Interview: Gareth Edwards über »Jurassic World: Die Wiedergeburt«

Gareth Edwards am Set von »Jurassic World: Die Wiedergeburt« (2025). © Universal Studios

Gareth Edwards am Set von »Jurassic World: Die Wiedergeburt« (2025). © Universal Studios

Mr. Edwards, Ihr Spielfilmdebüt trug den Titel »Monsters«, danach folgte »Godzilla« und mit Ihrem fünften Film sind Sie jetzt wieder bei Monstern gelandet. Kann man das als programmatisch für Ihre Arbeit sehen? 

Ich habe früh in meiner Karriere – mehr durch Zufall – gelernt: wenn Du die Karrieleiter erklimmst, stelle sicher, dass Du auf einer Leiter bist, auf der Du Dich wohlfühlst. Schlage einen Weg ein, wo Du Dich an jedem Punkt wohlfühlst. Meine Arbeit beim Film habe ich ja begonnen mit visuellen Spezialeffekten für phantastische Filme. Als ich zum ersten Mal Regie führen konnte, war das ein Film aus diesem Genre, ein Monsterfilm. Ich habe mir damals gesagt, vielleicht ist das meine einzige Chance, also etwas, wo ich mich auskenne. Danach hatte ich das Glück, für »Godzilla« angesprochen zu werden. Hätte ich zuvor eine andere Art von Film gemacht, etwa eine RomCom, hätte ich »Godzilla« nicht bekommen. Ich werde sicher auch in anderen Genres arbeiten  aber wenn ich weiterhin nur solche Filme machen könnte, wäre ich auch nicht unglücklich.

Rührt dieses Interesse aus früher Kindheit, möglicherweise – wie bei vielen anderen älteren Filmemachern – aus dem Sehen des »King Kong«-Films von 1933?

Dieser Film war es nicht, »Star Wars« spielte eine große Rolle, da gibt es ja viele Monster, »E.T. – Der Außerirdische« war ebenfalls wichtig. Meine erste Erinnerung daran, von einem Film in Angst und Schrecken versetzt zu werden, ist diese: als ich sechs Jahre alt war, brachte mein Vater einen Film als Videokassette mit nach Hause, »American Werewolf« von John Landis. Er forderte mich auf, ihn anzusehen. Für einen Sechsjährigen war das ziemlich absurd, zumal er die dramatischen Geschehnisse im Schnelldurchlauf zeigte und sich auf die Schreckensszenen konzentrierte. Ich bin mir nicht sicher, was seine Absicht dabei war, aber es traumatisierte mich. Zugleich liebte ich es. Als er sich zum Schlafen hingelegt hatte, schaute ich es mir noch einmal an. Das bereitete mir einige schlaflose Nächte – als Kind schlief ich oft im Bett meiner Eltern, weil ich große Angst und Alpträume hatte. Aber aus diesen Alpträumen wurden am Ende Filme in meinem Kopf. Das ist ein einfacher, billiger Trick: als Regiedebütant ist Horror ein ideales Genre, denn man arbeitet mit der Vorstellungskraft des Zuschauers. So braucht man nicht so viel vor der Kamera, bekommt also einen großen Produktionswert für wenig Geld. 

Haben Sie bei Ihren bis jetzt drei Monsterfimen eher nach den Unterschieden Ausschau gehalten oder eher nach den Gemeinsamkeiten: inwiefern kann ich bei diesem neuen Monsterfilm aufbauen auf das, was ich beim vorigen gelernt habe?

Hier kam ich mir vor als sei ich »Oasis« – und plötzlich ruft Paul McCartney an und fragt: Könnt Ihr einen Beatles-Song spielen? Dies war der reale Deal, mit Steven Spielberg und David Koepp, der damals das Drehbuch geschrieben hatte. Ich hätte es nicht gemacht, wenn es eine andere kreative Kraft gewesen wäre – aber hier war es so, als dürftest Du eine Zeit lang in deinem Lieblingssandkasten spielen. Der mittlere Teil dieses Films ist wie eine Pizza, bei der jeder Streifen ein Kurzfilm mit einer Liebeserklärung an Steven Spielberg ist. David Koepp ist ein wenig älter als ich, aber wir sind mit denselben Filmen aufgewachsen. Das war wie ein Geschenk für mich. 

Eine der Szenen, bei denen mich die Inszenierung beeindruckt hat, war diejenige, wo die junge Frau, die Teil der Besatzung des Expeditionsschiffes ist, von einem Monster getötet wird, der Blick des Zuschauers darauf aber durch einen Gegenstand versperrt ist. War das genau so im Drehbuch beschrieben oder stand da nur: sie wird von einer Bestie, die aus dem Wasser kommt, getötet?

Ich kann mich nicht mehr genau erinnern, ich glaube, ursprünglich wurde sie bei einer früheren Szene im Wasser getötet. David Koepp ist ja nicht nur Autor, sondern hat auch Filme inszeniert. Er überlässt gerne den Regisseuren Entscheidungen bei Details. Er meinte, er müsse da ja etwas ins Drehbuch schreiben, weil Leute das Drehbuch lesen würden, aber wenn ich eine Idee hätte, solle ich meinem Einfall folgen. Diese Szene stand zu Beginn unseres Außendrehs in Thailand an. Das war am Beginn der Monsun-Zeit und es regnete ununterbrochen, sechs Stunden lang. Ich hatte also bereits einen halben Drehtag verloren und fühlte mich innerlich tot, weil mir die Zeit davonlief. So entstand die Überlegung, diese Szene ohne Schnitt in einer einzigen Einstellung zu drehen. Das einzige Objekt, die ich dafür hatte, war dieser große Seesack. Ich konnte aus Zeitgründen kein Coverage drehen und sah keine Alternativen. Aber das hat auch seinen Vorteil: wenn man die Entscheidungen nicht in den Schneideraum verlagern kann, spornt das die eigene Kreativität an. Ich denke, wenn ich noch einmal einen Film wie diesen drehen werde, verzichte ich auf Sicherheitsnetze – hat man Vertrauen in die eigenen Talente, ist das auch ein Ansporn.

