Kritik zu Die Königin des Nordens

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Trine Dyrholm spielt Königin Margrete, die im 15. Jahrhundert Skandinavien unter ihrer Krone einigen wollte. Doch dann macht ihr ein überraschend wieder aufgetauchter Thronfolger einen Strich durch die so sorgfältig vorbereitete politische Rechnung

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Kalt ist es in diesem Film, karg sind seine Räume, durch die ewig der Wind pfeift, und grau ist der Himmel, der sie überspannt. Das opulente Historiendrama sieht sich in Charlotte Sielings »Die Königin des Nordens« entschlackt, das Spektakuläre und die Schauwerte des Kostümfilms treten gegenüber den Beziehungen der Charaktere und ihren intriganten Manövern in den Hintergrund. Mutterherz trifft auf Männerstolz und entflammt; doch nicht eine angebliche Hexe ist es, die schließlich auf dem Scheiterhaufen verbrennt, es ist die Menschlichkeit, die dem politischen Kalkül zum Opfer fällt.

Die Geschichte, die hier erzählt wird, liegt schon etwas länger zurück, zu Beginn des 15. Jahrhunderts, um genau zu sein. Damals war jeder Potentat, gleich ob er über einen Zwergstaat oder über ein Riesenreich gebot, zu jeder Zeit bereit, dem jeweils anderen eins über die Rübe zu geben. Das Konzept einer multilateralen Politik im Dienste gemeinsamen Wohlergehens war so noch nicht erfunden. Frieden, wozu soll der gut sein? Kein Mann, der etwas auf sich hielt, bewies sich im Frieden, ein Mann war ein Krieger und bewies sich mit dem Schwert! Harte Zeiten also für Menschen mit Visionen oder auch nur mit einer Vorstellung von einem größeren Ganzen.

Als eine solche Person darf man sich Margrete I. von Dänemark vorstellen. Nach dem Tod ihres Gemahls Håkon VI., seines Zeichens König von Norwegen und Schweden, schickte sie sich an, als Regentin und in Stellvertretung ihres damals fünfjährigen Sohnes Olav die skandinavischen Länder in der sogenannten Kalmarer Union zu vereinigen. Dabei handelte es sich um einen im Interesse des Freihandels und als Verteidigungsbündnis insbesondere gegen die Deutschen gegründeten Zusammenschluss, der von 1397 bis 1523 Bestand hatte. Als Olav 1387 im Alter von 17 Jahren verstarb, adoptierte Margrete kurzerhand ihren Großneffen Erich von Pommern und setzte diesen auf den Thron – wo er sodann tat, was sie ihm auftrug. So weit, so historisch verbürgt. Sieling hat nun aber ihrem Film ein Insert vorangestellt; es handele sich um »eine Fiktion, von wahren Ereignissen inspiriert« – eine wahrhaft finstere und gnadenlose Fiktion, die den Titel tragen könnte: »Das Mysterium des falschen Olav«.

Taucht doch just in einer schwierigen Phase der Reichskonsolidierung ein junger Mann auf, der von sich behauptet, der seinerzeit nicht verstorbene, sondern vielmehr entführte Olav zu sein, mithin also der eigentliche und rechtmäßige König. Dieser narrative Schachzug, der sich einer Fußnote in den Geschichtsbüchern verdankt, hat den Charakter der Kolportage, zugleich aber auch die Wirkung eines Stichs ins Wespennest. Da sich die Geschichte jedoch im hohen Norden zuträgt, geht es eher beherrscht, um nicht zu sagen unterkühlt zur Sache. Zur Sache aber geht es, auch und vor allem auf der Ebene des Gefühls: Margrete, die den Mann zunächst nicht, aber vielleicht dann eben doch als ihren Sohn erkennt, ist in höchstem Grade verunsichert; Erich sieht seinen Status bedroht; Olav kann nicht glauben, dass man ihm nicht glaubt; die Hofschranzen und Lehensfürsten wittern im Skandal die Morgenluft des Machtzuwachses. Binnen kurzem hat sich der Rat der drei Reiche in eine Schlangengrube voller Giftnattern verwandelt, und Margrete steckt im Zwiespalt zwischen mütterlichem Instinkt, der den Sohn retten will, und dem drohenden Scheitern ihres ehrgeizigen Lebensplans, der immerhin ein Friedenswerk zum Ziel hat. Sie steht also vor der ewig aktuellen Frage, was schwerer wiegt, das Wohl der Allgemeinheit oder das der Einzelnen. Und Trine Dyrholm, die der Regentin Gesicht und Gestalt gibt, bringt den Schmerz, der der Antwort auf diese Frage hier innewohnt, in einer Bravour-Performance zum Ausdruck. In ihren Augen spiegelt sich das Erschrecken über den Preis der Macht, in ihrem Körper das immer tunlichst unauffällige Ringen um Haltung. Geringstmöglicher Aufwand erzielt größtmögliche Wirkung: Ein Schauer läuft einem über den Rücken.

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