Kritik zu The Batman

© Warner Bros. Pictures

Emo-Batman im Gleitflug: Matt Reeves demilitarisiert eine Kino-Comic-Geschichte

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Der neue Batman ist ein schneller Denker, aber ein bisschen flügellahm. Der junge Mann hat schwer zu kämpfen: nicht nur mit den Kriminellen von Gotham, sondern auch mit sich – und seinem Equipment. Bevor der Held im Reboot von Matt Reeves, bekannt für »Cloverfield« und die neuen »Planet der Affen«-Filme, endlich einmal die Schwingen ausbreitet, hat er eine Schrecksekunde: Muss das jetzt? Dann segelt er weniger als Fledermaus, denn als Flughörnchen durch die Schluchten der Stadt und landet so unbeholfen wie ein Albatros. Müssen wir den fürchten? Oder knuddeln? Für letzteres spricht definitiv die Präsenz von Robert Pattinson, der ohne Maske, mit wirr in die Stirn fallenden schwarzen Haaren und Kajal-Augen aussieht wie der verhuschte, depressive Frontmann einer Grunge- oder Emo-Band.

Reeves hat den Rüstungswettlauf, der mit Christopher Nolans »Dark Knight« begann und bei Zack Snyder in regelrechte Schlachten mündete, gestoppt und die Batman-Figur demilitarisiert. Da ist wieder mehr vom Original-Batman als von Frank Millers körpergepanzertem Fascho drin; die Ausstattung des Helden wirkt im Vergleich mit den luxuriösen High-Tech-Gadgets, die Christian Bale bei Nolan zur Verfügung hatte, ziemlich angerostet; Catwoman, gespielt von Zoë Kravitz, tritt als gut geerdete Martial-Arts-Spezialistin in schmuckloser Maske – Baumwolle? – auf. Und die Geschichte entfaltet sich nicht im Rhythmus der zum großen Teil handgreiflichen Actioneinlagen, sondern als gesprächiger Krimi in kompromisslosem Düster-Look und mit einer guten Dosis David Fincher – ein amerikanischer Kritiker hat geschrieben, der Film könnte »Bat7man« heißen. 

Wenig glamourös sind auch die Schurken, deren Spur Sherlock Batman und sein getreuer Watson – Jeffrey Wright als Commissioner Gordon – folgen. Im Zentrum der Intrige steht der Riddler, hier ein derangierter, gequälter Serienmörder, der ebenso lust- wie planvoll tötet – nicht irgendwen, sondern, das ist schnell klar, die Honoratioren der Stadt, Bürgermeister, Staatsanwalt. Batman arbeitet sich durch einen Dschungel von forensisch-pathologischen Indizien und Sprachrätseln, bevor ihm aufgeht, dass erstens die ermordeten Politiker Auftragnehmer einer mafiosen Schattenwirtschaft waren, zweitens seine eigene steinreiche Unternehmerfamilie ja auch zu Gothams Elite gehört und drittens so ein Vigilant wie er sehr leicht für dubiose politische Zwecke instrumentalisiert werden kann. 

Neben der Besetzung (Colin Farrell als Pinguin!) und dem anspielungsreichen Score von Michael Giacchino gehört die lässige Behandlung des Familiendramas zu den Vorzügen des Films. »The Batman« wirft ordentlich Ballast ab: die große Elternmord-Szene, das private psychologische Trauma, die Vaterfixierung – und sogar das Portefeuille von »Wayne Enterprises«, dessen Verwaltung Pattinsons Batman, Punk, der er ist, einen feuchten Dreck interessiert.

Für die Entfaltung seines Plots braucht der Film geschlagene drei Stunden, und die Auskunft zur Lage der Nation, für die der Stadtstaat Gotham die Metapher ist, bleibt ein bisschen unpräzise. Während Catwoman die Frage »whom do I shoot?« mit einem nonchalanten »ein paar CEOs von Hedgefonds« beantwortet, orientiert sich der »dunkle Ritter« Batman irgendwann an einem lichteren Idol der Marvel-Konkurrenz: Man könnte von »Captain America-nisierung« sprechen, wenn er sich dem Volk zeigt und mit einer Fackel in der Hand den Überlebenden einer Überschwemmung den Weg weist. Der ganz große Wurf ist »The Batman« nicht, aber man kann ein Konzept erkennen: den Versuch, von allgegenwärtiger Korruption, gesellschaftlichem Zerfall und »Verschwörungen« zu erzählen, ohne auf die rechte Spur zu geraten, diese Comic-Kino-Geschichte aus der zynisch-populistischen Argumentation zu nehmen, in die sie spätestens mit »Joker« geraten ist.

Als Start in eine Serie eröffnet der Film der Figur jedenfalls neue Möglichkeiten. Ob wir noch erleben, dass der Superheld der besitzenden Klasse sich zum Rächer der Armen… nun ja: mausert? Auf jeden Fall ist dieser Batman, wie er da so nachdenklich mit einem Nirvana-Song aus dem Film entlassen wird, der empfindsamste, den wir je hatten.

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