Die Szene, in der die Familie in einem Boot den Fluss hinab fährt und am Ufer friedlich Dinosaurier grasen, habe ich als eine Hommage an Karel Zemans »Reise in die Urzeit« empfunden. Haben Sie den als Kind gesehen?

Nein. Von dem habe ich noch nie gehört. Ich werde mir gleich seinen Namen aufschreiben.

Der Film trägt den Obertitel »Jurassic World«, so dass man ihn als Fortsetzung der vorangegangenen Trilogie empfinden kann – allerdings sind alle Protagonisten neu und der Film wirbt mit der Zeile »Es ist ein neuer Anfang«. Wie sah das aus, als Sie zu diesem Projekt hinzustießen? Wurde Ihnen angekündigt: wir machen etwas neues, aber setzen gleichzeitig etwas fort?

Als ich das Drehbuch bekam, stand da nicht »Jurassic World«, der Titel war anders. Das fand ich spannend, ich sagte zu mir: das ist ein ganz neues Kapitel. David Koepp war erneut der Autor, das empfand ich als eine Versicherung, dass die Qualität gewahrt bliebe. Während des Drehs wurde dem Studio dann klar, dass »Jurassic World« eine eingeführte Marke ist: die wollte man beibehalten, damit die Zuschauer nicht auf die Idee kämen, dies sei ein kostengünstiger Ableger der aufwändigen Vorgänger. Deshalb wurde der Titel entsprechend geändert.

Wie war denn der ursprüngliche Titel?

Das habe ich niemandem verraten – und das soll auch so bleiben.

Als ich mit Colin Trevorrow sprach, der den ersten und den dritten Film der »Jurassic World« -Reihe inszenierte, fragte ich ihn, ob das von vornherein als Trilogie geplant gewesen sei, was er verneinte. War das hier auch der Fall?

Ja. Ich finde, jeder Film sollte für sich selber stehen. Wenn der Nachspann abläuft, soll der Zuschauer sich sagen, »ja, das hat für mich funktioniert«. Für mich ist das Wichtigste immer der Schluss, ich arbeite von dem aus rückwärts. Ob Sie es glauben oder nicht: wir hatten während der ganzen Produktion nicht ein einziges Gespräch über eine mögliche Fortsetzung – warten wir erst einmal ab, wie dieser Film ankommt.

Das kleine Mädchen scheint ja am Ende ihren neuen Freund mitzunehmen. Das schien mir ein möglicher Ausgangspunkt für den nächsten Film...

Gut möglich. (lacht). Allerdings ist das eine Saurierart, die nicht übermäßig wächst.

Wie eng war Ihr Kontakt zu Steven Spielberg?

Er hat sich das komplette Material angesehen, das war schon ein wenig einschüchternd. 

Hat er Vorschläge gemacht? Colin Trevorrow erzählte, dass Spielberg bei einer Szene meinte, die solle etwas länger sein, das würde den Suspense erhöhen.

Es gibt ein paar Einstellungen im Film, wo wir den Dinosaurier herausgenommen haben, weil Steven meinte, die Wirkung wäre stärker, wenn man ihn nicht zu Gesicht bekäme. Das haben wir gemacht, das war eine unserer spätesten Änderungen. Steven das mit Kochen: wenn Du ein Küchenchef fürs Kino bist, solltest Du das Publikum ein wenig hungrig zurücklassen – wenn die Zuschauer vollkommen gesättigt sind, hast Du einen Fehler gemacht. Das fand ich interessant, vermutlich hat er Recht.

Sie haben vorhin den Begriff Sicherheitsnetz erwähnt. Ist ein Film, der Teil eines filmischen Universums ist, leichter zu machen, weil dessen Spielregeln ein Sicherheitsnetz bieten – oder ist ein Film, der nicht Teil von etwas Existierendem ist, wie etwa Ihr vorangegangener Film »The Creator«, einfacher, weil die Zuschauer keine entsprechenden Erwartungen mit sich bringen?

Man will immer den besten Film machen, den man machen kann, auf den man wirklich stolz ist, dem du dich nahe fühlst, auch wenn der vielleicht kein großes Publikum anspricht – auf der anderen Seite hast du einen Film, der gedacht ist für ein großes Publikum: das ist ein Dilemma. Ich würde mich nicht für einen Blockbusterfilm entscheiden, wenn ich nicht das Gefühl hätte, dass dieser die richtigen Bestandteile enthält, auf die du stolz sein kannst. Bei der Lektüre des Drehbuchs für diesen Film hatte ich den Eindruck, dass darin genug enthalten sei, damit am Ende etwas dabei herauskommt, worauf ich stolz sein kann, wenn ich mein Bestes gebe. Ich bin froh, dass ich es gemacht habe, denn der erste »Jurassic Park«-Film war der Grund, warum ich Regisseur werden wollte. Deshalb war es mir hier auch unmöglich, 'nein' zu sagen.

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