Kritik zu Learning to Drive – Fahrstunden fürs Leben

© Alamode

2014
Original-Titel: 
Learning to Drive
Filmstart in Deutschland: 
06.08.2015
L: 
90 Min
FSK: 
keine Beschränkung

Patricia Clarkson und Ben Kingsley erteilen sich in Isabel Coixets neuem Werk auf den Straßen New Yorks gegenseitig Lebenshilfe

Bewertung: 3
Leserbewertung
2.666665
2.7 (Stimmen: 3)

Man kann sie auch im Kino immer öfter sehen, schöne Frauen in den besten Jahren, nach Julianne Moore in »Still Alice« nun Patricia Clarkson in »Learning to Drive«. Als Literaturkritikerin Wendy ist sie eher Kopfmensch, aber zugleich ausgesprochen impulsiv, wovon der indische Taxifahrer Darwan (Ben Kinsgley) eine peinlich berührende Kostprobe bekommt: Wie eine Furie hechtet sie ihrem Mann hinterher, der ihr offensichtlich gerade im Restaurant eröffnet hat, dass er sie nach 21 Ehejahren für eine Jüngere verlassen wird, und nun schnell im Taxi verschwinden will. Wendy stellt ihn zur Rede, ereifert sich, bettelt und beschimpft ihn in rasendem Wechsel. Doch es hilft nichts, der Mann steigt aus und hinterlässt ein Häufchen Elend. Den Umschlag, den der Taxifahrer später auf dem Rücksitz vorfindet, trägt er ihr am folgenden Tag hinterher und bietet bei dieser Gelegenheit auch weiterführende Lebenshilfe an, die sie in Form von Fahrstunden widerwillig annimmt. So sind die Weichen gestellt für eine Annäherung ganz unterschiedlicher Lebensformen und Kulturen, wie die katalanische Regisseurin Isabel Coixet sie bereits mehrmals durchgespielt hat, unter anderem zwischen einer japanischen Auftragskillerin (Rinko Kikuchi) und einem spanischen Weinhändler (Sergi López) in »Eine Karte der Klänge von Tokio« und zuletzt zwischen einer reichen Französin (Juliette Binoche) und einem einfachen Inuit-Mädchen (erneut Rinko Kikuchi) im Berlinale-Eröffnungsfilm »Nobody Wants the Night«

In »Learning to Drive« ist der Modus von vornherein milder und versöhnlicher, in Gestalt einer zartbitteren Komödie, die nicht auf romantische Liebe zusteuert, sondern auf gegenseitige Unterstützung bei der Bewältigung von Lebenskrisen. Während Wendy in ihrem Luxusapartment in Manhattan mit dem Zerbrechen ihrer Ehe ringt, muss sich der gläubige Sikh Darwan in seiner engen Wohngemeinschaft in Queens mit einer von seiner Familie arrangierten Ehe auseinandersetzen. Dabei können Ben Kingsley und Patricia Clarkson an die Freundschaft anknüpfen, die sie bereits in Coixets Philip-Roth-Verfilmung »Elegy« geschlossen haben. Die unaufgeregte Chemie zwischen den beiden Darstellern ist das Beste an einem Film, der im Vergleich zu den vielschichtigen und sinnlichen früheren Werken der Regisseurin eher mittelmäßig dahinplätschert.

Das mag auch daran liegen, dass Coixet hier auf dem vertrauen Terrain ihres derzeitigen Wohnsitzes New York arbeitet, statt fremde Schauplätze auf einer irischen Ölbohrinsel, in Tokio oder im Eis des Nordpols zu erforschen. Dabei folgt sie den Vorgaben eines autobiografischen Essays aus dem »New Yorker«. Nur leider ändert der Wahrheitsgehalt der Geschichte wenig daran, dass das Bild von den Fahrstunden, die mit all ihren Spurwechseln, Brückenüberquerungen und Hindernisumfahrungen zur Schule des Lebens werden, ein wenig platt geraten ist.

Meinung zum Thema

Kommentare

Der persönliche Hintergrund der beiden Hauptakteure ist ein interessanter Ansatz zum Thema ‘Führerschein‘. Fahrlehrer Darwan (Ben Kingsley) ist Sikh und trägt seinen Turban sowie seinen Vollbart voller Stolz. Die Fahrschülerin Wendy (Patricia Clarkson) ist eher im Reich der Wörter zu Hause, mittleren Alters und ihr Mann hat ihr gerade den Laufpass gegeben. Mit viel Gefühl und Empathie führt Darwan Wendy in die Geheimnisse des Autofahrens ein. Seine Schwester hat ihm daheim in Indien Jasleen (Sahrita Choudhury) ausgesucht und zu ihm geschickt. Es wurde eine arrangierte Hochzeit. Darwan hatte sie zuvor noch nie gesehen.
Jasleens Unsicherheit im fremden Amerika wird noch verstärkt durch die Tatsache, dass sie Analphabetin ist. Viele der Gags stammen aus dem Standardrepertoire der Fahrschule, die besten Gags bringt aber die menschliche Begegnung von Darwan und Wendy. Jeder der beiden ist ein Typ für sich: der Inder ruht ganz in sich selbst, verliert nie die Fassung. Wendy ist das ganze Gegenteil: ein Nervenbündel im Post-Ehekrieg-Stress.
Der Culture Clash wird nicht sehr hochgehängt. Ebenso wie Darwans oder Jasleens Haltung zwischen den kulturellen Gegebenheiten seiner Heimat und Amerika. Mit zu viel Zuneigung zeichnet Isabel Coixet ihre Figuren. Selbst die Tatsache, dass es für Fahrlehrer und Fahrschülerin kein gemeinsames Happy End gibt, stört hier niemanden.
Die Darsteller sind zu gut. Sie erfüllen die Erwartungen des Publikums auch ohne die ausgetretenen Pfade eines künstlich herbeigeführten Happy Ends noch breiter zu treten.
Ein Feel-Good Movie ohne schwülen Sex.

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