Kritik zu Inside WikiLeaks – Die fünfte Gewalt

© Constantin

Von den ersten Tagen bis zum großen Coup: Bill Condon zeichnet die Geschichte der »Whistleblower«-Plattform nach

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Es sind nur ein knappes Dutzend Teilnehmer, die sich im Auditorium beim Treffen des »Chaos Computer Clubs« in Berlin versammelt haben, um den fahrigen Ausführungen des weißhaarigen, jungen Mannes zuzuhören. Von einer »neuen Form der sozialen Gerechtigkeit« durch eine Internetplattform, die Geheimnisse aufdeckt und den Informanten totale Anonymität gewährt, schwärmt der australische Hacker – und schaut dabei in vornehmlich desinteressierte und unverständige Gesichter. Keine drei Jahre später ist der WikiLeaks-Gründer ein Medienstar und wird als Robin Hood der Informationsgesellschaft gefeiert wird. Von milliardenschweren Steuerhinterziehungen durch Schweizer Banken bis hin zu Videodokumenten, die den gewaltsamen Tod von Zivilisten und Journalisten durch die US-Armee im Irak belegten, reichen die Veröffentlichungen der »Whistleblower«-Plattform. Zunächst ist dies eine klassische David-gegen-Goliath-Geschichte und damit wie geschaffen fürs Kino. Aber die Realität ist komplizierter, als es sich die Fiktion oft wünscht, und so erzählt der Fall WikiLeaks auch von der Verantwortung und dem moralischen Dilemma, die mit der Forderung nach totaler Transparenz verbunden sind, und vom Größenwahn, der mit der Macht über Informationen einhergeht. 
 
Regisseur Bill Condon versucht nun den widerspruchsreichen Informationsstrom in Inside WikiLeaks auf der Leinwand zu bändigen. Die Erzählperspektive liegt dabei vornehmlich auf der Sicht des deutschen Hackers Daniel Domscheit-Berg (Daniel Brühl), der seit 2007 gemeinsam mit Assange (Benedict Cumberbatch) die Internetplattform aufgebaut hat. Über ihn nähert sich der Film dem charismatischen WikiLeaks-Gründer an, der mit seinen manipulativen Fähigkeiten Mitstreiter wie Gegner in Schach hält. Benedict Cumberbatch ist sicherlich ideal besetzt in der Rolle des undurchsichtigen Manikers, hat aber in der gehetzten Etappendramaturgie zu wenig Platz. 
 
In dem Bemühen, mit dem Camp-Faktor seines Helden zu konkurrieren, setzt Condon auf eine angestrengt coole Optik und versucht durch hektische Schnittfolgen visuell eine Dynamik zu erzeugen, die sich auf der Erzähl­ebene nicht herstellen will. Zu deutlich merkt man Inside WikiLeaks an, dass Condon hier eigentlich einen traditionellen Journalistenthriller im Kopf hatte und die »true story« in dieses narrative Korsett nicht hineinpassen will. Hier fehlt es am Willen zur Interpretation und an der Analysefähigkeit für das widersprüchliche Sujet. Der Diskurs über die politischen Möglichkeiten und moralischen Grenzen radikaler Transparenz hätte deutlich mehr Tiefgang vertragen. Die Seite der »Whistleblower« kommt kaum direkt zu Wort. ­Bradley Manning erscheint nur kurz als Nachrichtenbild auf dem Monitor. Das Ermittlungsverfahren gegen Assange wegen sexueller Nötigung wird im Abspann verhandelt. Und so ist Inside WikiLeaks vor allem ein Film der verpassten Chancen.

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