Trine Dyrholm: Alles ist gut in Dänemark

Königin des Nordens
Trine Dyrholm in »Die Königin des Nordens« (2021). © Splendid Film

Trine Dyrholm in »Die Königin des Nordens« (2021). © Splendid Film

Jedenfalls ist es ein angenehmes Land für Frauen, die Filme machen. Eine Videobegegnung mit der ­Schauspielerin Trine Dyrholm, der Queen des dänischen Arthouse-Kinos

Eine ehrgeizige Königin auf der Höhe ihrer Macht, die Allianzen schmiedet, Pfründe sichert und sich – umgeben von Freund und Feind gleichermaßen – einer Intrige gegenübersieht, in der es auf mehr ankommt als Führungswillen. Solche Geschichten, inklusive prächtiger Naturaufnahmen und opulenter Kostüme, kennt man aus dem britischen Kino, mitunter auch aus dem französischen, aber nicht unbedingt aus Dänemark. Doch das ändert sich nun mit »Die Königin des Nordens«. Und als Besetzung einer royalen Mittelalterrolle kommt im dänischen Kino eigentlich nur eine infrage: Trine Dyrholm.

»Natürlich hat mich auch das an diesem Projekt gereizt: dass wir skandinavischen Schauspieler*innen in unserer Heimat eigentlich nie die Chance bekommen, in solchen großen Historiendramen mitzuspielen, mit Pferden und Roben und allem Drum und Dran«, lacht die 49-jährige im Videotelefonat mit Blick auf ihre Rolle als Margrete I., die ungekrönt die Macht ihres Mannes und ihrer Söhne verwaltete und um 1400 mehr oder weniger offiziell über Dänemark, Schweden und Norwegen herrschte. »Aber natürlich fand ich eben auch die Figur hoch spannend, über die gar nicht so wahnsinnig viel in den Geschichtsbüchern steht. Und ich kann nicht leugnen, dass ich endlich mal mit der Regisseurin Charlotte Sieling zusammenarbeiten wollte.«

Sieling, die vor allem für Fernseharbeiten wie »Kommissarin Lund« oder »Borgen« (sowie Episoden von »Homeland« und »The Americans«) bekannt ist, kennt Dyrholm um ein paar private Ecken bereits seit ihrer Jugend – und fehlte der Schauspielerin noch in der umfangreichen Liste von Filmemacher*innen, mit denen sie bereits gedreht hat. Als die Nordischen Filmtage in Lübeck Dyrholm im vergangenen Jahr eine Hommage widmeten, wählte sie dafür fünf Filme aus, die allesamt von Frauen inszeniert wurden. Sagt das mehr über sie und ihre Karriereplanung aus oder über die Gleichberechtigung in der dänischen Filmbranche? »Wahrscheinlich weder noch«, sagt die Wahl-Kopenhagenerin, die schon als Kind auf der Theaterbühne stand, als Teenager beim Vorentscheid für den Eurovision Song Contest mitmachte (sie schaffte es in die Charts) und 1990 im Film »Springflod« von Eddie Thomas Petersen ihr Leinwanddebüt gab. 

»Da spielt auch viel der Zufall eine Rolle. Sowohl Pernille Fischer Christensen als auch Annette K. Olesen habe ich einfach recht früh in meiner Karriere kennengelernt, und beide gaben mir dann immer wieder die Möglichkeit, mit ihnen gemeinsam Projekte zu entwickeln«, fährt die zehnfache Gewinnerin des Dänischen Filmpreises – auch bekannt als »Robert« – fort. »Ich habe nie bewusst nach Regisseurinnen gesucht, sondern immer nach Menschen, mit denen ich eine spannende kreative Partnerschaft eingehen kann und mich gut verstehe. Dazu gehörten erfreulicherweise viele Frauen, wie zum Beispiel auch Susanne Bier oder May el-Toukhy. Aber natürlich auch Männer wie Thomas Vinterberg.«

»In einer besseren Welt« (2010). © Universum Film

Für Fischer Christensen (»En Soap», »Astrid«) stand Dyr­holm bereits fünf Mal vor der Kamera, mit Olesen (»In deinen Händen«, »Little Soldier«) hat sie kürzlich die Arbeit am vierten gemeinsamen Film beendet. Mit Bier drehte sie den Oscargewinner »In einer besseren Welt« und die romantische Komödie »Love Is All You Need«, mit el-Toukhy unter anderem das Erotikdrama »Königin« sowie mehrere Folgen der Serie »Die Erbschaft«. Und Vinterberg verdankte sie mit dessen Langfilmdebüt »Zwei Helden« und vor allem mit »Das Fest« den ganz großen Durchbruch. 

So viele Wiederholungstäter*innen sind in der dänischen Film- und Fernsehbranche keine Seltenheit. So produktiv die Szene ist, so klein ist sie auch. Man kennt sich und trifft sich immer wieder, auch vor der Kamera. Søren Malling etwa, der in »Die Königin des Nordens« der Titelheldin als geistlicher Vertrauter zur Seite steht, war schon mehrfach in den gleichen Produktionen wie Dyrholm mit von der Partie, zuletzt bei der Serie »Verdacht/Mord« (zu sehen bei Sky), die obendrein ihre zehnte Zusammenarbeit mit Kollege Ulrich Thomsen darstellt.

