Kritik zu Sonne und Beton

© Constantin Film

David Wnendt verfilmt Felix Lobrechts Roman über ein Aufwachsen in Berlins Gropiusstadt zwischen Brennpunktschule, Sozialwohnung und Gangs

Bewertung: 5
Leserbewertung
2.5
2.5 (Stimmen: 2)

Es gibt diese Tage, die mit kleinem Nervkram anfangen, und dann kommt es immer noch dicker und dicker. Der fünfzehnjährige Lukas hat so einen Tag, als ihn morgens am Eingang seiner Brennpunktschule, die Security Guards ohne Schulausweis partout nicht in den Unterricht lassen wollen. Eine kleine Sache, mit der eine fatale Kette von Ereignissen in Gang gesetzt wird. »Scheiß drauf«, sagt er sich, und verabredet sich zum Schulschwänzen mit seinem Kumpel Gino, der als Dritten im Bunde Julius mitzieht. Und dann dauert es nicht mehr lange, bis die Jungs zwischen den Fronten von Arabern und Türken, die im Park Drogen verticken, übel verprügelt werden und dazu noch 500 Euro schulden. Im sozialen Brennpunkt mit hohem Ausländeranteil und wenig Zukunftsperspektiven verbinden sich Testosteron und Machismo, Armut, angestaute Wut und erlittene Ungerechtigkeiten zum hoch entzündlichen Cocktail. Ein Satz, eine Bemerkung, eine Geste reichen, um die Explosion auszulösen. Es ist erschütternd zu sehen, wie ungebremst gewalttätig die Kids mit Fäusten und Fußtritten aufeinander losgehen, man wird durch ihre rotzige Aggressivität abgestoßen, bangt um sie, wenn Metallstangen, Messer und Pistolen ins Spiel kommen und liebt sie für ihre immer wieder auch rührende Verletzlichkeit.

Seit seinem ersten Kurzfilm »California Dreams« über einen schulschwänzenden Teenager in der Marzahner Plattenbausiedlung hat David Wnendt immer wieder Geschichten über volatile Jugendliche erzählt. Mit großer Empathie und Genauigkeit hat er deren Milieus in den Blick genommen, sorgfältig recherchiert und die Betroffenen in Vorbereitung und Dreh eingebunden. Für »Sonne und Beton« hat er sich mit Felix Lobrecht zusammengetan, der den gleichnamigen Roman aus seinen eigenen Erfahrungen in Gropiusstadt destilliert hat. Während Lobrecht vor allem für den authentischen Sound der Straße zuständig war, sorgte Wnendt für filmische Dramaturgie, gecastet und gedreht wurde im Brennpunktkiez, die Kids aus Gropiusstadt und Neukölln tragen mit ihren Erfahrungen auch ihr ungestümes Temperament und street credibility in den Film.

Die vier Jungs (mit Sanchez kommt ein Neuzugang in die Klasse und ergänzt das Trio zum Quartett), die »Sonne und Beton« bevölkern, sind ungefähr so alt wie in den 90er Jahren Larry Clarks New Yorker »Kids«, und etwas jünger als die Jungs in der Pariser Banlieue in »La Haine« von Matthieu Kassowitz. Die DNA dieser Filme lebt in »Sonne und Beton« so ehrlich weiter, dass Wnendt sie zitieren kann, ohne sich genieren zu müssen, und wenn Lukas, dem die Schultasche abgezockt wurde, fortan mit einer Plastiktüte herumstromert, erinnert das an Herrndorfs »Tschick«, den Wnendt verfilmen wollte, bevor Fatih Akin übernahm. Mit seinem harten Rhythmus, seinem ungestümen Drive und all den wahrhaftig gelebten Gefühlen und seiner gesellschaftlichen Relevanz hätte der Film, der sehr viel mehr ist als ein Kinderfilm, auch dem Wettbewerb der Berlinale gutgetan. Das Jahr 2003 ist hier nicht historisch, sondern am Puls der Zeit.

Meinung zum Thema

Kommentare

Ich habe 2003 in der Gropiusstadt gewohnt und arbeite seit 2015 dort in der Schule. Bildungsferne, Sozialleistungsbezug, Sozialwohnungen, ... -ja. Das Buch habe ich gern gelesen. Es war empathisch, realistisch, denn es hat Einzelfälle dargestellt. Der Film unterstellt aber, die gesamte Gropiusstadt bestand nur aus Müll, Alkoholismus, Gewalt und Hoffnungslosigkeit. Dazu eine Portion Einfalt (die Polizisten).. Und das ist schlichtweg Blödsinn. Die Bronx wird gegen die gezeigte Gropiusstadt zum Kurort.
Das Leben ist differenziert. Selbst in der Gropiusstadt. Aber Skandal verkauft sich halt besser. Diesmal eben auf Kosten eines ganzen Ortsteils

Als Gropiusstädter (1997-2019) kann ich mich der Meinung von Saskia nur zu 100 Prozent anschließen. Buch top, mehr Differenzierung, Lichtblicke, Empathie. Film ist leider ein "eintöniges" Gewaltspektakel, das überspitzt und noch dazu wenig Überraschung noch irgendeinen Hoffnungsschimmer bietet. Die Freundschaft der Jungs und wie sich deren Probleme in eine sich immer weiter drehende Konfliktspirale ergebn, ist gut erzählt. Ebenfalls "gut" ist die Adaption an die Moderne und das Verknüpfen mit aktuellen Problemen. Dennoch ist es ein wenig schade, dass ein Film, der von einem Gropiusstädter miterzählt wird, solch eine Einbahnstraße ist. Hier wurde definitiv zu viel gestreamlined und zu sehr auf die Krawallpauke gehauen. Schade.

Völlig schlecht gespielt und völlig überzogen. Keiner von diesen wirklich dummen dargestellten Kids, kann irgendwas, keine Hoffnung, keine Zuversicht und viel unrealistischer Schwachsinn. Abitur das ich nicht lache, da gibt es auch noch andere Ziele, wie wäre es mit einer Ausbildung, oder einfach nur ein Realschulabschluss? Ach ne die bringen ja nichts. Der Junge hat eine Straftat begangen, kein Polizist hätte die Jungs ans Bett gelassen. Der sieht ni aus, als wäre der vom Balkon gesprungen, sondern eher nach ner weiteren Tracht Prügel. 20 Tropfen tillidin haben so eine Wirkung, dann würde jeder Schmerzpatient so amoklaufen. Ich habe 100 mg 2 mal täglich... das entspreche 80 Tropfen. Dieser Gettohslange ist abgedroschen und nervtötend, nicht einer von denen kann angemessen Deutsch, was sollen diese rassistischen Züge? Unfassbar grausam und definitiv nicht empfehlenswert, die ganzen Rezensionen sind gekauft. Der Film ist nervtötend und anstrengend.

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