Nahaufnahme von Rosamund Pike

Die Doppelagentin
Rosamund Pike in »I Care a Lot« (2021). © Seacia Pavao/Netflix

Rosamund Pike in »I Care a Lot« (2021). © Seacia Pavao/Netflix

Nach ihrem Karrierestart im Bond-Film »Stirb an einem anderen Tag« hat Rosamund Pike oft unzufriedene Ehefrauen gespielt. Das konnte schon mal ins Kriminell-Geheimnisvolle gehen wie in der Bestsellerverfilmung »Gone Girl«. Jetzt ist sie solo unterwegs – als Betrügerin in der Thrillerkomödie »I Care a Lot«

»Ich werde keinen Zweifel daran lassen, wie schlimm ich bin«, sagt Louise in der Serie »State of the Union« zu ihrem betrogenen Ehemann Tom bei einem Drink vor der Paartherapie, und er nickt, nur wenig beruhigt. Rosamund Pike spielt die Louise in diesem Kammerspiel von Nick Hornby (Drehbuch) und Stephen Frears (Regie) mit trockenem Humor und fast regungsloser Mimik. Schauplatz der zehn Minifolgen von zehn bis zwölf Minuten ist eine Kneipe, und doch breitet sich das ganze Eheleben der beiden vor uns aus. Rosamund Pike läuft an keiner Stelle Gefahr überzuagieren, ein angedeutetes Lächeln reicht, um uns zu zeigen, wer in dieser Ehe die Fäden in der Hand hält. 

Als »Bond-Girl« wurde sie bekannt. Da war die 1979 in London geborene, kulturell »vorbelastete« Pike – ihre Eltern sind Opernsänger – 23 Jahre alt. In »Stirb an ­einem ­anderen Tag« spielt sie die Doppelagentin Miranda Frost an der Seite von Pierce ­Brosnan, dem sie aus dem Bett im Eispalast zuhaucht: »Passen sie auf sich auf.« Hier ist sie ganz Schönheit und Augenaufschlag, mit der Hoffnung auf mehr. In Laurence ­Dunmores Debüt, dem Historienfilm »The Libertine«, spielt sie hingegen die treue, abgewiesene Ehefrau von Johnny Depp. Ihr demütiger, verletzter Blick ist genau das Gegenteil der frivol-kessen Ausstrahlung in dem Bond-Film. Schon die ersten Filme also zeigen, dass Pike vielfältig einsetzbar ist; sie offenbaren aber auch eine bestimmte Haltung, der sie über die vielen, inzwischen mehr als 30 Kinoproduktionen hinweg treu bleiben sollte. Sie ist stets zurückhaltend, chargiert nicht und legt mehr Ausdruck in ihre braunen Augen als in ihre Bewegungen. Sie ist eine eher vorsichtige Akteurin, die selten übers Ziel hinausschießt. So passt sie ebenso in ein historisches Set, etwa als eine der Bennet-Schwestern in Joe Wrights Jane-Austen-Verfilmung »Stolz & Vorurteil« neben Keira Knightley, wie in die Science-Fiction-Welt von »Doom«, der Videospielverfilmung von Andrzej Bartkowiak. 

Es folgen einige Rollen als Geliebte, Partnerin oder Ehefrau, in unterschiedlicher Größe und Bedeutung: die der Verhaltenspsychologin Kate in der Bond-Parodie »Johnny English – Jetzt erst recht« oder der Königin Andromeda in »Zorn der Titanen« – beides Sequels –, in der Folge eine erste filmische Begegnung mit einem Text von Nick Hornby in »A Long Way Down«, bis sie schließlich in »Gone Girl – Das perfekte Opfer« von David Fincher 2014 neben Ben Affleck ihre erste Hauptrolle spielt. 

