Kritik zu Der Mann, der immer kleiner wurde
Jack Arnolds Verfilmung des »Incredibly Shrinking Man« von Richard Matheson ist eigentlich epochal genug, um keiner Neuauflage zu bedürfen. Jean Dujardin und Regisseur Jan Kounen wagen sich dennoch mit enormer Unternehmungslust daran
Noch bevor ihm das Schicksal übel mitspielt, hegt Paul bereits den Argwohn, seine Existenz sei eine sehr uneigentliche Angelegenheit. Unser Leben gleiche nicht den Erzählungen, mit denen wir ihm einen Sinn geben wollen. Im Grunde käme das Leben gut ohne uns zurecht. Seine Erkenntnis, wir alle seien winzig klein im kosmischen Zusammenhang, wird sich bald in eine Tragödie verwandeln.
Das Dasein, von dem Paul (Jean Dujardin) sich entfremdet fühlt, besteht aus einem nach filmischem Ermessen erfüllten Familienleben. Seine Ehe mit Élise (Marie-Josée Croze) ist nach wie vor erotisch reizvoll, die Tochter ist wohlgeraten unartig und die Hauskatze hält Mäuse aus ihrem Strandhaus fern. Allerdings erlebt sein Bootsbauunternehmen gerade eine wirtschaftliche Flaute. Eines Tages wird Paul beim Bad im Meer Opfer einer meteorologischen Anomalie. In der Wolkendecke öffnet sich ein kreisförmiges Loch, aus dem eine rätselhafte Kraft auf ihn herabströmt, die ihn fortan schrumpfen lässt. Alsbald kehrt sich die häusliche Idylle um. Die Puppenstube der Tochter dient nun als Wohnung, die Katze verwandelt sich in ein zähnefletschendes Raubtier, schließlich avanciert die eingangs freundliche Spinne im Keller zu Pauls Todfeind.
Regisseur Jan Kounen und sein Co-Autor Christophe Deslandes adaptieren die Vorlage von Richard Matheson (bzw. deren Verfilmung) mit einer Geradlinigkeit, der man weder sklavische Treue noch respektlose Freizügigkeit vorwerfen kann. Während der Stoff in den 1950ern noch als Allegorie auf Atomangst und die Konformität der Suburbia lesbar war, erfährt er hier eine existenzielle Deutung. Im Gegensatz zu früheren Dujardin-Rollen erscheint der Schicksalsschlag nicht als eine Vergeltung für etwaige Selbstüberschätzung oder Mangel an Aufmerksamkeit. Es passiert einfach und dementsprechend wacker ringt die Wiederverfilmung um ihre innere Notwendigkeit.
Sie geht auf die Initiative des Hauptdarstellers zurück, der das Motiv der Verkleinerung bereits komödiantisch erprobt hat: In »Mein ziemlich kleiner Freund« war er ein liebenswürdiger Spezialeffekt, der um Virginie Efira warb. Hier muss er sich in einem feindseligen Ambiente behaupten. Im Kern ist dies ein Kammerspiel – die Familie verschwindet verblüffend rasch aus dem Film, der den Eindruck erweckt, als wäre manches Handlungselement aus ihm geschnitten worden –, eine spektakuläre Solonummer für Dujardin. Indes, die Bedrohungen sind aus der Vorlage vertraut und gebären allenfalls hinreichende Spannung. Beim Ausgang der Tragödie besteht wenig Spielraum.
Kounen hat sich einen Namen mit frechen Genrestücken (»Doberman«) und Literaturverfilmungen (»39,90«) gemacht und mit seiner unberatenen »Blueberry«-Adaption in einen Mystiker verwandelt. Der schlägt nun wieder durch und sucht aus der notwendig fatalistischen Erzählung eine philosophische Ausflucht. Die eingangs zitierten Sentenzen geben die Richtung vor und münden in eine Neubestimmung der Identität Pauls, der einen anderen Einklang mit dem Universum finden muss.




Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns