Kritik zu Dune: Part Two

© Warner Bros. Pictures

Nach streikbedingter mehrmaliger Verschiebung des Kinostarts endlich angelaufen, hat der zweite Teil von Denis Villeneuves Sci-Fi-Saga nach den Kultromanen von Frank Herbert zwar die diesjährigen Oscars verpasst, dürfte ansonsten aber die meisten Erwartungen erfüllen

Bewertung: 5
Leserbewertung
4
4 (Stimmen: 2)

Als wären nach unserer Erdenzeit nicht satte zweieinhalb Jahre seit Teil Eins, dem Untergang des Hauses Atreides und dem Mord der Harkonnen an Fürst Leto verstrichen, setzt »Dune: Part Two« unmittelbar dort an, wo »Part One« endete – und übertrifft den ersten Film bald sowohl in der Opulenz der Bilder als auch an mitreißender Action: Nach der Katastrophe haben sich der überlebende Fürstensohn Paul (Thimothée Chalamet) und seine Mutter Jessica (Rebecca Ferguson) einer Gruppe Fremen, den ursprünglichen Bewohnern von Arrakis, angeschlossen. Sie begleitet der neue Film nun tief in die Wüste und zu den Fremen-Refugien. Paul verschafft sich bei den Wüstenbewohnern immer mehr Respekt, indem er sich ihrer Lebensweise und ihren Ritualen anpasst und sich zudem bei tollkühnen Anschlägen auf die »Spice«-Erntemaschinen der Harkonnen als tapferer Kämpfer gegen die Besatzer erweist. Auch wenn hier auf gigantischen Sandwürmern geritten wird statt auf Kamelen, ist Frank Herberts Inspirationsquelle für die Geschichte von Paul deutlich: T. E. Lawrence, »Lawrence von Arabien«, in dessen politischer Rolle allerdings auch schon Pauls möglicher Verrat an den Fremen angelegt ist. Zur Klischeefigur des »White Saviour« taugt der hübsche Fürstensohn jedenfalls nicht.

Bevor die Konflikte aber in einer großen Schlacht kulminieren, erzählen Villeneuve und sein Co-Autor Jon Spaihts davon, wie hier jede der Hauptfiguren ihr eigenes Süppchen kocht: Paul sucht zwischen beunruhigenden Visionen und den Plänen seiner Mutter nach seinem eigenen Weg, wird aber hauptsächlich angetrieben von seinem Wunsch nach Rache; seine Mutter als Angehörige des Geheimordens der Bene Gesserit verfolgt weiterreichende Machtpläne, in denen ihr Sohn eine eminente Rolle spielt – weshalb ihr sehr gelegen kommt, dass Fremenanführer Stilgar in Paul den prophezeiten Heilsbringer seines Volkes, den Mahdi, zu erkennen glaubt und nicht müde wird, die Strenggläubigen unter den Fremen ebenfalls davon zu überzeugen. Die junge Chani hingegen glaubt nicht an Pauls religiöse Mission, verliebt sich aber in den jungen Fremden – und er sich in sie, wofür dieser sonst oft bombastische, actionsatte Film einige wunderbar intime, leise und langsame Momente findet. Ja, jene Chani, einnehmend gespielt von Zendaya, wird im Lauf der mehr als zweieinhalb Stunden zur heimlichen Heldin von »Dune«.

Ganz im Geiste von Frank Herberts Vorlage dreht sich vieles in diesem Film um Fragen des Glaubens und der Skepsis, um Traditionen und magische Rituale, die sich insbesondere ums kostbare Gut Wasser drehen – und um die Möglichkeiten der Manipulation mittels Religion als Teil der alles beherrschenden Machtspiele. Über weite Strecken findet Villeneuve eine beachtliche Balance zwischen diesen Themen und den im Vergleich zum ersten Teil weiter ausgreifenden Actionsequenzen. Erst im letzten Viertel des Films wirken einzelne Entwicklungen etwas verhuscht.

Visuell wie akustisch ist »Dune: Part Two« immer wieder schlichtweg atemraubend: mit einer Vielzahl von mal monumentalen, mal feinsinnigen, doch stets faszinierenden Szenerien (Production Design: Patrice Vermette), Kostümen, in denen Archaisches und Phantastisches organisch zusammenfinden, extrem graphisch komponierten Bildern (Greig Fraser), überwältigenden Geräuschkulissen (Sounddesign: Richard King) und einer inspirierten, vielstimmigen Musik von Hans Zimmer. Die Schönheit der Fremen-Architektur und Wüstenlandschaften (in Jordanien und Abu Dhabi gedreht) steht dabei in heftigem Kontrast zur konsequent faschistoiden, an Riefenstahl geschulten Gestaltung der Welt der Harkonnen auf ihrem Planeten Giedi Prime, besonders markant herausgestellt in einem Gladiatorenkampf in monumentaler Arena und hartem Schwarzweiß. Das Licht von Giedi Prime kennt offenbar keine Farben, wie es auch seinen Bewohnern alle Hautfarbe zu entziehen scheint.

