Kritik zu Alles ist gut gegangen

© Wild Bunch

Ein Vater will die Kontrolle behalten, bis zuletzt. François Ozon geht in seinem neuen Film das Thema Sterbehilfe an

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François Ozons neue, inzwischen 20. Regiearbeit ist ein Film über das Loslassen und den Tod, der auf mehreren Ebenen mit realen Verlusten zu tun hat. Er beruht auf dem autobiografischen Roman der Schriftstellerin und Drehbuchautorin Emmanuèle Bernheim, in dem sie den Suizid ihres schwer kranken Vaters verarbeitete. Bernheim war auch eine gute Freundin des Regisseurs und wirkte an einigen Drehbüchern zu seinen Filmen mit. Vor fünf ­Jahren verstarb sie an Lungenkrebs, im Alter von nur 62 Jahren. Ozons Auseinandersetzung mit Sterbehilfe und dem Tod ist, ob bewusst oder nicht, auch von diesem persönlichen Abschied geprägt. 

Für die Protagonistin seines Films, auch sie heißt Emmanuèle und ist Autorin, gespielt wird sie von Sophie Marceau, verändert ein Anruf alles: Ihr 85-jähriger Vater André (André Dussollier) hatte einen Schlaganfall, er liegt im Krankenhaus, schwer gezeichnet und ans Bett gefesselt. Gemeinsam mit ihrer Schwester Pascale (Géraldine Pailhas), oft auch allein, wacht sie an seiner Seite, nicht willens, sich dem Fatalismus hinzugeben. Er wird schon wieder, er hat ja immer alles überstanden. 

Neben der Fürsorge kommen aber auch widersprüchliche Gefühle in ihr hoch, Erinnerungen an eine wenig liebevolle Kindheit und Jugend, in der André kaum Zuneigung oder Unterstützung entgegenbrachte, zu sehen in kurzen Rückblenden. Emmanuèle bleibt fast stoisch pragmatisch in ihrem Fokus auf Genesung, umso abrupter der Moment, als der Alte sie am Arm packt und mit heiserer Stimme fordert, sein siechend empfundenes Dasein zu »beenden«. Nach einem ersten Schock vertröstet sie ihn eine Weile mit Ausreden, versucht, den renommierten Kunstsammler mit Neuigkeiten über Auktionen und Ausstellungen bei Laune zu halten, doch von Mal zu Mal wird er resoluter in seinem Willen, bis zum Letzten die Kontrolle zu behalten und die in Frankreich verbotene Sterbehilfe in Auftrag zu geben, notfalls in der Schweiz.

Wie geht man damit um, wenn ein nahestehender Mensch sein Leben beenden will und um aktive Unterstützung bittet? Euthanasie ist ein delikates Thema, und eines, bei dem es kaum ein Happy End geben kann. Nichtsdestotrotz oder gerade deswegen trifft der Titel durchaus ins Schwarze, auch wenn sich nicht alles in Wohlgefallen auflöst. Das Abwägen und das Prozedere konstruiert Ozon ebenso unsentimental wie ambivalent, in kleinen Details scheinen Fragmente eines Doppellebens auf, zugefügte Verletzungen, Verdrängtes und Bereutes. Doch der Film kreist, anders als Bernheims Roman, weniger um den Patriarchen als um die Autorin selbst, die Tochter und ihre emotionalen und ethischen Dilemmata. »Alles ist gutgegangen« ist damit auch die seltene Gelegenheit, die formidable Sophie Marceau mal wieder auf der Leinwand sehen. Die inneren Konflikte ihrer Figur spielt sie mit einer berührenden Zurückgenommenheit, die mehr andeutet als ausagiert und sich so immer wieder einer eindeutigen Lesart entzieht. Gerade sie verleiht diesem Drama, bei aller Schwere, etwas faszinierend Schillerndes.

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