So viel Nähe wirkt auf manch eine*n beengend: Thomsen, aber auch Mads Mikkelsen und Nikolaj Coster-Waldau kehren Dänemark auch deswegen immer wieder den Rücken und heuern in englischsprachigen Produktionen an. »Mir wird zu Hause nicht langweilig. Ich fühle mich im dänischen Kino wohl, auch weil ich eher Arthouse- als Marvel-Fan bin«, versichert dagegen Dyrholm, die zumindest hin und wieder in Deutschland dreht, sei es Baran bo Odars Thriller »Who Am I«, sei es der Zweiteiler »Brecht« von Heinrich Breloer. Nicht, dass es nicht auch Angebote aus Hollywood gab. »Gleich nach »Das Fest« klopften US-Agenturen an, aber ich war damals noch zu unsicher und hatte mehr Lust auf Theater als auf Los Angeles. Über die Jahre gab es dann immer mal wieder Optionen, die sich zerschlugen. Mal weil ich einfach keine Zeit hatte, mal weil ich die Rolle am Ende dann doch nicht bekam.« Immerhin: 2022 wird sie neben Charlotte Gainsbourg und Rebel Wilson in der britischen Produktion »The ­Almond and the Seahorse« zu sehen sein.

»Ich habe trotzdem über die Jahre genug Filme gedreht, die für mich viel internationales Flair hatten. Etwa meine fantastische Zusammenarbeit mit der italienischen Regisseurin Susanna Nicchiarelli beim Film »Nico, 1988«, fährt die Schauspielerin fort und führt auch ihre kleine Rolle in Fatih Akins »The Cut« oder die Zusammenarbeit mit Pierce Brosnan bei »Love Is All You Need« an. »Außerdem hatte ich natürlich das große Glück, dass viele meiner Filme um die ganze Welt gereist sind und ich daran oft teilhaben durfte. Ich war bei wundervollen Festivals zu Gast, saß mit großen Weltstars in Jurys. Über zu wenig Glamour in meinem Leben kann ich mich nicht beklagen.« Manche dieser Erfahrungen wirken bis heute nach: Erwähnt man, wie ihr Meryl Streep bei der Berlinale 2016 den Silbernen Bären als bester Darstellerin für Vinterbergs »Die Kommune« überreichte, macht sich auf ihrem Gesicht ein Strahlen breit. »Das war ein magischer Moment«, erinnert sie sich. »Meryl meinen Namen sagen zu hören, war schon verrückt. Aber dann hat sie sich auch noch vor mir verbeugt!«

»Die Kommune« (2015). © Prokino

Dass Dyrholm, die mit dem Theaterregisseur und Choreographen Niclas Bendixen einen 12-jährigen Sohn hat, als Dänemarks erfolgreichste Schauspielerin im Grunde längst fast alle Höhen erklommen hat, die ihr Beruf zu bieten hat, ­bedeutet nicht, dass ihr die Lust daran vergehen würde. »Es gab in den letzten 30 Jahren ein oder zwei Phasen, in denen ich ins Zweifeln kam und mich fragte, ob vielleicht doch noch ein anderer Weg auf mich wartet. Das waren Zeiten, in denen es ein bisschen zu viel Chaos in meinem Leben gab und ich mich ein wenig zerbrechlich fühlte«, berichtet sie. »Aber es hat nie lange gedauert, bis ich realisiert habe, dass es eigentlich keine Alternative für mich gibt. Ich habe schon als Kind instinktiv gespürt, dass mir nichts mehr liegt als in unterschiedliche Rollen zu schlüpfen. Und bis heute gibt es für mich kein größeres Privileg, als dass ich damit meinen Lebensunterhalt verdienen kann. Noch dazu als selbstbestimmte Freiberuflerin. Inzwischen liegt die größte Herausforderung für mich darin, oft genug Nein zu sagen zu Angeboten, um zwischendurch auch genug zu entspannen.«

Bleibt nur noch – apropos Frauen hinter der Kamera – die Frage nach eigenen Regieplänen. In der dritten Staffel von »Die Erbschaft« zeichnete sie immerhin bereits bei zwei Folgen für die Inszenierung verantwortlich. »Das hat enorm viel Spaß gemacht, und ich hatte wirklich das Gefühl, dass ich in dem Moment die Richtige für den Job war. Aber das war auch ein Projekt, in das ich bereits lange involviert war, das ich wie meine Westentasche kannte und bei dem ich mit dem gesamten Ensemble vertraut war«, fasst sie zusammen. »Einen eigenen Spielfilm auf die Beine zu stellen, kann für Regisseur*innen über weite Strecken allerdings ein einsamer Prozess sein. Ich bin nicht sicher, ob das mein Ding ist, denn ich werde vor allem durch die enge Zusammenarbeit mit anderen beflügelt. Deswegen habe ich mehr Lust darauf, gemeinsam Projekte zu entwickeln, anzustoßen und herauszufinden, wer die beste Person ist, um sie dann auch auf die Leinwand zu bringen. Sollte sich irgendwann herausstellen, dass ich das bin, kann ich ja noch mal in mich gehen.«

Meinung zum Thema

Kommentare

Mich würde interessieren, ob Trine Dyrholm in ihrem Zitat das Gendersternchen mitgesprochen hat oder ob der Autor das bei der Übersetzung ohne Absprache mit ihr verwendet hat. Denn wie auch immer man zum Sternchen stehen mag - es ist heutzutage ein ideologisches Statement, das man nicht jedem einfach in den Mund legen darf. Über eine Antwort würde ich mich freuen!

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