Kritik zu Omen

© Grandfilm

Der belgisch-kongolesische Ex-Rapper Baloji verbindet in seinem Regie­debüt vier Geschichten von Identität im Spannungsfeld von Tradition und Moderne

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Musikalische Quereinsteiger mit Wurzeln auf dem afrikanischen Kontinent gab es auf dem Regiestuhl zuletzt mehrere. Die Gemeinsamkeiten blieben dabei allerdings überschaubar. Wo der in Ghana geborene Blitz Bazawule nämlich mit »Die Farbe Lila« mit viel Pomp den Musical-Mainstream bediente, ist das Regiedebüt von Baloji – Belgier mit kongolesischer Abstammung und ebenfalls zunächst als Rapper durchgestartet – nun eine vollkommen andere, deutlich weniger leicht kategorisierbare Art von Kino. 

Zunächst wirkt »Omen« noch wie die klassische Immigrationsgeschichte von jemandem, der in der Heimatlosigkeit seine Identität finden muss. Koffi (Marc Zinga) will zum ersten Mal seit langen Jahren in den Kongo zurückkehren, wo er geboren wurde. Seine weiße Verlobte Alice (Lucie Debay) erwartet Zwillinge und die beiden haben eine stattliche Aussteuer angespart, in der Hoffnung, dass Koffis Vater und der Rest der Familie zu einer Aussöhnung bereit sind. Doch nicht zuletzt seine Mutter Mujila (ungemein eindrucksvoll: Yves-Marina Gnahoua) hat bereits angekündigt, sich nur auf neutralem Boden zu treffen. Schon seit seiner Geburt hält sie ihren Sohn aufgrund eines auffälligen Muttermals für verflucht.

Koffis Geschichte, die mit Hysterie nach einem harmlosen Nasenbluten und einem alles andere als harmlosen, nach traditionellen Regeln abgehaltenen Heilungsritual endet, ist nur eines von vier Kapiteln, die Baloji in seinem ersten Langfilm verwebt. Er erzählt auch von Koffis progressiv denkender, aber nicht nach Europa ausgewanderter Schwester Tshala (die charismatische Eliane Umuhire), vom jugendlichen Dealer Paco (Marcel Otete Kabeya), der pinkfarbene Röcke trägt und mit seiner Straßengang ums Überleben kämpft, und schließlich auch von Mujila selbst, deren eigene Vergangenheit noch einmal ein ganz anderes Licht auf vorher Gezeigtes und familiäre Traumata wirft.

Alle Figuren in »Omen« tragen den Zwiespalt zwischen Tradition und Moderne, zwischen althergebrachter, im Glauben verankerter Folklore und den eigenen Emotionen und Bedürfnissen in sich oder sind ihm ausgesetzt. Doch statt sich auf eine Seite zu schlagen und einen wertenden Blick auf seine Figuren zu werfen, setzt Boloji auf das Uneindeutige (auch in den politischen Anspielungen) und macht gerade die Gleichzeitigkeit dieser beiden gegensätzlichen Pole zum Kern der Existenz der von ihm porträtierten Menschen.

Konventionelle Figurenentwicklung oder ein klassischer Plot interessieren ihn dabei weniger. Baloji nähert sich seinem Stoff nicht intellektuell, sondern intuitiv, mit erzählerischem Mut zum Experiment und vor allem unbedingtem Stilwillen. »Omen« ist entsprechend ein nicht immer ohne Weiteres zugänglicher Film, aber einer, der – auch dank der Arbeit von Kameramann Joachim Philippe, den Kostümen von Elke Hoste und Baloji sowie der musikalischen Untermalung durch Liesa van der Aa – im wahrsten Sinne sehenswert ist. Und vor allem Lust auf mehr von diesem Regisseur macht.

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