Erneut kann sich Villeneuve auch auf seine Riege großartiger – und glänzend besetzter – Schauspieler verlassen. Neben Chalamet und Zendaya und Neuzugängen wie Christopher Walken und Lea Seydoux, deren Auftritte freilich relativ kurz ausfallen, beeindrucken erneut vor allem Rebecca Ferguson als Pauls Mutter und Javier Bardem als Stilgar – der Einzige, der in diesem ziemlich ernsten Universum auch mal Humor zeigen darf, der allerdings zugleich für eine Verbohrtheit im Glauben steht, die den Fremen-Fundamentalismus für gegenwärtige Verschwörungsschwurbler anschlussfähig macht. Als Paul von sich weist, der prophezeite Mahdi zu sein, folgert Stilgar messerscharf: »Der Mahdi ist zu bescheiden, um zuzugeben, dass er der Mahdi ist.«

»Dune: Part Two« ist voll von solchen Ambivalenzen. Und obwohl mit Austin Butler als unheimlichem Psychopathen Feyd Rautha, Neffe des bisherigen Oberbösewichts Baron Harkonnen (Stellan Skarsgård), eine weitere beeindruckend böse Figur auf den Plan tritt, ist auf der anderen Seite des Spektrums keine solche Klarheit zu finden. Mit der Entwicklung des jungen Helden Paul zu der Version seiner selbst, vor der er sich bereits im ersten Teil zu fürchten begann, beweist Denis Villeneuve bewundernswerte Konsequenz: Indem er das Coming-of-Age seiner Identifikationsfigur als moralischen Niedergang erzählt, bürstet er die Blockbuster-Konventionen gegen den Strich. Es gibt keine Guten mehr in dieser Welt, nur noch gebrochene Gestalten.

Meinung zum Thema

Kommentare

Für die Erkenntnis, dass es keine Guten mehr gibt, ist ein Aufwand wie bei Villeneuves Dune-Verfilmung nicht nötig. Er lässt eine Arthouse-Optik auf eine B-Movie-Handlung los, in der schon der Sand nicht trägt, weil er - zumindest in unserer Realität - Schwingungen nicht transportiert, sondern effektiv dämpft. Die Würmer werden stattdessen durch den Soundtrack aktiviert, was das Zimmersche Dröhnen auf gewisse Weise rechtfertigt. Und Villeneuve lässt so viel weg, dass es fad wird. Die Wüstenmaus ist aber niedlich und für mich der heimliche Star des Films.

Schade, dass im Artikel die Kostümbildnerin Jaqueline West zwar als „das Kostüm“ lobend erwähnt wird, aber als einzige nicht namentlich genannt wird, während in der Reihe der anderen positiv erwähnten Gewerke ihre männlichen Kollegen auch jeweils eine namentliche Nennung erfahren.

Objektiv betrachtet ist sicherlich ein gerade optisch herausragender Film gelungen.
Im nachhinein bleibt jedoch ein flaues Gefühl: die fast 7 Stunden Film werden leider nur allzuoft mit allerlei schönen Bildern aufgebläht, im Grunde erzählt Villeneuve‘s Dune kaum mehr und ausfürlicher als die 1984er Version von Lynch - und das in einem dreifachen der Zeit.
Im übrigen finde ich jetzt im direkten Vergleich, dass die viel gescholtene und vom Regisseur abgelehnte 1984er Variante wesentlich besser als ihr Ruf ist: wo Dune 2024 aalglatt gestyled und ja, irgendwie seelenlos daherkommt kann Lynch‘s Dune mit schon fast wieder topaktueller und atmosphärischer steampunk-optik zumindest gleichziehen. Zusätzlich spielt das 1984er Ensemble Villeneuve’s Besetzung locker an die Wand.
Grösstes Manko für mich ist und bleibt allerdings die arg aufgeblähte Handlung gerade von Part Two - hier würde ich mir wünschen, dass für einen Director‘s cut mindestens eine halbe Stunde der Schere zum Opfer fallen würde.

Erstaunlich, wie ein Film mit dieser Vorlage und so großem Budget derart konsequent die Grundregeln des Storytellings missachten kann. Kein nachvollziehbarer Konflikt, keine gut gezeichneten Charaktere und keine Nähe zu ihnen, kein starker Gegner, ein viel zu leicht gewonnener Kampf und am Ende ein unverständlicher Twist… leider in beiden Teilen. Liegt es sm Fachkräftemangel bei Drehbuchautoren? Schade, sehr schade.

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