In dem vielfach gewundenen Thriller um das Verschwinden einer gelangweilten Hausfrau, die den Zeiten ehemaligen Ruhmes als Wunderkind und erfolgreiche Journalistin nachtrauert, zeigt sich Rosamund Pike wieder kühl und geheimnisvoll. Ist es zuerst der Ehemann Nick, der als potenzieller Mörder durch den Film getrieben wird, wechselt die Perspektive langsam hinüber zu Amy, die das ganze Geschehen inszeniert zu haben scheint. Ganz im Sinne der vertrackten Handlungswendungen des Films lässt sich Rosamund Pike auch als Darstellerin nicht in die Karten schauen. Ein sehnsuchtsvoller Blick aus der Badewanne, ein All-American-Smile tragen kleinere Wutausbrüche, bis sie sich vom bedauernswerten Opfer zur entschlossenen Täterin wandelt. Aber auch hier bleibt sie die coole Akteurin, die gedankenvoll zu Werke geht, und wird trotz eines Mordes nicht zum Monster. »Ich werde üben, so zu tun, als würde mein Mann mich lieben, aber vielleicht irre ich mich«, sagt sie aus dem Off und versucht in ihrem Spiel, dieser Uneindeutigkeit Kontur zu verleihen. Sie sei, heißt es im Film, der Typ Frau, der Bewunderer anzieht, ohne dass sie viel dafür tun muss. Und so ist auch ihr Spiel, ihr Lächeln, ihre Wut.

»Gone Girl« (2014). © 20th Century Fox

Kurz nach dem Erscheinen der Romanvorlage im Jahr 2012 hatte sich Reese Witherspoon mit ihrer Firma Pacific Standard die Filmrechte gesichert. Sie selbst wollte die Hauptrolle übernehmen, außerdem waren Natalie Portman, Charlize Theron oder Emily Blunt im Gespräch. Für viele war es daher überraschend, dass man sich für Rosamund Pike entschied. Tatsächlich erhielten der Film und seine Hauptdarstellerin überwiegend positive Kritiken, von grandiosen schauspielerischen Leistungen war die Rede, von der konsequenten Darstellung moralischer Verdorbenheit und davon, dass Rosamund Pike »jede Tonlage zwischen tragisch verzagter Hipsterin und fröhlich aggressiver Manipulatorin« perfekt beherrsche. In den USA spielte der Film bereits am Startwochenende 38 Millionen US-Dollar ein und bescherte Pike weitere Hauptrollen. 

Bis hin zu »State of the Union« wird sie besonders gern als unzufriedene Ehefrau besetzt. Immer wieder ist sie Teil einer zerbrechenden Ehe, schaut genervt oder verloren in die Kamera oder zieht sich innerlich zurück. Wie in »Ein Schotte macht noch keinen Sommer«, wo ein Paar nur noch so tut, als sei seine Ehe intakt. Historische Persönlichkeiten finden sich auch in dieser Reihe. Pike spielte die unverstandene, vom Volk abgelehnte Ehefrau von Seretse Khama, dem König von Botswana, die kuschend aufschauende Gattin des Nazis Reinhard Heydrich und später die Gemahlin von Pierre Curie, bevor sie selbst zu Weltruhm gelangte. Sie kann Wandlungen in minimalen Gesten verstecken und, wie in dem Thriller »Return to Sender«, Opfer- und Täterrolle mit ein und demselben Blick ausfüllen. Sogar ein Western ist dabei. In »Hostiles« spielt sie eine Frau, deren Mann und Kinder soeben von Indianern ermordet wurden. 

»7 Tage Entebbe« (2018). © Entertainment One

Eine ganz andere Rolle übernahm sie 2018 in dem Politthriller »7 Tage in Entebbe« unter der Regie des Brasilianers José ­Padilha, der mit dem Polizeidrama »Tropa de Elite« den Goldenen Bären bei der Berlinale gewonnen hatte. Der Film zeigt die Befreiung einer von deutschen Terroristen entführten Air-France-Maschine auf dem Weg nach Israel durch ein Kommando der israelischen Armee, die 1976 als Operation Entebbe in die Geschichte einging. Die Terroristin Brigitte Kuhlmann ist eine knallharte Frau. In einem Terror-Camp dafür ausgebildet, kein Mitgefühl zu zeigen, schleudert sie mit stahlharter Mine den Geiseln ihr »Wer sich mir widersetzt, wird erschossen« entgegen. In Idi Amins Uganda zwingen die Entführer den Piloten zur Landung. Neben Daniel Brühl, der typgerecht den Zweifler spielt und in keinem Fall für einen Nazi gehalten werden will, kämpft Pike als Kuhlmann mitleidlos für die Rechte Palästinas. Mit brünett gefärbten Haaren und einem Blick, der einem das Blut in den Adern gefrieren lassen könnte, bleibt sie ihrem Stil aber auch hier treu. Nie zu viel, eher zu wenig – um Raum zu lassen für die Imagination des Zuschauers und die Vielfältigkeit der Figur.

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