Kritik zu War and Justice

© Der Filmverleih

2023
Original-Titel: 
War and Justice
Filmstart in Deutschland: 
06.06.2024
L: 
88 Min
FSK: 
Ohne Angabe

Ein Dokumentarfilm von höchster Aktualität: Marcus Vetter und Michele Gentile beleuchten die Geschichte des Internationalen Strafgerichtshofs und erzählen von den Schwierigkeiten, den Tatbestand des Angriffskriegs vor Gericht zu bringen

Bewertung: 3
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Das größte Kriegsverbrechen ist der Krieg selbst«: Dieses Zitat von Benjamin Ferencz, dem damals jüngsten Chefankläger bei den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen, zieht sich als Motto und Leitmotiv durch »War and Justice« und ergibt auch die entscheidende Frage des Films: Denn wer wie der International Criminal Court (ICC) gegen Verbrechen an der Menschheit vorgehen will, dem kann es nicht nur darum gehen, Kriegsverbrechen zu ahnden. Er muss bereits bei der Verantwortung für Angriffskriege ansetzen – siehe etwa Putins Überfall auf die Ukraine. Doch wie kann man mächtige Staatenlenker überhaupt vor Gericht bringen?

Ferencz selbst, im vergangenen Jahr im Alter von 103 Jahren verstorben, zählt zu den Protagonisten des Films, ebenso wie der heutige Chefankläger des ICC in Den Haag, Karim Khan. Zentrale Hauptfigur jedoch ist der Argentinier Luis Moreno Ocampo, der von 2003 bis 2012 der erste Chefankläger des neu ins Leben gerufenen ICC war. Die Filmemacher Marcus Vetter und Michele Gentile haben über Ocampo und die Arbeit des ICC bereits 2013 den Film »The International Criminal Court« veröffentlicht. Zahlreiche Szenen daraus wurden für »War and Justice« übernommen. Was hinzukommt und neue Akzente setzt, sind Aufnahmen von Ocampo, der zehn Jahre nach seiner Amtszeit nach Europa zurückkehrt, um in einer Grundsatzrede die Wichtigkeit der Verfolgung von Kriegsverbrechen zu unterstreichen – an ebenjenem Ort, der den Beginn solcher juristischen Aufarbeitung markiert: dem Gerichtssaal 600 in Nürnberg. Zudem stellt War and Justice den Bezug zu den aktuellen Konflikten her, dem Ukrainekrieg vor allem, zuletzt auch zum Überfall der Hamas auf Israel und die Folgen.

Es ist nicht ganz leicht, sich in den Zeit­ebenen von »War and Justice« zurechtzufinden, zumal die Montage nicht immer schlüssig wirkt und die Komplexität der juristischen Sachverhalte bisweilen nur angerissen werden kann. So springt der Film zwischen neueren Szenen von der Vorbereitung Ocampos auf seine Rede und Aufnahmen aus seinem damaligen Alltag im Gericht und Begegnungen mit Unterstützern wie ­Ferencz oder Angelina Jolie hin und her, ergänzt durch teils schwer erträgliche – aber notwendige – Archivbilder aus Konfliktgebieten.

Trotz einer Musikuntermalung im typisch soßigen TV-Doku-Stil vermittelt sich die Bedeutung der Arbeit des ICC ebenso wie die immensen Herausforderungen. Denn nicht nur Beweisaufnahme und -führung sind in vielen Fällen schwierig, es gibt Hindernisse der Zuständigkeit: So hat der ICC nur in 116 Ländern ein Mandat, Staaten wie Russland, die USA, China und Indien erkennen ihn nicht an. Daher muss sich das Gericht immer wieder den Vorwurf anhören, es gehe nur gegen kleine, meist afrikanische Länder vor, nie gegen Großmächte wie etwa die USA nach der Invasion im Irak. Wegen des Überfalls auf die Ukraine wird nun offiziell gegen Russland ermittelt, doch Putin vor Gericht? – Ein weit entferntes Ziel.

Dennoch oder gerade wegen der Hindernisse sind der Idealismus, der die Protagonisten des Films antreibt, wie auch die Idee hinter dem Internationalen Gerichtshof bewundernswert und dringlicher denn je: Es muss eine internationale, unabhängige Instanz geben, die für die Rechte aller Völker der Erde einsteht.

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