Kritik zu The Negotiator

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Eine Whistleblowerin verliert den Mut und lässt sich ihr Schweigen erkaufen. Doch dann entspinnt sich ein doppelbödiges Katz-und-Maus-Spiel

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Es sind ehrenwerte Motive, die Whistle­blower dazu antreiben, die schmutzigen kleinen Geheimnisse ihrer Arbeitgeber ans Licht zu zerren. Sarah zum Beispiel will den Biotech-Großkonzern, bei dem sie angestellt ist, der Vertuschung überführen und die Menschen vor verseuchten Produkten warnen. Stattdessen sieht sie sich alsbald selbst gewarnt. Was nun, da die Bösen am längeren Hebel sitzen und die potenzielle Verräterin massiv bedrohen? Die sattsam eingeschüchterte Sarah würde die ganze Chose am liebsten ungeschehen machen; sie weiß aber nicht, wie das anzufangen wäre. Auftritt des »Negotiators«, zu Deutsch: Unterhändler, Vermittler. Er heißt Ash und sorgt für einen Deal: Schweigegeld gegen Stillschweigen; die Untat des Konzerns wird unter den Teppich gekehrt, dafür kassiert die stillgestellte Informantin ein hübsches Sümmchen und der Verhandler Provision. Alle lassen sich kaufen. Die Zeche zahlen jene, die übers verbrecherische Treiben nicht aufgeklärt werden, die Verbraucher, Nutzerinnen und Konsumenten. Am Ende rentiert sich das sogar. So funktioniert Marktwirtschaft.

Jedoch sind es gar nicht so sehr die moralischen Implikationen des Stoffs, die David Mackenzie, Regisseur von »The Negotiator«, interessieren. Es sind vielmehr das Thriller-Genre und seine Regeln sowie die Möglichkeiten von Zuspitzung und Variation, die es bietet. Im vorliegenden Fall hängen Geheimniskrämerei und Täuschungsmanöver eng miteinander zusammen, folgen Aufklärung und Verdunkelung in kreisförmiger Bewegung aufeinander, wollen die am Spiel Beteiligten die je andere Partei sichtbar machen und dabei selbst möglichst unbemerkt bleiben. Während die einen klassische audiovisuelle Überwachungstechniken wie Kamera und Abhörgerät nutzen, bedienen sich die anderen zur Informationsübertragung eigentümlicher Methoden der Massenkommunikation: Paketpost, Schließfach, Nachsendeauftrag, Relay-Dienst; letzterer ein Telefonservice für hörbeeinträchtigte Personen, der das Dolmetschen zwischen Sprache und Schrift, vor allem aber die Anonymität der übermittelten Daten gewährleistet. Das alles trägt sich im öffentlichen Raum von New York City zu, dessen turbulente Betriebsamkeit zusätzliche Deckung bietet. Schon entwickelt sich das temporeiche Katz-und-Maus-Spiel zwischen den Finstermännern des Konzerns, der verängstigten Sarah und dem schweigsamen Ash, der sich angesichts der hübschen, jungen Frau ein wenig zu sehr aus der Reserve locken lässt.

In einem Film, in dem jeder jeden hinters Licht zu führen versucht, ist natürlich jederzeit mit doppelten Böden und Doppelleben zu rechnen. So gesehen sind die konventionellen Manöver, die »The Nego­tiator« auf der Zielgeraden unnötigerweise vollführt, ebenso leicht zu durchschauen wie vorhersehbar. Doch wäre es kleinlich, sich davon die Freude an diesem Film verderben zu lassen. Zu gekonnt, ja, inspiriert setzt Mackenzie das Geschehen in Szene und zu vergnüglich ist es, Schläue über Gewalt siegen zu sehen.

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