Patrick Seyboth

Filmkritiken von Patrick Seyboth

Kambodschanische Geschichte als Clash von klassischem kambodschanischem Tanz und der Barbarei der Roten Khmer: Der Dokumentarfilm erzählt mit Archivmaterial und Interviews, vor allem aber in kunstvollen Choreographien die Geschichte der unwahrscheinlichen Verbindung einer Starsolistin des königlichen Ensembles zum Massenmörder Pol Pot.
Ein Familientreffen in einem idyllisch gelegenen Haus auf dem Land legt alte Konflikte und Traumata offen. Die Brüder Ramon und Silvan Zürcher erzählen das in jenem vieldeutig-geheimnisvollen Stil, den sie bereits mit ihrem Erstling »Das merkwürdige Kätzchen« etabliert haben. Doch jetzt drehen sie ihre ästhetische Schraube noch einmal mutig weiter…
Bertrand Bonello überfordert den Betrachter planvoll mit einer auf drei Zeit­ebenen spielenden, rätselreichen Erzählung über die Macht der Angst und der Liebe. Mit seinen faszinierenden Bildern entfaltet der Film trotzdem eine hypnotische Spannung.
Die Prämisse scheint absurd: Ist die kleine Familie wirklich nur im Inneren ihrer Waldhütte oder an ein Seil geknotet vor dem weltbeherrschenden Bösen sicher? Oder ist die Mutter (Halle Berry) schlicht wahnsinnig? Alexandre Ajas Mischung aus Horror-, Survival- und psychologischem Thriller spielt recht spannend mit der Antwort.
Yorgos Lanthimos kehrt zur kalten Unerbittlichkeit seines Frühwerks zurück und erzählt in drei unabhängigen, doch mit den gleichen Darsteller*innen besetzten Episoden von einer absurden Welt voller menschlicher Abgründe. Schmackhaft wird das so böse wie drastische Spiel durch jede Menge überraschende Wendungen und irrwitzige Details sowie die großartige Besetzung.
Der Dokumentarfilm von Marcus Vetter und Michele Gentile porträtiert die Arbeit des International Criminal Court (ICC) in den Den Haag. Die Fülle an bereits um 2012 entstandenem und neuem Material sowie Anknüpfungen zu den aktuellen Konflikten und Fragestellungen können Dramaturgie und Montage des Films leider nicht ganz bändigen, dennoch bietet er erhellende Einblicke in die Herausforderungen und Komplexitäten des Versuchs, nicht nur Verbrechen in Kriegen, sondern auch das Verbrechen des Angriffskrieges zu ahnden.
Found-Footage-Horrorfilm, der angeblich aus jahrzehntelang unter Verschluss gehaltenem Originalmaterial einer TV-Late-Night-Show besteht. In perfektem Look, mit viel schwarzem Humor und großartig gespielt ersteht eine Halloween-Show aus dem Jahr 1977 auf, die mit einem besessenen Mädchen Quote machen soll – und entsetzlich entgleist.
Nuri Bilge Ceylans neues Werk über einen Dorflehrer, der nicht nur wegen angeblich unangemessenem Verhalten gegenüber einer Schülerin in Konflikt mit seiner Umgebung gerät, ist eine vielschichtige Erzählung über Wahrnehmung und Wahrheit, so spannend wie poetisch inszeniert.
Im ländlichen Italien der 1980er sowie irgendwo zwischen Märchen und Realität angesiedelte Ballade von einem Grabräuber mit gebrochenem Herzen, doch einer besonderen Gabe zum Aufspüren etruskischer Gräber. Ohne Kitsch, stattdessen voller Eigensinn und schräger Poesie, erzählt Alice Rohrwacher eine vieldeutige Geschichte von Liebe und Loslassen.
Mit seiner Fortsetzung der Sci-Fi-Saga um den Wüstenplaneten Arrakis, das begehrte »Spice« und den Fürstensohn Paul, der nach dem Mord an seinem Vater auf Rache sinnt, beweist Denis Villeneuve abermals, dass Bildgewalt und mitreißende Action keineswegs Vielschichtigkeit und sogar schmerzhafte Ambivalenz ausschließen müssen. Kein perfektes, aber ein höchst beeindruckendes Werk.

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Vier reale Kriminalfälle, vier herausragende Regisseur*innen, vier ungewöhnliche ästhetische Zugriffe: Die Anthologiereihe »Zeit Verbrechen« nach einem der meistgehörten deutschen Podcasts überzeugt mit stilistischem und narrativem Mut.
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