Kritik zu Die Kommune

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Thomas Vinterberg verbindet in seinem Porträt einer Kommune in den 70er Jahren das schmerzvolle Melodrama einer Dreiecksgeschichte mit einem differenzierten und interessierten Blick auf das utopische Potenzial alternativer Lebensentwürfe

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Sehnsüchte und Überzeugungen sind das eine, Gefühle etwas anderes. Als der Architekt Erik (Ulrich Thomsen) die riesige Villa seiner Eltern erbt, ist seine Frau Anna (Trine Dyrholm), die als Nachrichtensprecherin bei einem dänischen Fernsehsender arbeitet, begeistert. Anders als Erik will sie das alte Haus nicht verkaufen. Für Anna ist diese Villa ein Glücksfall, denn sie sieht die Chance auf ein anderes Leben in einer größeren Gemeinschaft. Ihrem Mann ringt sie schließlich eine zögerliche Zustimmung ab, und schon bald sind die ersten Mitbewohner gefunden. Alles scheint sich so zu entwickeln, wie Anna es sich vorgestellt hat, bis plötzlich ihre eigenen Gefühle ins Spiel kommen. In dem Moment, in dem sie Eriks Liebe verliert, zerbricht alles für sie. Das Experiment, das sie gestartet hat, ist ein Erfolg, doch das hilft ihr nichts. Ihr Schmerz entwickelt eine eigene Dynamik.

Natürlich erzählt Thomas Vinterberg in »Die Kommune«, der Verfilmung seines am Wiener Burgtheater uraufgeführten Theaterstücks, auch vom Scheitern alternativer Lebensentwürfe. Aber sein Blick zurück auf die sozialen Utopien der 70er Jahre ist frei von jener Bitterkeit, die seit einigen Jahren so oft in den Diskussionen über diese Ära mitschwingt. Vinterberg rechnet nicht ab, und er klagt auch nicht an.

Die Lebensgemeinschaft, die Anna und Erik zusammen mit Freunden und Fremden formen, ist keineswegs von Anfang an dazu verdammt, in die Brüche zu gehen. Fast beiläufig porträtiert Vinterberg, der als Kind selbst in einer Kommune gelebt hat, ein Kollektiv, das tatsächlich die Schrullen und Schwächen seiner Mitglieder abfedert. Annas und Eriks Mitbewohner bleiben letztlich zwar im Hintergrund. Aber Vinterberg und seinem Ensemble reichen schon wenige Striche, um ein lebendiges Bild zu zeichnen.

Sicher würde man gerne mehr erfahren über Lars Ranthes Ole, der immer mal wieder herumliegende Sachen einfach verbrennt, und über Fares Fares' Allon, der sich mit Gelegenheitsjobs durchschlägt und jenseits der Kommune wahrscheinlich für immer ein Außenseiter bliebe. Doch am Ende sind es gerade die vielen offenen Fragen, die dieses Lebensexperiment so interessant machen. Eine andere Form von Gesellschaft deutet sich an. Aus der Nähe untereinander erwächst eine Akzeptanz, die Fragen überflüssig macht.

Aber das ist eben nur die eine Seite dieser Geschichte. Die andere erzählt von einem zweiten, noch viel radikaleren Experiment. Thomsens Erik, dieser Egoist, der niemals bereit ist, Verantwortung zu übernehmen, verliebt sich in seine Studentin Emma (Helene Reingaard Neumann). Um ihn nicht ganz zu verlieren, schlägt Anna vor, dass Emma mit ins Haus einzieht. Kleinliche bourgeoise Besitzansprüche an Menschen, die man liebt, sollen sich in der Kommune einfach auflösen, das ist Annas hehrer Traum. Wo, wenn nicht hier, sollte eine Liebe zu dritt möglich sein. Doch äußere Bedingungen allein reichen nicht. Der Haushalt der Gefühle lässt sich noch weniger ausgleichen wie die ständig defizitäre Bierkasse der Kommune.

Vinterbergs liebevolle, aber keineswegs verklärende Rekonstruktion der 70er Jahre ist zugleich Zeitporträt und Melodrama. Die beiden Ebenen verschränken sich und bewahren doch ihre Eigenständigkeit. Annas Scheitern, dem Trine Dyrholm eine tragische Dimension verleiht, ist schmerzlich und trifft einen direkt ins Herz. Aber auch wenn ihre Vision zerbricht, bleibt doch etwas zurück, das größer ist als der Schmerz und die Verletzungen dieser verlassenen Frau. Vinterberg nimmt den alternativen Entwurf seiner Figuren so ernst, dass er mit den Konventionen des bürgerlichen Kinos brechen kann. So ist Annas und Eriks 14-jährige Tochter Freja (Martha Sofie Wallstrøm Hansen) in der Welt des Films eben nicht nur die jugendliche Tochter. Sie überblickt als einzige das emotionale Chaos, in das ihre Eltern stürzen. Betrachtet man »Die Kommune« mit ihren Augen, dann wird aus der Rekonstruktion des Vergangenen ein Gegenentwurf und eine neue Utopie.

... zum Interview mit Regisseur Thomas Vinterberg

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