem Schundfilm lassen. Und ja... bitte nur Erwachsene, für die ist das schon verstörend genug

Ich fand den richtig intressant und lustig...
Ich finde ab 12 jahren geht in Ordnung den soviel sex und gestoehne gabs nicht und kinder in diesem alter sehen weit aus schlimmeres in TV oder Internet...
Schade das es keine Fortsetzung gibt oder evtl doch ?..

Ein genialer Film aber nicht für Kinder geeignet.

Als ich meiner fünfjährigen Tochter einmal abends ein Märchen der Brüder Grimm vorlas, sagte sie irgendwann mit vorwurfsvoller Stimme: „Mama, ich bin ein kleines Kind. Wenn Du mir so schreckliche Geschichten vorliest, kann ich gar nicht schlafen.“ Viele Märchen sind extrem brutal, sie waren ursprünglich auch gar nicht für Kinder gedacht. So auch dieser Film, der frühestens für Jugendliche ab 16 Jahren geeignet ist. Aber spannend und ungewöhnlich ist er schon, mit wunderbaren Bildern, die einem noch lange nachgehen. Und zwei Geschichten enden doch auch gut: die tapfere Prinzessin, die sich selbst vom Oger befreit hat, wird mit Sicherheit verantwortungsvoller regieren als ihr kindischer Vater. Der Prinz und sein Zwilling werden ohne die monströse Königinmutter sicher glücklich bis an ihr Ende leben, wie es sich für Märchen gehört.

Ich bin geflasht. So ein schönes Märchen und so wundervolle Szenen. Voller Magie und Zauber.

Wow, aber natürlich ein erwachsenen Märchen!!

Der Film wurde gestern spätabends auf ARTE gezeigt.
Vor der Ausstrahlung folgten Hinweise über brutale Szenen sowie eine Altersbegrenzung ab 16 Jahren.
Ich kann mir nicht erklären warum es gestern anders gehalten worden ist...

Die Geschichten basieren auf alten Märchen/Erzählungen aus dem 17 Jahrhundert . Diese Märchen dienten späteren Schriftstellern als Inspiration, auch denn Brüder Grimm...

Die bizarre Welt der Erzählungen handelt sehr zutreffend von menschlichen Schwächen, die so oft ins Unglück führen.

Allen eine schöne Weihnachtszeit und hoffentlich ein Coronafreies neues Jahr 2021.

Das ist das beste märchen aller Zeiten!!!!!

Meine über alles geliebte Lebensgefährtin, bat mich den Film mit Ihr anzusehen. In der Hoffnung, dass der Film sich steigert hielten wir bis zum Ende des Filmes durch. Seitdem denke ich ernsthaft über eine Trennung nach! ;-)

Ich wollte mir heute nach einer anstrengenden Arbeitswoche nach langer Zeit einen netten Film- ansehen und die Beschreibung ließ auf einen schönen, "märchenhaften" Fernsehabend hoffen...jetzt sitze ich hier noch immer geschockt und mit grauenhaften Bildern im Kopf und hoffe, nicht die ganze Nacht davon verfolgt zu werden! Das hat in meinen Augen so gar nichts mit einem Märchen zu tun, sondern sollte unter Horrorfilm eingestuft werden ! Komplett ungeeignet und verstörend und sicher nicht für Jugendliche geeignet!

Märchen waren nie für Kinder .. und wer den Inhalt für grauenvoll hält den möchte ich erleben wenn bei Hänsel und Gretel jemand bei lebendigem Leib verbrannt wird oder wenn sich Rumpelstilzchen selbst der Länge nach durchreisst .. dann lieber doch die Tagesschau wo Menschen aufeinander schießen oder sich mit Molotowcocktails bewerfen .. Fiktion und Realität können sich so nah sein

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