Kritik zu Das kalte Herz

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Johannes Naber zeigt in seiner prominent besetzten Verfilmung von Hauffs Märchen die Horrorvision und Kolportagegeschichte darin auf

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Natürlich strahlt der Holländer-Michel mit seinem dunkeln, teils von weißer Erde bedeckten Körper und seinen funkelnden Augen etwas Bedrohliches aus. Aber das nimmt der arme, nach Reichtum und Anerkennung strebende Köhler Peter Munk gar nicht wahr. Er lässt sich von der einschmeichelnden Stimme und den verheißungsvollen Worten dieses dämonischen Mannes verführen. Er hört und sieht nur, was er hören und sehen will: gleichmäßig pochende Herzen, die sicher verwahrt in der Höhle des Holländer-Michels hängen, und das Versprechen, dass er im Moment des Todes sein Herz wiederbekommen wird.

Der Handel, auf den sich der von Frederick Lau gespielte Peter Munk aus Verzweiflung wie aus Gier einlässt, könnte durchaus pures Entsetzen auslösen. Aber Johannes Naber hält sich in dieser Schlüsselszene seiner Verfilmung von Wilhelm Hauffs Kunstmärchen »Das kalte Herz« zurück. Peters faustischer Deal mit Moritz Bleibtreus mephistophelischem Holländer-Michel hat tatsächlich eher etwas Märchenhaftes. Selbst der Moment, in dem Peter sein Herz verliert, gleicht einem bizarren Traumgespinst. Wie leicht ist es doch, seine Seele zu verlieren. Naber weiß genau, dass die Menschen eigentlich täglich auf den Spuren Fausts wandeln. Und dass es den meisten dabei eher um Geld als um Wissen geht, versteht sich von selbst.

Von dieser (selbst)zerstörerischen Seite des Menschen hat Naber schließlich schon in seiner Wirtschaftsgroteske »Zeit der Kannibalen« erzählt. Seine Annäherung an ­Hauffs berühmtes Märchen greift deren ­Ideen und Motive wieder auf. Nur dreht sich diesmal alles um den provinziellen Früh- statt um den globalisierten Spätkapitalismus. Mit der Idee des Holzhandels hat das große Geld und zugleich auch die große Gier Einzug in den Schwarzwald gehalten. Alle, die etwas waren und noch mehr sein wollten, haben also ihre Herzen dem Holländer-Michel überlassen. Also folgt Peter, der von seinen hochfliegenden Träumen und seiner Liebe zu Lisbeth (Henriette Confurius) getrieben wird, ihnen nach. Dann, nachdem er selbst Schuld auf sich geladen hat, sieht Peter die Wahrheit. Der Holländer-Michel ist ein Untoter, ein monströses Wesen, in dessen Brust ein schwarzes, fauliges Loch klafft. In seinem von der Decke hängenden Herzen haben sich Maden und Käfer eingenistet. ­Hauffs romantisches Märchen kippt nun doch noch in den reinen Horror.

Johannes Naber verzichtet zwar auch sonst auf jeden Realismus ebenso wie auf die typischen Klischees der deutschen Romantik. Sein Schwarzwald ist ein Reich der Fantasie, in dem die Waldgeister um das von Milan Peschel verkörperte Glasmännchen an indigene Völker erinnern und die Frauen Gesichtstattoos haben. Aber nur in den wunderbar delirierenden Horrormomenten in der Höhle des Holländer-Michels geht sein Konzept der Re-Imagination des berühmten Märchens ganz auf. In ihnen wagt er es, ästhetisch genau über die Grenzen hinauszugehen, die er ansonsten viel zu sehr respektiert.

Meinung zum Thema

Kommentare

Viele alte Märchenfilme wurden in den letzten Jahren neu produziert. Das Beste an einigen Neuproduktionen ist das HD Format.
Nicht so bei "Das kalte Herz". Da ist den Filmemachern ein grosser Wurf gelungen. Ich sehe in der heutigen Zeit beide Versionen sehr gern. Die aus DDR Zeiten und die gesamtdeutsche Produktion.Danke dafür.

Der Film war scheisse ! Wozu tätowierte Frauengesichter ??? Und dauernd die Floskeln ; " Alles gut?, Kein Problem, Hallo.. " - So haben die Leute damals nicht gesprochen, Und immer die junge Hauptheldin besetzt mit Frau Confurius, die hat man sich doch sowas von sattgesehen...Das alles so störend, dass ich mittendrin abgeschaltet habe - Das echte Meisterwerk von 1950 ist nicht zu toppen und mit diesem Schmarrn schonmal gar nicht !

Die alte Verfilmung ist viel stimmungsvoller und entspricht sehr viel mehr dem Original von Wilhelm Hauff, eine Neuverfilmung des Stoffes ist also im Grunde genommen überflüssig. Da das ganze Märchen bisweilen etwas unheimlich ist, sind die zusätzlichen Gruselszenen wie etwa die Maden im Herzen als Gestaltungsmittel allerdings durchaus einsetzbar. Moritz Bleibtreu ist ein fantastischer Schauspieler, doch als Holländer-Michel konnte ich mich gar nicht recht mit ihm anfreunden. Ebenso dass das im Märchen zwergenhaft beschriebene Glasmännlein durch eine den Ureinwohnern Neuguineas nachempfundene Figur ersetzt wurde, finde ich persönlich äußerst befremdlich und verstörend. Sehr gelungen finde ich dagegen die Idee mit dem naturgetreu animierten Rotkehlchen, während die Aussprache der Darsteller vielfach recht undeutlich ausfiel. Mit Neuverfimungen bekannter Stoffe ist das halt immer so eine Sache...

Das gleicht ja mehr einem Fantasy - Horrorfilm, als einem Märchen :(
- "Glasmännlein" bzw. Schatzhauser sieht aus wie billiger Gollum
- der Holländer Michel könnte ein Schamane sein
- Lisbeth weiß eigentlich nicht, dass Peter sein Herz gegen einen Stein austauschte.
- Von dieser Gesichtsbemalung auf Lisbeth´s Gesicht sage ich lieber nichts - sieht aus wie Abdrücke von Autoreifen

zwar hatte die Filmcrew diesem "Märchen" mehr was mysthisches verpassen wollen, aber das Märchen spielte nicht in Indien, Asien, Afrika oder Arabien ab, sondern in Deutschland/
Schwarzwald, wo die Menschen von Köhlerei, Glasmacherei, kaufmänische Geschäfte und Flößerei ihr Brot verdienten.
Darum kann ich die positven Kommentare von manchen Filmkritikern überhaupt nicht nachvollziehen, dass diese Filmkritiker (epd Film) es bei anderen verfilmungen als "Schwarzwaldkitsch" bezeichnen!
Das Märchen spielt sich nun mal im Schwarzwald ab!
Wahrscheinlich sind diese Möchte-gern - Filmkritiiker eine Generation, die das orginale Defa Märchen "Das kalte Herz" noch nie gesehen hatten und die frechheit besitzen so einen Müll von sich zu geben, indem sie das alte schlecht machen.
Den Schauspielern mache ich überhaupt keine Vorwürfe, da sie nun mal ihre Rollen spielen müssen, sondern dieser Filmcrew, die es sich wagten das schöne Märchen zu verhunzen! :(

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