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In Jan-Ole Gersters neuem Film spielt Sam Riley einen ehemaligen Tennisprofi, den es in ein Hotel auf Fuerteventura verschlagen hat, wo er Touristen trainiert. Film-noir-Motive kommen ins Spiel, als eine Femme fatale in sein Leben tritt, der er bald bei der Suche nach ihrem verschwundenen Mann helfen soll
Es hat eine gewisse Ironie, dass die erste Einstellung von Jan-Ole Gersters »Islands« kein Wasser zeigt, sondern eine Wüste. Da liegt ein Mann scheinbar bewusstlos im Sand, und man vermutet instinktiv, dass der Film nun rückblickend erzählen wird, wie es zu dieser prekären Lage kam. Falsch gedacht, denn der Mann wurde nicht etwa verschleppt, sondern ist schlichtweg verkatert. Dieses Spiel mit Erwartungen setzt den Ton für den ganzen Film. Immer wieder arbeitet Gerster mit vermeintlich vertrauten Figuren und Motiven, die er dann auf geschickte Weise unterläuft. Fast alles kommt ein bisschen anders als erwartet – und zwar nicht in der üblichen Dramaturgie der »Überraschung«, sondern im Gegenteil betont unspektakulär. Das hat seinen Reiz, aber auch Begrenzungen.
Der Mann im Sand heißt Tom, ist Brite und arbeitet als Tennistrainer in einer Hotelanlage auf Fuerteventura. Früher war er ein vielversprechender Profi, heute übt er mit Urlaubern Aufschläge. Die Nächte verbringt er mit jeder Menge Alkohol in den Touristendiscos. Der Schauspieler Sam Riley findet in diesem gelangweilten Tagedieb eine echte Paraderolle. Er spielt Tom zwischen depressiver Gleichgültigkeit, schwankender Improvisation und einem letzten Funken Pflichtbewusstsein – als einen, der weiß, dass da mal was war, aber von seiner Insel einfach nicht mehr runterkommt. Dass Tom mit aufgerauter Stimme, wuschigem Haar und Dreitagebart ziemlich abgehalftert daherkommt, macht ihn für erlebnishungrige Touristinnen umso attraktiver.
Als Außenstehender könnte man ihn für einen Lebenskünstler halten, der dort arbeitet, wo andere Urlaub machen. Tatsächlich aber ist er ein Gestrandeter, der mit seiner verlebten Aura bestens in das verwohnte Nobelhotel passt. Dieses im Grunde profane Setting etablieren Gerster, sein Kameramann Juan Sarmiento G. und die Szenenbildnerin Cora Pratz in einer faszinierenden Mischung aus lakonischer Poesie und sanfter Zuspitzung, lebensnah und doch sehr »filmisch«. Der Hotelkomplex ist ein seltsam abstraktes Gebilde aus hellgelbem Beton und funktionalem Tennisplatz, mit spärlich besetzter Rezeption und düsteren Zimmern.
Mit der britischen Touristin Anne (Stacy Martin) kommt Dynamik in Toms monotonen Alltag. Er soll ihren siebenjährigen Sohn trainieren, der sich als erstaunlich begabt erweist und ebenfalls eine Wuschelmähne hat. Tom ist auf Anhieb fasziniert von der geheimnisvoll-attraktiven Anne, die in einer krisengeschüttelten Ehe mit einem immer etwas zu aufgekratzt wirkenden Schnösel namens Dave steckt. Das wird alles sehr ausführlich etabliert, und gerade als man sich fragt, um was es nun eigentlich geht, verschwindet Dave nach einer volltrunkenen Partynacht spurlos. Tom hilft der scheinbar ratlosen Anne bei der Suche, aber sie gerät bald selbst ins Zentrum der Ermittlungen.
Dramaturgisch geschickt und visuell durchdacht verlegt Gerster hier klassische Film-noir-Motive in das gleißende Licht der Kanaren. Da sind eine blonde Femme fatale und ein traurig-fieser Ehemann, ein kühler Kommissar und der versoffene Gelegenheitsdetektiv Tom, der zwischen alle Fronten gerät – halb Hitchcock-Held, halb Raymond-Chandler-Schnüffler. Vor allem aber ist Tom, der stolpernd zu einer Art Sinnsuche geführt wird, ein typischer Gerster-Protagonist (wenn man das bei einem dritten Film schon so sagen kann).
Doch so stimmungsvoll inszeniert und nuanciert gespielt das alles ist, die Mysterygeschichte ermüdet recht schnell, weil außer immer neuen Fährten und Vermutungen nichts passiert – und am Ende alles ins Leere läuft. Das Antiklimaktische mag die Pointe sein, diese funktioniert aber eher auf intellektueller als auf sinnlicher Ebene. Am Ende scheint jeder sich auf seine eigene Insel zurückzuziehen. Dass Tom, endlich wachgerüttelt, die seine verlässt, scheint als Resultat ein bisschen dünn – wirkt aber überraschend nach.